Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und Gedanken über das Wohl der Nationen zu grübeln; so lange man
aber das erstere nicht kann, darf man das letztere nicht fordern. -- Dieser
bedeutenden Zahl käuflicher Individuen das Gegengewicht zu halten, denkt man
jetzt daran, den jungen Männern, die von ihrem 2V. bis vielleicht Jahre
in einem selbständigen Logis leben, ein Votum zu geben. Die Zahl derselben ist
bedeutend und umfaßt im wahren Sinne des Wortes den Kern der Nation.
Sei es Studirter, Kaufmann oder Künstler, er muß seine Lehrjahre durch¬
machen und für andere arbeiten, ehe es ihm möglich ist, den eigenen Heerd
zu bauen und sich an demselben als Hauseigenthümer niederzulassen. Ihm
eben so lange jedes Unrechtes an der Administration des Landes Theil zu
nehmen zu berauben, heißt sich an dem Individuum, wie an dem Volke
versündigen, und die Idee einer Aenderung dieses Gesetzes ist in den Köpfen
der Besseren durch das Erkennen seiner Mangelhaftigkeit entsprungen und
wird in der nächsten Sitzung zur Sprache kommen.

Ich muß aber noch einer Methode sich Stimmen zu verschaffen erwähnen,
die gewiß kein Bewohner des Continents als von einem Engländer ange¬
wandt möglich geglaubt hätte. Der Candidat besticht die Frauen seiner
Mitbürger durch Küsse, versichert ihnen wie leid es ihm thue, daß er schon
verheirathet sei, oder sie nicht früher gekannt hätte, und erzählt ihnen, daß
ihre kleinen schmutzigen Kinder allerliebste Engel seien, ans die jeder Vater
stolz sein müsse. Ob diese kleinen Künste nicht eines Mannes noch unwür¬
diger sind, als das Mittel des Geldes zu gebrauchen, mag jeder nach eige¬
nem Gefühl beurtheilen; wenn man aber für das Ganze einen andern Na¬
men erfinden kann, als einen solchen, der mit Corruptibilität gleichbedeutend
ist, so möge man ihn nennen und wir wollen Gebrauch davon machen.

Ein vortreffliches Gesetz ist jetzt von Sir George Grey in Vorschlag
gebracht worden. Die Schuldner sollen in Zukunft schlechte Kost in den
Gefängnissen bekommen, damit sie nicht, wie. bis jetzt, den Aufenthalt darin
eher angenehm, als unangenehm finden, und manchmal recht gerne darin
stecken, um sich nur vou deu überlästigen Besuchen ihrer Creditoren befreit
zu sehen. Wenn man es nnn nur auch noch dahin brächte einen Edelmann
am Sonntage einstecken zu können! Oder anch in seiner eigene" Wohnung?
Come d'Orsar/s Stubenarrest war wirklich eine zu arge Satyre auf dieses
Vorrecht, um dem lächerlichen Prärogativ länger Vorschub zu thun.

Miß Martineau ist jetzt in London und beschäftigt ihre Reise in den
Orient für deu Druck zu bereiten. Sie ist sehr wohl, ist ganz von ihrer
Krankheit geheilt und mehr als jemals für den Magnetismus eingenommen.
Sie ist nicht allein magnetisirt, sondern magnetisirt anch und hat schon viele


und Gedanken über das Wohl der Nationen zu grübeln; so lange man
aber das erstere nicht kann, darf man das letztere nicht fordern. — Dieser
bedeutenden Zahl käuflicher Individuen das Gegengewicht zu halten, denkt man
jetzt daran, den jungen Männern, die von ihrem 2V. bis vielleicht Jahre
in einem selbständigen Logis leben, ein Votum zu geben. Die Zahl derselben ist
bedeutend und umfaßt im wahren Sinne des Wortes den Kern der Nation.
Sei es Studirter, Kaufmann oder Künstler, er muß seine Lehrjahre durch¬
machen und für andere arbeiten, ehe es ihm möglich ist, den eigenen Heerd
zu bauen und sich an demselben als Hauseigenthümer niederzulassen. Ihm
eben so lange jedes Unrechtes an der Administration des Landes Theil zu
nehmen zu berauben, heißt sich an dem Individuum, wie an dem Volke
versündigen, und die Idee einer Aenderung dieses Gesetzes ist in den Köpfen
der Besseren durch das Erkennen seiner Mangelhaftigkeit entsprungen und
wird in der nächsten Sitzung zur Sprache kommen.

