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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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diesem Terrain trat ihnen die Aristokratie entgegen, die sich zum entschiede¬
nen Vorkämpfer alles dessen machte, was sie die Volksrechte nannte. Die
Tones wurden die Beschützer der Freemen, sie vertheidigten sie im Namen ei¬
ner in England allmächtigen Idee, der Unverletzlichkeit des Rechts, der Ach¬
tung vor Eigenthum und Erblichkeit. "Wenn ihr einmal die Erblichkeit
antastet, sagte Sir Charles Wetherell, so wißt ihr nicht, wie weit euch das
führen kann. Es gibt zwei Arten, die erblichen Rechte aufzuheben, von
Oben uach Unten, oder von Unten nach Oben. Werst eure Augen ans ein
benachbartes Land (Frankreich), hier werdet ihr ein schlagendes Beispiel der
ersten Art sehen. Was ihr heute thun wollt, indem ihr die erblichen Rechte
der Frcemcu aufhebt, ist zwar der umgekehrte Weg, der aber zu demselben
Ziel führt. Ich möchte wohl wissen, wie die Minister, sobald sie einmal
den schrecklichen Grundsatz der Aufhebung erblicher Rechte bei den Freemen
angewendet haben, ihren liberalen Verbündeten versagen wollen, zur Auf¬
hebung anderer Erbrechte mitzuwirken, welche die Grundlage der Verfassung
bilden. Lord John Rüssel und Lord Althorp gehören zum Erbadel des
Königreichs; wenn sie nun den Korporationen ihre wohlerworbenen Rechte
genommen haben werden, was wollen sie denen erwidern, die sie zum Bürger
Rüssel, zum Bürger Althorp degradiren wollen?" Die radicale Partei, die
in der Unterdrückung dieser Privilegien nur eine Einschränkung des Stimm-
rechts sehen wollte, verband sich bei dieser Gelegenheit mit der Aristokratie,
und die Rechte der Freemen wurden aufrecht erhalten.

Es ist vorauszusehen, daß bei den diesjährigen Wahlen, wo die Libe¬
ralen einen so entschiedenen Sieg errungen haben, wo sogar zwei Juden im
Wahlkampf gesiegt haben, die Tory-Partei über Korruption schreien wird.
Wir wollen deshalb einen Blick auf die letzten Wahlen (1842) werfen, die
bekanntlich zu Gunsten der Tones ausfielen.

Vielleicht niemals hat sich die Bestechung in so vollen Strömen ergossen.
Der Scandal war so groß, daß selbst das Parlament sich genöthigt sah,
sehr wider seinen Willen, dagegen einzuschreiten. Auf den Antrag des radi-
calen Mitglieds Roebuck versetzte das Unterhaus sechs seiner Mitglieder in
Anklagestand, bei ihrer Wahl Bestechung angewandt zu haben.

Die Untersuchung hat die merkwürdigsten Thatsachen an's Licht gestellt.
Bei der Wahl von Harwich sind durch Ättwood und den Major Beresford
6300 Pfd. Se. (44100 Thlr.) ausgegeben, in einem Wahlcollegium, daS nur
aus 182 Wählern bestand. Mehr als die Hälfte davon wurde an 33 Per¬
sonen vertheilt.

Die Wahl von Nottingham bot ein merkwürdiges Beispiel von dem,


diesem Terrain trat ihnen die Aristokratie entgegen, die sich zum entschiede¬
nen Vorkämpfer alles dessen machte, was sie die Volksrechte nannte. Die
Tones wurden die Beschützer der Freemen, sie vertheidigten sie im Namen ei¬
ner in England allmächtigen Idee, der Unverletzlichkeit des Rechts, der Ach¬
tung vor Eigenthum und Erblichkeit. „Wenn ihr einmal die Erblichkeit
antastet, sagte Sir Charles Wetherell, so wißt ihr nicht, wie weit euch das
führen kann. Es gibt zwei Arten, die erblichen Rechte aufzuheben, von
Oben uach Unten, oder von Unten nach Oben. Werst eure Augen ans ein
benachbartes Land (Frankreich), hier werdet ihr ein schlagendes Beispiel der
ersten Art sehen. Was ihr heute thun wollt, indem ihr die erblichen Rechte
der Frcemcu aufhebt, ist zwar der umgekehrte Weg, der aber zu demselben
Ziel führt. Ich möchte wohl wissen, wie die Minister, sobald sie einmal
den schrecklichen Grundsatz der Aufhebung erblicher Rechte bei den Freemen
angewendet haben, ihren liberalen Verbündeten versagen wollen, zur Auf¬
hebung anderer Erbrechte mitzuwirken, welche die Grundlage der Verfassung
bilden. Lord John Rüssel und Lord Althorp gehören zum Erbadel des
Königreichs; wenn sie nun den Korporationen ihre wohlerworbenen Rechte
genommen haben werden, was wollen sie denen erwidern, die sie zum Bürger
Rüssel, zum Bürger Althorp degradiren wollen?" Die radicale Partei, die
in der Unterdrückung dieser Privilegien nur eine Einschränkung des Stimm-
rechts sehen wollte, verband sich bei dieser Gelegenheit mit der Aristokratie,
und die Rechte der Freemen wurden aufrecht erhalten.

