Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dachten damals Deutsche; es ist eine Schmach, >--und selbst die spätern
Ereignisse haben sie nicht ganz verwischt. --

"Ihr Massenbach hat mit seinen schönen Plänen der preußischen Monar¬
chie und Deutschland damals sicher mehr geschadet, als selbst die Rath- und
Thatlostgkeit der grauen Zopfhelden. Das Geschick, das über Preußen kam,
war wohlverdient und auch unausbleiblich, aber das soll uns nicht verhin¬
dern daran zu lernen. Und die erste Lehre ist die, uns.vor solchen Massen-
bach's zu hüten. Preußen hätte 1806 eine andere Rolle spielen können;
aber am allerwenigsten die, die Massenbach ihm zugedacht hatte. Nachdem
die Franzosen einmal in Deutschland eingedrungen waren, Provinzen von
Deutschland abgerissen hatten, war eine Allianz zwischen einem deutschen
Staate und Frankreich nicht mehr ohne Hochverrath an Deutschland möglich.
Ueberdies war die Politik Frankreichs zu klar angedeutet. Es war ein
eroberndes Land geworden, und Preußen würde dem Geschicke Spaniens
nicht entgangen sein, wenn es sich anch noch so enge an Frankreich ange¬
schlossen hätte. Sein größtes Unglück aber war, daß damals die Jugend in
Mehrzahl so dachte wie Massenbach, und gerade deswegen entfiel ihr das Schwert
beim ersten Fehlschlagen. Die Alten, die Zöpfe hatten Recht in ihrem Vater-
landsgefühle, in ihrer Abneigung gegen Frankreich; die Jungen hatten Recht in
ihrer Verachtung gegen das Zopfregiment. Aber Beide hatten Unrecht, Einer den
Andern dem Feinde in die Hände zu liefern. Ein Bündniß zwischen Deutschland
und Frankreich, zwischen Preußen und Frankreich würde gewiß die schönsten Früchte
tragen können und tragen, vorausgesetzt, daß Frankreich Preußen als eben¬
bürtig ansieht, und Preußen sich nicht wie Ihr Massenbach aus Todesangst
vor dem großen Napoleon in der großen Nation, hinter die Franzosen ver¬
kriechen wollte, um die Brosamen aufzusammeln, die diese bei ihrem Feste
an der Tafel Europa's unter den Tisch werfen. Damals wäre eine Allianz
zwischen Preußen und Frankreich eine Fopperei und zugleich ein Verrath an
Deutschland gewesen. Heute ist sie schon eher möglich -- und zwar einzig
und allein, weil es in ganz Preußen nachgerade keinen einzigen Lumpen
mehr gibt, der wie Sie, geehrter namenloser, glaubt, daß ein französisches
Heer nothwendig stets ein preußisches besiegen wird. Die Preußen sind
schon heute halbwegs reif zu einem Bündnisse mit Frankreich; vielleicht die
Franzosen noch nicht,'weil sie noch nicht ganz vergessen haben, daß einst
Deutsche und Preußen ihnen offen zu sagen wagten: lire armes
äoit ton^murs necvssiüremeiit battre un" armee nrusslerme."

Eine Allianz zwischen Deutschland und Frankreich würde goldene Früchte
tragen. Sie, mein Herr, und Ihres Gleichen sind Schuld, daß sie viel-


dachten damals Deutsche; es ist eine Schmach, >--und selbst die spätern
Ereignisse haben sie nicht ganz verwischt. —