Ich muß aber noch einer Methode sich Stimmen zu verschaffen erwähnen,
die gewiß kein Bewohner des Continents als von einem Engländer ange¬
wandt möglich geglaubt hätte. Der Candidat besticht die Frauen seiner
Mitbürger durch Küsse, versichert ihnen wie leid es ihm thue, daß er schon
verheirathet sei, oder sie nicht früher gekannt hätte, und erzählt ihnen, daß
ihre kleinen schmutzigen Kinder allerliebste Engel seien, ans die jeder Vater
stolz sein müsse. Ob diese kleinen Künste nicht eines Mannes noch unwür¬
diger sind, als das Mittel des Geldes zu gebrauchen, mag jeder nach eige¬
nem Gefühl beurtheilen; wenn man aber für das Ganze einen andern Na¬
men erfinden kann, als einen solchen, der mit Corruptibilität gleichbedeutend
ist, so möge man ihn nennen und wir wollen Gebrauch davon machen.

Ein vortreffliches Gesetz ist jetzt von Sir George Grey in Vorschlag
gebracht worden. Die Schuldner sollen in Zukunft schlechte Kost in den
Gefängnissen bekommen, damit sie nicht, wie. bis jetzt, den Aufenthalt darin
eher angenehm, als unangenehm finden, und manchmal recht gerne darin
stecken, um sich nur vou deu überlästigen Besuchen ihrer Creditoren befreit
zu sehen. Wenn man es nnn nur auch noch dahin brächte einen Edelmann
am Sonntage einstecken zu können! Oder anch in seiner eigene» Wohnung?
Come d'Orsar/s Stubenarrest war wirklich eine zu arge Satyre auf dieses
Vorrecht, um dem lächerlichen Prärogativ länger Vorschub zu thun.

Miß Martineau ist jetzt in London und beschäftigt ihre Reise in den
Orient für deu Druck zu bereiten. Sie ist sehr wohl, ist ganz von ihrer
Krankheit geheilt und mehr als jemals für den Magnetismus eingenommen.
Sie ist nicht allein magnetisirt, sondern magnetisirt anch und hat schon viele


