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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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was man in England das System der Vertrage nennt. Wenn nämlich ein
dnrchgcfallener Candidat beweisen kann, daß sein Mitbewerber Mittel der
Bestechung angewendet hat, so richtet er an die Kammer eine Petition gegen
dessen Wahl. Ist die Bestechung erwiesen, so verliert das Wahlcollegium
sein Wahlrecht. Wenn also der gewählte Kandidat sich augenscheinlich be¬
droht sieht, so unterhandelt er mit seinem Widersacher, und gibt seine Ent¬
lassung unter der Bedingung, daß die Klage gegen ihn zurückgezogen wird,
und gleichzeitig verpflichtet er sich, der Wahl seines Mitbewerbers Nichts
entgegenzusetzen, der mithin Meister vom Platz bleibt.

Ein solches Beispiel kam 1842 in Nottingham vor. Die Candidaten
der Whigs waren Sir John Cam Hobhouse und Larpent, der Tories Walter
(Eigenthümer der Times) und Charlton. Die Wahl war eine der stürmisch-
em, und die Whig-Candidaten hatten schon As000 Pfd. Se. ausgegeben,
als die beiden Tory-Candidaten, die ihrerseits 500") Pfd. Se. ausgegeben
hatten, ^ Stunde nach dein Anfang der Abstimmung genügende Beweise für
die Bestechung von Seiten ihrer Gegner erhielten, ihnen den Platz überlie¬
ßen, und gegen ihre Wahl eine Petition an das Unterhaus einbrachten.
Die beiden Whigs sahen sich in der Falle, unterhandelten, und es wurde
ein Vertrag geschlossen, nach welchem Larpent seine Entlassung zu Gunsten
Walters gab. Um zu zeigen, mit welcher Regelmäßigkeit diese Verkäufe vor
sich gehen, wollen wir den von den Agenten beider Parteien unterzeichneten
Vertrag verlegen. Er ist datirt, London, 4. Mai 1842.

"Um die schwebenden Streitpunkte zu schlichten, ist man über Folgen¬
des übereingekommen: 1) Alle Petitionen werden zurückgezogen. 2) In vier
wird Tagen einer von den beiden Kammersitzen ausgegeben. 3) In sieben Tagen
wird die Summe von 1000 Pfd. Se. an die Herren . . gezahlt, zur Ent¬
schädigung für die Unkosten der Bittschrift. 4) Die Herren . . verpflichten
sich, der Wahl des Herrn Walter kein Hinderniß in den Weg zu legen.
5) Als Pfand legen die Herren Hobhouse und Larpent ein Billet von 4000
Pfd. Se. bei einem Banquier nieder; es wird durch Schiedsrichter ausge¬
macht, ob die Bedingungen des Vertrags richtig beobachtet sind; im ent¬
gegengesetzten Falle wird dieses Billet an Herrn Walter ausgehändigt."

Dieses seltsame Aktenstück bildete das Hanptbeweismittel gegen Larpent
und Walter vor der llntersuchungscommission. Nottingham, welches unge¬
fähr 5000 Wähler enthält, und darunter mehr als 1000 Freemen, gilt für
einen der verkäuflichsten Wahlflecken in England. Man kann aus einigen
Beispielen beurtheilen, inwieweit Nottingham diesen Ruf verdient; wir ent¬
nehmen dieselben dem Bericht der Commission.


was man in England das System der Vertrage nennt. Wenn nämlich ein
dnrchgcfallener Candidat beweisen kann, daß sein Mitbewerber Mittel der
Bestechung angewendet hat, so richtet er an die Kammer eine Petition gegen
dessen Wahl. Ist die Bestechung erwiesen, so verliert das Wahlcollegium
sein Wahlrecht. Wenn also der gewählte Kandidat sich augenscheinlich be¬
droht sieht, so unterhandelt er mit seinem Widersacher, und gibt seine Ent¬
lassung unter der Bedingung, daß die Klage gegen ihn zurückgezogen wird,
und gleichzeitig verpflichtet er sich, der Wahl seines Mitbewerbers Nichts
entgegenzusetzen, der mithin Meister vom Platz bleibt.

Ein solches Beispiel kam 1842 in Nottingham vor. Die Candidaten
der Whigs waren Sir John Cam Hobhouse und Larpent, der Tories Walter
(Eigenthümer der Times) und Charlton. Die Wahl war eine der stürmisch-
em, und die Whig-Candidaten hatten schon As000 Pfd. Se. ausgegeben,
als die beiden Tory-Candidaten, die ihrerseits 500«) Pfd. Se. ausgegeben
hatten, ^ Stunde nach dein Anfang der Abstimmung genügende Beweise für
die Bestechung von Seiten ihrer Gegner erhielten, ihnen den Platz überlie¬
ßen, und gegen ihre Wahl eine Petition an das Unterhaus einbrachten.
Die beiden Whigs sahen sich in der Falle, unterhandelten, und es wurde
ein Vertrag geschlossen, nach welchem Larpent seine Entlassung zu Gunsten
Walters gab. Um zu zeigen, mit welcher Regelmäßigkeit diese Verkäufe vor
sich gehen, wollen wir den von den Agenten beider Parteien unterzeichneten
Vertrag verlegen. Er ist datirt, London, 4. Mai 1842.

„Um die schwebenden Streitpunkte zu schlichten, ist man über Folgen¬
des übereingekommen: 1) Alle Petitionen werden zurückgezogen. 2) In vier
wird Tagen einer von den beiden Kammersitzen ausgegeben. 3) In sieben Tagen
wird die Summe von 1000 Pfd. Se. an die Herren . . gezahlt, zur Ent¬
schädigung für die Unkosten der Bittschrift. 4) Die Herren . . verpflichten
sich, der Wahl des Herrn Walter kein Hinderniß in den Weg zu legen.
5) Als Pfand legen die Herren Hobhouse und Larpent ein Billet von 4000
Pfd. Se. bei einem Banquier nieder; es wird durch Schiedsrichter ausge¬
macht, ob die Bedingungen des Vertrags richtig beobachtet sind; im ent¬
gegengesetzten Falle wird dieses Billet an Herrn Walter ausgehändigt."

Dieses seltsame Aktenstück bildete das Hanptbeweismittel gegen Larpent
und Walter vor der llntersuchungscommission. Nottingham, welches unge¬
fähr 5000 Wähler enthält, und darunter mehr als 1000 Freemen, gilt für
einen der verkäuflichsten Wahlflecken in England. Man kann aus einigen
Beispielen beurtheilen, inwieweit Nottingham diesen Ruf verdient; wir ent¬
nehmen dieselben dem Bericht der Commission.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/322>, abgerufen am 28.07.2024.