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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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und insbesondere der Herzog von Braunschweig, fühlten sich verletzt durch
die Keckheit, mit der er ihnen das bevorstehende Geschick Preußens vorher-
verkündigte. Die Ungnade, in die er beim Könige verfiel, war uur vor¬
übergehend; aber er verlor für immer die Gunst des Herzogs, der nicht
ahndete, daß diese Feindschaft eines Tages Preußen so theuer zu stehen
kommen werde." -- S. 155.

Dieser Tag kam sehr bald heran. Es kam zum Kriege zwischen Preu¬
ßen und Frankreich, und Massenbach blieb an der Spitze des Generalstabcs.
"Nachdem er das politische System (einer Allianz mit Frankreich gegen
England und Rußland), dem er bis jetzt gehuldigt hatte, abgeschworen,
war sein einziger Wunsch, daß der Krieg so rasch als möglich begonnen
werden solle. Ueberdies war er der Ansicht, daß man, ohne die Hülfe
Englands, Schwedens und Rußlands abzuwarten, Frankreich angreifen und
ganz Deutschland gegen dasselbe zum Aufstande bringen müsse. Eine An¬
sicht, die gerechtfertigt scheint, wenn man die Stimmung bedenkt, die damals
in ganz Süddeutschland gegen Napoleon herrschte."

"Er fühlte, von welcher Bedeutung eS sei, den besten Gebrauch von
der Zeit zu machen, die Preußen zum selbstständigen Handeln bliebe. Er
sagte den Commandirenden, uach dem Uebergange der Elbe, daß der Krieg
erklärt, und daß ohne kräftige und rasche Maßregeln Preußens Untergang
unausbleiblich sein werde. Dies System aber paßte nicht zu dem Charakter
des Herzogs von Braunschweig. Massenbach gab sich vergebens alle Mühe,
um eiuen Greis von 73 Jahren mit seinen Ansichten zu durchdringen. Man
war rath- und thatlos, und nachdem man zuerst das Terrain zwischen der
Elbe und Saale verlassen hatte, öffnete man zuletzt dem Feinde den Weg,
der vom Main zur Elbe führt." -- S. 162, 163.

"Es ist aber bekannt, wie Herr v. Massenbach den Degen abgab, so¬
bald er ihm abverlangt wurde, wie er einer der thätigsten bei der Ueber¬
gabe des hohenlohcschcn Corps in Prenzlau war" -- antwortete ich zwei¬
felnd und kopfschüttelnd meinem Führer.

Dieser fuhr heftig fort: "Im Laufe des vorigen Jahres' erdreistete sich
ein deutscher Prinz den Bruder Masscnbach's zu fragen: "ob der treue Rath-
geber des Fürsten Hohenlohe mit den Napoleon'Stör zufrieden sei, die er
erhalten habe, um das Heer zu verrathen." -- Fragen wir unserer Seits
einfach: "das Publikum ist also blind genug, um nicht zu begreifen, daß
selbst ohne Beihülfe des Goldes eine französische Armee stets
nothwendig eine preußische Armee schlagen wird!" -- S. 170.

"Herr, Sie selbst sind ein bezahlter Spion." -- >--Doch nein; so


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und insbesondere der Herzog von Braunschweig, fühlten sich verletzt durch
die Keckheit, mit der er ihnen das bevorstehende Geschick Preußens vorher-
verkündigte. Die Ungnade, in die er beim Könige verfiel, war uur vor¬
übergehend; aber er verlor für immer die Gunst des Herzogs, der nicht
ahndete, daß diese Feindschaft eines Tages Preußen so theuer zu stehen
kommen werde." — S. 155.

Dieser Tag kam sehr bald heran. Es kam zum Kriege zwischen Preu¬
ßen und Frankreich, und Massenbach blieb an der Spitze des Generalstabcs.
„Nachdem er das politische System (einer Allianz mit Frankreich gegen
England und Rußland), dem er bis jetzt gehuldigt hatte, abgeschworen,
war sein einziger Wunsch, daß der Krieg so rasch als möglich begonnen
werden solle. Ueberdies war er der Ansicht, daß man, ohne die Hülfe
Englands, Schwedens und Rußlands abzuwarten, Frankreich angreifen und
ganz Deutschland gegen dasselbe zum Aufstande bringen müsse. Eine An¬
sicht, die gerechtfertigt scheint, wenn man die Stimmung bedenkt, die damals
in ganz Süddeutschland gegen Napoleon herrschte."

