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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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"Die Handwerksburschen und Postbeamten"
noch bis jetzt keine Entgegnung oder Berichtigung dieses outrirten Artikels zu-
gegangen sein sollte -- da mir bis jetzt die folgenden Nummern der Grenz-
boten nicht zugegangen sind -- dieser meiner Berichtigung gütigst Ihre Spal¬
ten zu offnen.


Riid,
Kömgl. Land-Polizeicommissair.

Herr König, Verfasser des gedachten Aufsatzes, scheint kein Handwerker zu
sein, da er sagt: ihn auf Veranlassung eines Handwerkers geschrieben zu haben,
er hat demnach wohl alle die den Handwerksburschen von Postbeamten wider-
sahrncn Unbilden nicht selbst erfahren, sondern nur vom Hörensagen. Hat der
Erzähler nur Wahrheit gesagt? Dies scheint Herr König vorweg damit zu be¬
stätigen, "daß den Postbeamten Preußens und Sachsens größere Artigkeit und
Höflichkeit eingeschärft werden müsse;" demnach müssen ihm Facta vorliegen, die
so allgemein und gravircnd sind, daß Herr König einer ganzen Klasse Beamter
zweier Länder alle gute Lebensart abspricht; warum nicht einzelne Beamte und
Facta genannt? Dies, beruhte es auf Wahrheit, wäre von Nutzen gewesen,
das eingeschlagene Verfahren des Herrn König nimmt aber vorweg gegen die
Wahrhaftigkeit der Sache ein. Das Motto von Döbel über dem gedachten Artikel
paßt nicht auf das Verfahren preußischer Polizeibeamten gegen Handwerksburschen.
Jn's kleinste und deshalb von der Polizei wohl überwachtest- Städtchen Preußens
zieht der Handwerksbursche unangefochten vom Polizeibeamten ein, ohne am Thore
oder noch weniger auf der Straße nach Wanderbuch .oder Reisegeld befragt zu
werden, noch weniger aber wird er wegen Geldmcmgels mit Stockschlägen aus
der Stadt getrieben (?). Ein polizeiliches Gesetz, wegen Geldmangels aus einer
Stadt ausgetrieben zu werden, eMirt in unserm Vaterlande nicht, und we¬
gen der Stockschläge -- usum tvnentis -- die kennt hier nur noch der deS
Nationalzeichens beraubte und in Strassectioncn überwachte Verbrecher, falls er
sich neuen Verbrechen hingibt, und anch dann nicht willkürlich, nur uach Urtel
und Recht. Einen Handwerksburschen Prügel anzubieten, was keinem Beamten
einfallen kann, würde ihm, selbst im Falle eines wirklichen Vergehens, als lächer¬
liche Drohung erscheinen, da ihm nur zu wohl bekannt ist, daß diese Androhung
nicht realisirt werden kann.

Der Anfang des erwähnten Aufsatzes sagt: "Die vorgeschrittene Civilisation
der neuern Zeit ist darauf bedacht gewesen, Mittel zu ersinnen, die Communica-
tion durch Chausseen und Eisenbahnen zu erleichtern, aber anch sie durch andere
Sachen, durch in Gestalt der Pässe und Wanderbücher aufgestellte Schranken zu
hemmen."

Die meisten Reifenden, excl. der Handwerksburschen, aus den Eisenbahnen
im Inlande, kümmern sich nicht mehr um einen Paß; der Handwerksbursche, mit
Wanderbuch versehen, ist nicht gehalten in jeder zu passirendcn Stadt visiren zu
lassen; er gibt in Berlin z. B. an, nach Stettin, Leipzig oder Dresden, also
obenein in's Ausland per Eisenbahn gehen zu wollen, so wird ihm bis zum an¬
gegebenen Orte visirt, und blos bemerkt "per Eisenbahn;" erklärt derselbe nach
einem der angegebenen Orte zu Fuße gehen zu wollen, ohne in dazwischenliegen-


„Die Handwerksburschen und Postbeamten"
noch bis jetzt keine Entgegnung oder Berichtigung dieses outrirten Artikels zu-
gegangen sein sollte — da mir bis jetzt die folgenden Nummern der Grenz-
boten nicht zugegangen sind — dieser meiner Berichtigung gütigst Ihre Spal¬
ten zu offnen.


