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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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frage, die am besten bei Einführung des neuen Katasters beigelegt worden
wäre, nicht wohl zugewiesen werden, weil sie in Jahren fortgezogen werden
würde und bei Regulirung der bäuerlichen Verhältnisse keine Zeit weiter zu
verlieren ist."

"Recht und Billigkeit sprechen für Erleichterungen im Conscriptions- und
Rekrutirnngsverfahren und im Heeresdienst. Nebst der geschehenen Dienst-
zcitherabsetzung von 14 auf 8 Jahre ist auch die Einführung der Aushebung
durch das Loos wünschenswert!), um den Bauer vor Beamtenwillkür sicher
zu stellen. Im Dienst find die entehrenden Prügel- und die grausamen
Rntheustrafeu zu beseitigen, denn sie find ein Hinderniß sittlicher Erhebung
des Bauernstandes."

"Damit dem Bauer in Zukunft der benöthigte volle Zeitgewinn zu
Theil werde, ist nebst Wegschaffung der Robot auch die der abgebrachten
Feiertage nothwendiges Erfordernis)."

"Als Ableitungscaual für die Anforderungen des Massenelends sollten
alle arbeitsfähigen Armen oder brodlosen Fabrikarbeiter bei größern Bauer-
gutsbcsitzcrn zur Verwendung in der Wirthschaft abgegeben werden. Mit
diesem Verfahren ist noch der Vortheil verbunden, daß dem Ackerbau die
von der Industrie entzogenen Kräfte theilweise wieder zurückfließen und über¬
dies Consumenten in Produzenten verwandelt werden. -- Für die Provinzen,
wo zu große Bevölkerungsdichtheit herrscht, wird das Vertheiluugs- und
Colonisirnngssystem im Innern des österreichischen Reichs anzunehmen, und,
was die Hauptsache ist, zur rechten Zeit anzuwenden sein." Namentlich
.wird in Gegenden, wo das nichtdentsche Element vorwiegt, eine solche deutsche
Kolonisation von unberechenbarem Vortheil sein.

Nächst dem Bauerstand wird der Bürgerstand und die gemeine
Arbeiterclasse in Erwägung gezogen. "Statt auf eine schrankenlose
Gewerbefreiheit hinzuarbeiten, wodurch in Oesterreich zuverlässig eine allge¬
meine Zerrüttung in den Gewerben eintreten würde, wäre es besser, das
Zunftwesen so zu ordnen, daß sich ihm der entwichene corporative Gemein-
sinn, von dem jetzt keine Spur zu treffen und der durch das Vordrängen
der Mittelclassen und den Glanz der Adelsherrschaft ganz vernichtete bürger¬
liche Standesstolz wieder beigesellte."

"Der Mittelstand, dem der ganze neugeschaffene und selbst der min¬
dere alte, von der hohen Aristokratie zurückgesetzte Adel beizuzählen ist, hat
sich bisher hauptsächlich als Geldmacht und vergleichungsweise sehr gering
als Geistesmacht thätig und emporstrebend erwiesen. In ersterer Beziehung
ist die Regierung einigermaßen in Abhängigkeit von ihm gerathen, in der


frage, die am besten bei Einführung des neuen Katasters beigelegt worden
wäre, nicht wohl zugewiesen werden, weil sie in Jahren fortgezogen werden
würde und bei Regulirung der bäuerlichen Verhältnisse keine Zeit weiter zu
verlieren ist."

„Recht und Billigkeit sprechen für Erleichterungen im Conscriptions- und
Rekrutirnngsverfahren und im Heeresdienst. Nebst der geschehenen Dienst-
zcitherabsetzung von 14 auf 8 Jahre ist auch die Einführung der Aushebung
durch das Loos wünschenswert!), um den Bauer vor Beamtenwillkür sicher
zu stellen. Im Dienst find die entehrenden Prügel- und die grausamen
Rntheustrafeu zu beseitigen, denn sie find ein Hinderniß sittlicher Erhebung
des Bauernstandes."

„Damit dem Bauer in Zukunft der benöthigte volle Zeitgewinn zu
Theil werde, ist nebst Wegschaffung der Robot auch die der abgebrachten
Feiertage nothwendiges Erfordernis)."

„Als Ableitungscaual für die Anforderungen des Massenelends sollten
alle arbeitsfähigen Armen oder brodlosen Fabrikarbeiter bei größern Bauer-
gutsbcsitzcrn zur Verwendung in der Wirthschaft abgegeben werden. Mit
diesem Verfahren ist noch der Vortheil verbunden, daß dem Ackerbau die
von der Industrie entzogenen Kräfte theilweise wieder zurückfließen und über¬
dies Consumenten in Produzenten verwandelt werden. — Für die Provinzen,
wo zu große Bevölkerungsdichtheit herrscht, wird das Vertheiluugs- und
Colonisirnngssystem im Innern des österreichischen Reichs anzunehmen, und,
was die Hauptsache ist, zur rechten Zeit anzuwenden sein." Namentlich
.wird in Gegenden, wo das nichtdentsche Element vorwiegt, eine solche deutsche
Kolonisation von unberechenbarem Vortheil sein.

Nächst dem Bauerstand wird der Bürgerstand und die gemeine
Arbeiterclasse in Erwägung gezogen. „Statt auf eine schrankenlose
Gewerbefreiheit hinzuarbeiten, wodurch in Oesterreich zuverlässig eine allge¬
meine Zerrüttung in den Gewerben eintreten würde, wäre es besser, das
Zunftwesen so zu ordnen, daß sich ihm der entwichene corporative Gemein-
sinn, von dem jetzt keine Spur zu treffen und der durch das Vordrängen
der Mittelclassen und den Glanz der Adelsherrschaft ganz vernichtete bürger¬
liche Standesstolz wieder beigesellte."

„Der Mittelstand, dem der ganze neugeschaffene und selbst der min¬
dere alte, von der hohen Aristokratie zurückgesetzte Adel beizuzählen ist, hat
sich bisher hauptsächlich als Geldmacht und vergleichungsweise sehr gering
als Geistesmacht thätig und emporstrebend erwiesen. In ersterer Beziehung
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/20>, abgerufen am 01.09.2024.