Es ist vorauszusehen, daß bei den diesjährigen Wahlen, wo die Libe¬
ralen einen so entschiedenen Sieg errungen haben, wo sogar zwei Juden im
Wahlkampf gesiegt haben, die Tory-Partei über Korruption schreien wird.
Wir wollen deshalb einen Blick auf die letzten Wahlen (1842) werfen, die
bekanntlich zu Gunsten der Tones ausfielen.

Vielleicht niemals hat sich die Bestechung in so vollen Strömen ergossen.
Der Scandal war so groß, daß selbst das Parlament sich genöthigt sah,
sehr wider seinen Willen, dagegen einzuschreiten. Auf den Antrag des radi-
calen Mitglieds Roebuck versetzte das Unterhaus sechs seiner Mitglieder in
Anklagestand, bei ihrer Wahl Bestechung angewandt zu haben.

Die Untersuchung hat die merkwürdigsten Thatsachen an's Licht gestellt.
Bei der Wahl von Harwich sind durch Ättwood und den Major Beresford
6300 Pfd. Se. (44100 Thlr.) ausgegeben, in einem Wahlcollegium, daS nur
aus 182 Wählern bestand. Mehr als die Hälfte davon wurde an 33 Per¬
sonen vertheilt.

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[0321] diesem Terrain trat ihnen die Aristokratie entgegen, die sich zum entschiede¬ nen Vorkämpfer alles dessen machte, was sie die Volksrechte nannte. Die Tones wurden die Beschützer der Freemen, sie vertheidigten sie im Namen ei¬ ner in England allmächtigen Idee, der Unverletzlichkeit des Rechts, der Ach¬ tung vor Eigenthum und Erblichkeit. „Wenn ihr einmal die Erblichkeit antastet, sagte Sir Charles Wetherell, so wißt ihr nicht, wie weit euch das führen kann. Es gibt zwei Arten, die erblichen Rechte aufzuheben, von Oben uach Unten, oder von Unten nach Oben. Werst eure Augen ans ein benachbartes Land (Frankreich), hier werdet ihr ein schlagendes Beispiel der ersten Art sehen. Was ihr heute thun wollt, indem ihr die erblichen Rechte der Frcemcu aufhebt, ist zwar der umgekehrte Weg, der aber zu demselben Ziel führt. Ich möchte wohl wissen, wie die Minister, sobald sie einmal den schrecklichen Grundsatz der Aufhebung erblicher Rechte bei den Freemen angewendet haben, ihren liberalen Verbündeten versagen wollen, zur Auf¬ hebung anderer Erbrechte mitzuwirken, welche die Grundlage der Verfassung bilden. Lord John Rüssel und Lord Althorp gehören zum Erbadel des Königreichs; wenn sie nun den Korporationen ihre wohlerworbenen Rechte genommen haben werden, was wollen sie denen erwidern, die sie zum Bürger Rüssel, zum Bürger Althorp degradiren wollen?" Die radicale Partei, die in der Unterdrückung dieser Privilegien nur eine Einschränkung des Stimm- rechts sehen wollte, verband sich bei dieser Gelegenheit mit der Aristokratie, und die Rechte der Freemen wurden aufrecht erhalten. Es ist vorauszusehen, daß bei den diesjährigen Wahlen, wo die Libe¬ ralen einen so entschiedenen Sieg errungen haben, wo sogar zwei Juden im Wahlkampf gesiegt haben, die Tory-Partei über Korruption schreien wird. Wir wollen deshalb einen Blick auf die letzten Wahlen (1842) werfen, die bekanntlich zu Gunsten der Tones ausfielen. Vielleicht niemals hat sich die Bestechung in so vollen Strömen ergossen. Der Scandal war so groß, daß selbst das Parlament sich genöthigt sah, sehr wider seinen Willen, dagegen einzuschreiten. Auf den Antrag des radi- calen Mitglieds Roebuck versetzte das Unterhaus sechs seiner Mitglieder in Anklagestand, bei ihrer Wahl Bestechung angewandt zu haben. Die Untersuchung hat die merkwürdigsten Thatsachen an's Licht gestellt. Bei der Wahl von Harwich sind durch Ättwood und den Major Beresford 6300 Pfd. Se. (44100 Thlr.) ausgegeben, in einem Wahlcollegium, daS nur aus 182 Wählern bestand. Mehr als die Hälfte davon wurde an 33 Per¬ sonen vertheilt. Die Wahl von Nottingham bot ein merkwürdiges Beispiel von dem,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/321>, abgerufen am 28.07.2024.