Riid,
Kömgl. Land-Polizeicommissair.

Herr König, Verfasser des gedachten Aufsatzes, scheint kein Handwerker zu
sein, da er sagt: ihn auf Veranlassung eines Handwerkers geschrieben zu haben,
er hat demnach wohl alle die den Handwerksburschen von Postbeamten wider-
sahrncn Unbilden nicht selbst erfahren, sondern nur vom Hörensagen. Hat der
Erzähler nur Wahrheit gesagt? Dies scheint Herr König vorweg damit zu be¬
stätigen, „daß den Postbeamten Preußens und Sachsens größere Artigkeit und
Höflichkeit eingeschärft werden müsse;" demnach müssen ihm Facta vorliegen, die
so allgemein und gravircnd sind, daß Herr König einer ganzen Klasse Beamter
zweier Länder alle gute Lebensart abspricht; warum nicht einzelne Beamte und
Facta genannt? Dies, beruhte es auf Wahrheit, wäre von Nutzen gewesen,
das eingeschlagene Verfahren des Herrn König nimmt aber vorweg gegen die
Wahrhaftigkeit der Sache ein. Das Motto von Döbel über dem gedachten Artikel
paßt nicht auf das Verfahren preußischer Polizeibeamten gegen Handwerksburschen.
Jn's kleinste und deshalb von der Polizei wohl überwachtest- Städtchen Preußens
zieht der Handwerksbursche unangefochten vom Polizeibeamten ein, ohne am Thore
oder noch weniger auf der Straße nach Wanderbuch .oder Reisegeld befragt zu
werden, noch weniger aber wird er wegen Geldmcmgels mit Stockschlägen aus
der Stadt getrieben (?). Ein polizeiliches Gesetz, wegen Geldmangels aus einer
Stadt ausgetrieben zu werden, eMirt in unserm Vaterlande nicht, und we¬
gen der Stockschläge — usum tvnentis — die kennt hier nur noch der deS
Nationalzeichens beraubte und in Strassectioncn überwachte Verbrecher, falls er
sich neuen Verbrechen hingibt, und anch dann nicht willkürlich, nur uach Urtel
und Recht. Einen Handwerksburschen Prügel anzubieten, was keinem Beamten
einfallen kann, würde ihm, selbst im Falle eines wirklichen Vergehens, als lächer¬
liche Drohung erscheinen, da ihm nur zu wohl bekannt ist, daß diese Androhung
nicht realisirt werden kann.

Der Anfang des erwähnten Aufsatzes sagt: „Die vorgeschrittene Civilisation
der neuern Zeit ist darauf bedacht gewesen, Mittel zu ersinnen, die Communica-
tion durch Chausseen und Eisenbahnen zu erleichtern, aber anch sie durch andere
Sachen, durch in Gestalt der Pässe und Wanderbücher aufgestellte Schranken zu
hemmen."

Die meisten Reifenden, excl. der Handwerksburschen, aus den Eisenbahnen
im Inlande, kümmern sich nicht mehr um einen Paß; der Handwerksbursche, mit
Wanderbuch versehen, ist nicht gehalten in jeder zu passirendcn Stadt visiren zu
lassen; er gibt in Berlin z. B. an, nach Stettin, Leipzig oder Dresden, also
obenein in's Ausland per Eisenbahn gehen zu wollen, so wird ihm bis zum an¬
gegebenen Orte visirt, und blos bemerkt „per Eisenbahn;" erklärt derselbe nach
einem der angegebenen Orte zu Fuße gehen zu wollen, ohne in dazwischenliegen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/257>, abgerufen am 27.07.2024.