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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Räuber in die Stube stürzten. Im ersten Schreck griff der Tischler nach
einer Axt, um Leben und Eigenthum zu vertheidigen. Aber die Axt wurde
ihm entrissen und ihm selbst in der Hitze des Kampfes damit der Kopf ge¬
spalten.

Die Tischlerin wurde geknebelt und mit dem Messer auf der Brust zur
Herausgabe ihrer Ersparnisse gezwungen. Die Räuber packten noch alles
Tragbare auf und banden dann die Geknebelte an ein Bett, um ihre Flucht
zu sichern. Die angezündete Kerze ließen die Räuber auf einer Bank stehen
und die Tischlcrin mußte bei dem Lichte ihren Mann sich im Blute wälzen
sehen, ohne ihm beistehen zu können.

Das Entsetzen der armen Frau sollte aber noch gräßlicher gesteigert
werden. Das Licht auf der Bau! schmolz herunter, der hölzerne Leuchter,
vom geschmolzenen Talg Übergossen, fing Feuer. Die Flamme theilte sich
Hobelscharten mit, die aus der Bank lagen, bald wurde diese vom Brand
ergriffen, die Flamme leckte allmälig an den mit Spänen bedeckten Dielen
und zuckte an den Betten hinauf, worin die Kinder schliefen.

Die Tischlerin sah das Unheil um sich greifen, sie machte ohnmächtige
Versuche zu schreien und die Bande zu zerreißen. Das Herz wollte ihr ber¬
sten in der pochenden Brust, die Augen traten aus deu Höhle", ihr Haar
sträubte sich zu Berge, bis sich endlich erliegend unter den furchtbaren Lei¬
den ihre Seele umnebelte, und währeud ein fast erstickender Rauch ihr Haupt
umwallte, schloß eine wohlthuende Ohnmacht ihr entsetztes Auge.

Die Tischlerin sollte jedoch nicht in den Flammen das Ende ihrer Lei¬
den finden. Als einem der Kinder das Feuer nahe kam, wurde es von der
Hitze und dem plötzlichen Glanz in der Stube geweckt. Es sprang erschrocken
aus dem Bett und stürzte vom Instinkt getrieben aus dem offenen Fenster.
Das Geschrei des Kindes wurde von dem heftigen Geheul aller Hunde im
Dorfe begleitet. Die Nachbarn eilten an die Fenster, sie sahen den Schein
der Flamme, die in ungarischen Städtchen, wo alle Häuser aus Holz und
Stroh bestehen, besonders gefürchtet ist, und bald war die brennende Stube
voll Menschen. Die vom Regen angeschwollenen Pfützen boten gute Löschmittcl.

Sobald das Feuer gelöscht war, sah man sich nach den Bewohnern des
Hänschens um. Der Tischler war bereits dem Grabe verfallen, sein Weib
wurde zwar in's Leben zurückgerufen, doch kam sie nie wieder zu Verstand.
Wenige Tage nach dem Ereignis; gebar sie einen Sohn, unsern Cyriak.

Waren es nun die bösen Ahnungen der Tischlerin und das schreckliche
Ereigniß während ihrer Schwangerschaft, oder die spätere Erzählung von
dem Unglück seiner Eltern, was ans Corial's Gemüth einwirkte -- Cyriak


Räuber in die Stube stürzten. Im ersten Schreck griff der Tischler nach
einer Axt, um Leben und Eigenthum zu vertheidigen. Aber die Axt wurde
ihm entrissen und ihm selbst in der Hitze des Kampfes damit der Kopf ge¬
spalten.

Die Tischlerin wurde geknebelt und mit dem Messer auf der Brust zur
Herausgabe ihrer Ersparnisse gezwungen. Die Räuber packten noch alles
Tragbare auf und banden dann die Geknebelte an ein Bett, um ihre Flucht
zu sichern. Die angezündete Kerze ließen die Räuber auf einer Bank stehen
und die Tischlcrin mußte bei dem Lichte ihren Mann sich im Blute wälzen
sehen, ohne ihm beistehen zu können.

Das Entsetzen der armen Frau sollte aber noch gräßlicher gesteigert
werden. Das Licht auf der Bau! schmolz herunter, der hölzerne Leuchter,
vom geschmolzenen Talg Übergossen, fing Feuer. Die Flamme theilte sich
Hobelscharten mit, die aus der Bank lagen, bald wurde diese vom Brand
ergriffen, die Flamme leckte allmälig an den mit Spänen bedeckten Dielen
und zuckte an den Betten hinauf, worin die Kinder schliefen.

Die Tischlerin sah das Unheil um sich greifen, sie machte ohnmächtige
Versuche zu schreien und die Bande zu zerreißen. Das Herz wollte ihr ber¬
sten in der pochenden Brust, die Augen traten aus deu Höhle», ihr Haar
sträubte sich zu Berge, bis sich endlich erliegend unter den furchtbaren Lei¬
den ihre Seele umnebelte, und währeud ein fast erstickender Rauch ihr Haupt
umwallte, schloß eine wohlthuende Ohnmacht ihr entsetztes Auge.