„Ihr Massenbach hat mit seinen schönen Plänen der preußischen Monar¬
chie und Deutschland damals sicher mehr geschadet, als selbst die Rath- und
Thatlostgkeit der grauen Zopfhelden. Das Geschick, das über Preußen kam,
war wohlverdient und auch unausbleiblich, aber das soll uns nicht verhin¬
dern daran zu lernen. Und die erste Lehre ist die, uns.vor solchen Massen-
bach's zu hüten. Preußen hätte 1806 eine andere Rolle spielen können;
aber am allerwenigsten die, die Massenbach ihm zugedacht hatte. Nachdem
die Franzosen einmal in Deutschland eingedrungen waren, Provinzen von
Deutschland abgerissen hatten, war eine Allianz zwischen einem deutschen
Staate und Frankreich nicht mehr ohne Hochverrath an Deutschland möglich.
Ueberdies war die Politik Frankreichs zu klar angedeutet. Es war ein
eroberndes Land geworden, und Preußen würde dem Geschicke Spaniens
nicht entgangen sein, wenn es sich anch noch so enge an Frankreich ange¬
schlossen hätte. Sein größtes Unglück aber war, daß damals die Jugend in
Mehrzahl so dachte wie Massenbach, und gerade deswegen entfiel ihr das Schwert
beim ersten Fehlschlagen. Die Alten, die Zöpfe hatten Recht in ihrem Vater-
landsgefühle, in ihrer Abneigung gegen Frankreich; die Jungen hatten Recht in
ihrer Verachtung gegen das Zopfregiment. Aber Beide hatten Unrecht, Einer den
Andern dem Feinde in die Hände zu liefern. Ein Bündniß zwischen Deutschland
und Frankreich, zwischen Preußen und Frankreich würde gewiß die schönsten Früchte
tragen können und tragen, vorausgesetzt, daß Frankreich Preußen als eben¬
bürtig ansieht, und Preußen sich nicht wie Ihr Massenbach aus Todesangst
vor dem großen Napoleon in der großen Nation, hinter die Franzosen ver¬
kriechen wollte, um die Brosamen aufzusammeln, die diese bei ihrem Feste
an der Tafel Europa's unter den Tisch werfen. Damals wäre eine Allianz
zwischen Preußen und Frankreich eine Fopperei und zugleich ein Verrath an
Deutschland gewesen. Heute ist sie schon eher möglich — und zwar einzig
und allein, weil es in ganz Preußen nachgerade keinen einzigen Lumpen
mehr gibt, der wie Sie, geehrter namenloser, glaubt, daß ein französisches
Heer nothwendig stets ein preußisches besiegen wird. Die Preußen sind
schon heute halbwegs reif zu einem Bündnisse mit Frankreich; vielleicht die
Franzosen noch nicht,'weil sie noch nicht ganz vergessen haben, daß einst
Deutsche und Preußen ihnen offen zu sagen wagten: lire armes
äoit ton^murs necvssiüremeiit battre un« armee nrusslerme."