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0370" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184530"/>
          <p xml:id="ID_1283" prev="#ID_1282"> und Gedanken über das Wohl der Nationen zu grübeln; so lange man<lb/>
aber das erstere nicht kann, darf man das letztere nicht fordern. &#x2014; Dieser<lb/>
bedeutenden Zahl käuflicher Individuen das Gegengewicht zu halten, denkt man<lb/>
jetzt daran, den jungen Männern, die von ihrem 2V. bis vielleicht Jahre<lb/>
in einem selbständigen Logis leben, ein Votum zu geben. Die Zahl derselben ist<lb/>
bedeutend und umfaßt im wahren Sinne des Wortes den Kern der Nation.<lb/>
Sei es Studirter, Kaufmann oder Künstler, er muß seine Lehrjahre durch¬<lb/>
machen und für andere arbeiten, ehe es ihm möglich ist, den eigenen Heerd<lb/>
zu bauen und sich an demselben als Hauseigenthümer niederzulassen. Ihm<lb/>
eben so lange jedes Unrechtes an der Administration des Landes Theil zu<lb/>
nehmen zu berauben, heißt sich an dem Individuum, wie an dem Volke<lb/>
versündigen, und die Idee einer Aenderung dieses Gesetzes ist in den Köpfen<lb/>
der Besseren durch das Erkennen seiner Mangelhaftigkeit entsprungen und<lb/>
wird in der nächsten Sitzung zur Sprache kommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1284"> Ich muß aber noch einer Methode sich Stimmen zu verschaffen erwähnen,<lb/>
die gewiß kein Bewohner des Continents als von einem Engländer ange¬<lb/>
wandt möglich geglaubt hätte. Der Candidat besticht die Frauen seiner<lb/>
Mitbürger durch Küsse, versichert ihnen wie leid es ihm thue, daß er schon<lb/>
verheirathet sei, oder sie nicht früher gekannt hätte, und erzählt ihnen, daß<lb/>
ihre kleinen schmutzigen Kinder allerliebste Engel seien, ans die jeder Vater<lb/>
stolz sein müsse. Ob diese kleinen Künste nicht eines Mannes noch unwür¬<lb/>
diger sind, als das Mittel des Geldes zu gebrauchen, mag jeder nach eige¬<lb/>
nem Gefühl beurtheilen; wenn man aber für das Ganze einen andern Na¬<lb/>
men erfinden kann, als einen solchen, der mit Corruptibilität gleichbedeutend<lb/>
ist, so möge man ihn nennen und wir wollen Gebrauch davon machen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1285"> Ein vortreffliches Gesetz ist jetzt von Sir George Grey in Vorschlag<lb/>
gebracht worden. Die Schuldner sollen in Zukunft schlechte Kost in den<lb/>
Gefängnissen bekommen, damit sie nicht, wie. bis jetzt, den Aufenthalt darin<lb/>
eher angenehm, als unangenehm finden, und manchmal recht gerne darin<lb/>
stecken, um sich nur vou deu überlästigen Besuchen ihrer Creditoren befreit<lb/>
zu sehen. Wenn man es nnn nur auch noch dahin brächte einen Edelmann<lb/>
am Sonntage einstecken zu können! Oder anch in seiner eigene» Wohnung?<lb/>
Come d'Orsar/s Stubenarrest war wirklich eine zu arge Satyre auf dieses<lb/>
Vorrecht, um dem lächerlichen Prärogativ länger Vorschub zu thun.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1286" next="#ID_1287"> Miß Martineau ist jetzt in London und beschäftigt ihre Reise in den<lb/>
Orient für deu Druck zu bereiten. Sie ist sehr wohl, ist ganz von ihrer<lb/>
Krankheit geheilt und mehr als jemals für den Magnetismus eingenommen.<lb/>
Sie ist nicht allein magnetisirt, sondern magnetisirt anch und hat schon viele</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0370] und Gedanken über das Wohl der Nationen zu grübeln; so lange man aber das erstere nicht kann, darf man das letztere nicht fordern. — Dieser bedeutenden Zahl käuflicher Individuen das Gegengewicht zu halten, denkt man jetzt daran, den jungen Männern, die von ihrem 2V. bis vielleicht Jahre in einem selbständigen Logis leben, ein Votum zu geben. Die Zahl derselben ist bedeutend und umfaßt im wahren Sinne des Wortes den Kern der Nation. Sei es Studirter, Kaufmann oder Künstler, er muß seine Lehrjahre durch¬ machen und für andere arbeiten, ehe es ihm möglich ist, den eigenen Heerd zu bauen und sich an demselben als Hauseigenthümer niederzulassen. Ihm eben so lange jedes Unrechtes an der Administration des Landes Theil zu nehmen zu berauben, heißt sich an dem Individuum, wie an dem Volke versündigen, und die Idee einer Aenderung dieses Gesetzes ist in den Köpfen der Besseren durch das Erkennen seiner Mangelhaftigkeit entsprungen und wird in der nächsten Sitzung zur Sprache kommen. Ich muß aber noch einer Methode sich Stimmen zu verschaffen erwähnen, die gewiß kein Bewohner des Continents als von einem Engländer ange¬ wandt möglich geglaubt hätte. Der Candidat besticht die Frauen seiner Mitbürger durch Küsse, versichert ihnen wie leid es ihm thue, daß er schon verheirathet sei, oder sie nicht früher gekannt hätte, und erzählt ihnen, daß ihre kleinen schmutzigen Kinder allerliebste Engel seien, ans die jeder Vater stolz sein müsse. Ob diese kleinen Künste nicht eines Mannes noch unwür¬ diger sind, als das Mittel des Geldes zu gebrauchen, mag jeder nach eige¬ nem Gefühl beurtheilen; wenn man aber für das Ganze einen andern Na¬ men erfinden kann, als einen solchen, der mit Corruptibilität gleichbedeutend ist, so möge man ihn nennen und wir wollen Gebrauch davon machen. Ein vortreffliches Gesetz ist jetzt von Sir George Grey in Vorschlag gebracht worden. Die Schuldner sollen in Zukunft schlechte Kost in den Gefängnissen bekommen, damit sie nicht, wie. bis jetzt, den Aufenthalt darin eher angenehm, als unangenehm finden, und manchmal recht gerne darin stecken, um sich nur vou deu überlästigen Besuchen ihrer Creditoren befreit zu sehen. Wenn man es nnn nur auch noch dahin brächte einen Edelmann am Sonntage einstecken zu können! Oder anch in seiner eigene» Wohnung? Come d'Orsar/s Stubenarrest war wirklich eine zu arge Satyre auf dieses Vorrecht, um dem lächerlichen Prärogativ länger Vorschub zu thun. Miß Martineau ist jetzt in London und beschäftigt ihre Reise in den Orient für deu Druck zu bereiten. Sie ist sehr wohl, ist ganz von ihrer Krankheit geheilt und mehr als jemals für den Magnetismus eingenommen. Sie ist nicht allein magnetisirt, sondern magnetisirt anch und hat schon viele

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/370
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/370>, abgerufen am 28.07.2024.