Die Tischlerin sollte jedoch nicht in den Flammen das Ende ihrer Lei¬
den finden. Als einem der Kinder das Feuer nahe kam, wurde es von der
Hitze und dem plötzlichen Glanz in der Stube geweckt. Es sprang erschrocken
aus dem Bett und stürzte vom Instinkt getrieben aus dem offenen Fenster.
Das Geschrei des Kindes wurde von dem heftigen Geheul aller Hunde im
Dorfe begleitet. Die Nachbarn eilten an die Fenster, sie sahen den Schein
der Flamme, die in ungarischen Städtchen, wo alle Häuser aus Holz und
Stroh bestehen, besonders gefürchtet ist, und bald war die brennende Stube
voll Menschen. Die vom Regen angeschwollenen Pfützen boten gute Löschmittcl.

Sobald das Feuer gelöscht war, sah man sich nach den Bewohnern des
Hänschens um. Der Tischler war bereits dem Grabe verfallen, sein Weib
wurde zwar in's Leben zurückgerufen, doch kam sie nie wieder zu Verstand.
Wenige Tage nach dem Ereignis; gebar sie einen Sohn, unsern Cyriak.

Waren es nun die bösen Ahnungen der Tischlerin und das schreckliche
Ereigniß während ihrer Schwangerschaft, oder die spätere Erzählung von
dem Unglück seiner Eltern, was ans Corial's Gemüth einwirkte — Cyriak


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[0385] Räuber in die Stube stürzten. Im ersten Schreck griff der Tischler nach einer Axt, um Leben und Eigenthum zu vertheidigen. Aber die Axt wurde ihm entrissen und ihm selbst in der Hitze des Kampfes damit der Kopf ge¬ spalten. Die Tischlerin wurde geknebelt und mit dem Messer auf der Brust zur Herausgabe ihrer Ersparnisse gezwungen. Die Räuber packten noch alles Tragbare auf und banden dann die Geknebelte an ein Bett, um ihre Flucht zu sichern. Die angezündete Kerze ließen die Räuber auf einer Bank stehen und die Tischlcrin mußte bei dem Lichte ihren Mann sich im Blute wälzen sehen, ohne ihm beistehen zu können. Das Entsetzen der armen Frau sollte aber noch gräßlicher gesteigert werden. Das Licht auf der Bau! schmolz herunter, der hölzerne Leuchter, vom geschmolzenen Talg Übergossen, fing Feuer. Die Flamme theilte sich Hobelscharten mit, die aus der Bank lagen, bald wurde diese vom Brand ergriffen, die Flamme leckte allmälig an den mit Spänen bedeckten Dielen und zuckte an den Betten hinauf, worin die Kinder schliefen. Die Tischlerin sah das Unheil um sich greifen, sie machte ohnmächtige Versuche zu schreien und die Bande zu zerreißen. Das Herz wollte ihr ber¬ sten in der pochenden Brust, die Augen traten aus deu Höhle», ihr Haar sträubte sich zu Berge, bis sich endlich erliegend unter den furchtbaren Lei¬ den ihre Seele umnebelte, und währeud ein fast erstickender Rauch ihr Haupt umwallte, schloß eine wohlthuende Ohnmacht ihr entsetztes Auge. Die Tischlerin sollte jedoch nicht in den Flammen das Ende ihrer Lei¬ den finden. Als einem der Kinder das Feuer nahe kam, wurde es von der Hitze und dem plötzlichen Glanz in der Stube geweckt. Es sprang erschrocken aus dem Bett und stürzte vom Instinkt getrieben aus dem offenen Fenster. Das Geschrei des Kindes wurde von dem heftigen Geheul aller Hunde im Dorfe begleitet. Die Nachbarn eilten an die Fenster, sie sahen den Schein der Flamme, die in ungarischen Städtchen, wo alle Häuser aus Holz und Stroh bestehen, besonders gefürchtet ist, und bald war die brennende Stube voll Menschen. Die vom Regen angeschwollenen Pfützen boten gute Löschmittcl. Sobald das Feuer gelöscht war, sah man sich nach den Bewohnern des Hänschens um. Der Tischler war bereits dem Grabe verfallen, sein Weib wurde zwar in's Leben zurückgerufen, doch kam sie nie wieder zu Verstand. Wenige Tage nach dem Ereignis; gebar sie einen Sohn, unsern Cyriak. Waren es nun die bösen Ahnungen der Tischlerin und das schreckliche Ereigniß während ihrer Schwangerschaft, oder die spätere Erzählung von dem Unglück seiner Eltern, was ans Corial's Gemüth einwirkte — Cyriak

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/385>, abgerufen am 01.09.2024.