Eine Allianz zwischen Deutschland und Frankreich würde goldene Früchte
tragen. Sie, mein Herr, und Ihres Gleichen sind Schuld, daß sie viel-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0150" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184310"/>
              <p xml:id="ID_488" prev="#ID_487"> dachten damals Deutsche; es ist eine Schmach, &gt;--und selbst die spätern<lb/>
Ereignisse haben sie nicht ganz verwischt. &#x2014;</p><lb/>
              <p xml:id="ID_489"> &#x201E;Ihr Massenbach hat mit seinen schönen Plänen der preußischen Monar¬<lb/>
chie und Deutschland damals sicher mehr geschadet, als selbst die Rath- und<lb/>
Thatlostgkeit der grauen Zopfhelden. Das Geschick, das über Preußen kam,<lb/>
war wohlverdient und auch unausbleiblich, aber das soll uns nicht verhin¬<lb/>
dern daran zu lernen. Und die erste Lehre ist die, uns.vor solchen Massen-<lb/>
bach's zu hüten. Preußen hätte 1806 eine andere Rolle spielen können;<lb/>
aber am allerwenigsten die, die Massenbach ihm zugedacht hatte. Nachdem<lb/>
die Franzosen einmal in Deutschland eingedrungen waren, Provinzen von<lb/>
Deutschland abgerissen hatten, war eine Allianz zwischen einem deutschen<lb/>
Staate und Frankreich nicht mehr ohne Hochverrath an Deutschland möglich.<lb/>
Ueberdies war die Politik Frankreichs zu klar angedeutet. Es war ein<lb/>
eroberndes Land geworden, und Preußen würde dem Geschicke Spaniens<lb/>
nicht entgangen sein, wenn es sich anch noch so enge an Frankreich ange¬<lb/>
schlossen hätte. Sein größtes Unglück aber war, daß damals die Jugend in<lb/>
Mehrzahl so dachte wie Massenbach, und gerade deswegen entfiel ihr das Schwert<lb/>
beim ersten Fehlschlagen. Die Alten, die Zöpfe hatten Recht in ihrem Vater-<lb/>
landsgefühle, in ihrer Abneigung gegen Frankreich; die Jungen hatten Recht in<lb/>
ihrer Verachtung gegen das Zopfregiment. Aber Beide hatten Unrecht, Einer den<lb/>
Andern dem Feinde in die Hände zu liefern. Ein Bündniß zwischen Deutschland<lb/>
und Frankreich, zwischen Preußen und Frankreich würde gewiß die schönsten Früchte<lb/>
tragen können und tragen, vorausgesetzt, daß Frankreich Preußen als eben¬<lb/>
bürtig ansieht, und Preußen sich nicht wie Ihr Massenbach aus Todesangst<lb/>
vor dem großen Napoleon in der großen Nation, hinter die Franzosen ver¬<lb/>
kriechen wollte, um die Brosamen aufzusammeln, die diese bei ihrem Feste<lb/>
an der Tafel Europa's unter den Tisch werfen. Damals wäre eine Allianz<lb/>
zwischen Preußen und Frankreich eine Fopperei und zugleich ein Verrath an<lb/>
Deutschland gewesen. Heute ist sie schon eher möglich &#x2014; und zwar einzig<lb/>
und allein, weil es in ganz Preußen nachgerade keinen einzigen Lumpen<lb/>
mehr gibt, der wie Sie, geehrter namenloser, glaubt, daß ein französisches<lb/>
Heer nothwendig stets ein preußisches besiegen wird. Die Preußen sind<lb/>
schon heute halbwegs reif zu einem Bündnisse mit Frankreich; vielleicht die<lb/>
Franzosen noch nicht,'weil sie noch nicht ganz vergessen haben, daß einst<lb/>
Deutsche und Preußen ihnen offen zu sagen wagten: lire armes<lb/>
äoit ton^murs necvssiüremeiit battre un« armee nrusslerme."</p><lb/>
              <p xml:id="ID_490" next="#ID_491"> Eine Allianz zwischen Deutschland und Frankreich würde goldene Früchte<lb/>
tragen. Sie, mein Herr, und Ihres Gleichen sind Schuld, daß sie viel-</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0150] dachten damals Deutsche; es ist eine Schmach, >--und selbst die spätern Ereignisse haben sie nicht ganz verwischt. — „Ihr Massenbach hat mit seinen schönen Plänen der preußischen Monar¬ chie und Deutschland damals sicher mehr geschadet, als selbst die Rath- und Thatlostgkeit der grauen Zopfhelden. Das Geschick, das über Preußen kam, war wohlverdient und auch unausbleiblich, aber das soll uns nicht verhin¬ dern daran zu lernen. Und die erste Lehre ist die, uns.vor solchen Massen- bach's zu hüten. Preußen hätte 1806 eine andere Rolle spielen können; aber am allerwenigsten die, die Massenbach ihm zugedacht hatte. Nachdem die Franzosen einmal in Deutschland eingedrungen waren, Provinzen von Deutschland abgerissen hatten, war eine Allianz zwischen einem deutschen Staate und Frankreich nicht mehr ohne Hochverrath an Deutschland möglich. Ueberdies war die Politik Frankreichs zu klar angedeutet. Es war ein eroberndes Land geworden, und Preußen würde dem Geschicke Spaniens nicht entgangen sein, wenn es sich anch noch so enge an Frankreich ange¬ schlossen hätte. Sein größtes Unglück aber war, daß damals die Jugend in Mehrzahl so dachte wie Massenbach, und gerade deswegen entfiel ihr das Schwert beim ersten Fehlschlagen. Die Alten, die Zöpfe hatten Recht in ihrem Vater- landsgefühle, in ihrer Abneigung gegen Frankreich; die Jungen hatten Recht in ihrer Verachtung gegen das Zopfregiment. Aber Beide hatten Unrecht, Einer den Andern dem Feinde in die Hände zu liefern. Ein Bündniß zwischen Deutschland und Frankreich, zwischen Preußen und Frankreich würde gewiß die schönsten Früchte tragen können und tragen, vorausgesetzt, daß Frankreich Preußen als eben¬ bürtig ansieht, und Preußen sich nicht wie Ihr Massenbach aus Todesangst vor dem großen Napoleon in der großen Nation, hinter die Franzosen ver¬ kriechen wollte, um die Brosamen aufzusammeln, die diese bei ihrem Feste an der Tafel Europa's unter den Tisch werfen. Damals wäre eine Allianz zwischen Preußen und Frankreich eine Fopperei und zugleich ein Verrath an Deutschland gewesen. Heute ist sie schon eher möglich — und zwar einzig und allein, weil es in ganz Preußen nachgerade keinen einzigen Lumpen mehr gibt, der wie Sie, geehrter namenloser, glaubt, daß ein französisches Heer nothwendig stets ein preußisches besiegen wird. Die Preußen sind schon heute halbwegs reif zu einem Bündnisse mit Frankreich; vielleicht die Franzosen noch nicht,'weil sie noch nicht ganz vergessen haben, daß einst Deutsche und Preußen ihnen offen zu sagen wagten: lire armes äoit ton^murs necvssiüremeiit battre un« armee nrusslerme." Eine Allianz zwischen Deutschland und Frankreich würde goldene Früchte tragen. Sie, mein Herr, und Ihres Gleichen sind Schuld, daß sie viel-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/150
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/150>, abgerufen am 06.10.2024.