„Er fühlte, von welcher Bedeutung eS sei, den besten Gebrauch von
der Zeit zu machen, die Preußen zum selbstständigen Handeln bliebe. Er
sagte den Commandirenden, uach dem Uebergange der Elbe, daß der Krieg
erklärt, und daß ohne kräftige und rasche Maßregeln Preußens Untergang
unausbleiblich sein werde. Dies System aber paßte nicht zu dem Charakter
des Herzogs von Braunschweig. Massenbach gab sich vergebens alle Mühe,
um eiuen Greis von 73 Jahren mit seinen Ansichten zu durchdringen. Man
war rath- und thatlos, und nachdem man zuerst das Terrain zwischen der
Elbe und Saale verlassen hatte, öffnete man zuletzt dem Feinde den Weg,
der vom Main zur Elbe führt." — S. 162, 163.

„Es ist aber bekannt, wie Herr v. Massenbach den Degen abgab, so¬
bald er ihm abverlangt wurde, wie er einer der thätigsten bei der Ueber¬
gabe des hohenlohcschcn Corps in Prenzlau war" — antwortete ich zwei¬
felnd und kopfschüttelnd meinem Führer.

Dieser fuhr heftig fort: „Im Laufe des vorigen Jahres' erdreistete sich
ein deutscher Prinz den Bruder Masscnbach's zu fragen: „ob der treue Rath-
geber des Fürsten Hohenlohe mit den Napoleon'Stör zufrieden sei, die er
erhalten habe, um das Heer zu verrathen." — Fragen wir unserer Seits
einfach: „das Publikum ist also blind genug, um nicht zu begreifen, daß
selbst ohne Beihülfe des Goldes eine französische Armee stets
nothwendig eine preußische Armee schlagen wird!" — S. 170.

„Herr, Sie selbst sind ein bezahlter Spion." — >--Doch nein; so


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[0149] und insbesondere der Herzog von Braunschweig, fühlten sich verletzt durch die Keckheit, mit der er ihnen das bevorstehende Geschick Preußens vorher- verkündigte. Die Ungnade, in die er beim Könige verfiel, war uur vor¬ übergehend; aber er verlor für immer die Gunst des Herzogs, der nicht ahndete, daß diese Feindschaft eines Tages Preußen so theuer zu stehen kommen werde." — S. 155. Dieser Tag kam sehr bald heran. Es kam zum Kriege zwischen Preu¬ ßen und Frankreich, und Massenbach blieb an der Spitze des Generalstabcs. „Nachdem er das politische System (einer Allianz mit Frankreich gegen England und Rußland), dem er bis jetzt gehuldigt hatte, abgeschworen, war sein einziger Wunsch, daß der Krieg so rasch als möglich begonnen werden solle. Ueberdies war er der Ansicht, daß man, ohne die Hülfe Englands, Schwedens und Rußlands abzuwarten, Frankreich angreifen und ganz Deutschland gegen dasselbe zum Aufstande bringen müsse. Eine An¬ sicht, die gerechtfertigt scheint, wenn man die Stimmung bedenkt, die damals in ganz Süddeutschland gegen Napoleon herrschte." „Er fühlte, von welcher Bedeutung eS sei, den besten Gebrauch von der Zeit zu machen, die Preußen zum selbstständigen Handeln bliebe. Er sagte den Commandirenden, uach dem Uebergange der Elbe, daß der Krieg erklärt, und daß ohne kräftige und rasche Maßregeln Preußens Untergang unausbleiblich sein werde. Dies System aber paßte nicht zu dem Charakter des Herzogs von Braunschweig. Massenbach gab sich vergebens alle Mühe, um eiuen Greis von 73 Jahren mit seinen Ansichten zu durchdringen. Man war rath- und thatlos, und nachdem man zuerst das Terrain zwischen der Elbe und Saale verlassen hatte, öffnete man zuletzt dem Feinde den Weg, der vom Main zur Elbe führt." — S. 162, 163. „Es ist aber bekannt, wie Herr v. Massenbach den Degen abgab, so¬ bald er ihm abverlangt wurde, wie er einer der thätigsten bei der Ueber¬ gabe des hohenlohcschcn Corps in Prenzlau war" — antwortete ich zwei¬ felnd und kopfschüttelnd meinem Führer. Dieser fuhr heftig fort: „Im Laufe des vorigen Jahres' erdreistete sich ein deutscher Prinz den Bruder Masscnbach's zu fragen: „ob der treue Rath- geber des Fürsten Hohenlohe mit den Napoleon'Stör zufrieden sei, die er erhalten habe, um das Heer zu verrathen." — Fragen wir unserer Seits einfach: „das Publikum ist also blind genug, um nicht zu begreifen, daß selbst ohne Beihülfe des Goldes eine französische Armee stets nothwendig eine preußische Armee schlagen wird!" — S. 170. „Herr, Sie selbst sind ein bezahlter Spion." — >--Doch nein; so 19*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/149>, abgerufen am 06.10.2024.