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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Ein Schuß fiel, der Hampel hatte die Stimme Karl's erkannt und geschossen:
als Antwort krachten sogleich die Büchsen der beiden Grenzjäger, und mit
einem Schmerzensruf stürzte eine Gestalt von der Höhe des Steges schwer
in die Tiefe. Die andern Pascher warfen ihre Hucken ab und huschten wie
Gespenster über's Wasser hinüber in das Ufergebüsch, wo sie nicht mehr
verfolgt werden konnten. Karl, der in die Brust geschossen war, aber
doch noch Fassung genng hatte, zu schweigen und abzufeuern, konnte sich
nicht länger auf deu Beinen erhalten und sank in's feuchte Gras -- Bau¬
mann gab Signal um Signal mit der Pfeife, aber erst nach einer sehr
langen Weile kam eine Patrouille mit Licht. Karl's Wunde war nicht be¬
deutend, die Kugel hatte nur einen Streifen Fleisch weggerissen, und er
konnte, geführt von zwei Kameraden, bis an das Zollhaus gehen, wo ihn
Pepi mit lauten Schreien empfing. Er wurde verbunden, fiel aber doch
in ein heftiges Wundfieber, das ihn mehrere Tage ein's Bett fesselte. Kaum
war er hergestellt, so berief ihn ein Commissair in die nächste Stadt. Hier
sollte er mit einem Schwerverwundeten Pascher eonfrontirt werden, der von
den Jägern unter dem Binderstege gefunden wurde und der sich beim Ver¬
hör ans Karl berufen hatte. Beim Eintritt erkannte er zu seinem Schrecken --
den Paschhampel, der mehrfach verbunden, am Stocke schlich. Karl's Zeug¬
niß stimmte zu der Angabe des Hampel, daß er nur seine Tochter habe
besuchen wollen, daß er aus dem böhmischen Riesengebirge her und nur zu¬
fällig in die Gesellschaft der Pascher gerathen sei, die er gar nicht kenne.
Auf Karl's dringende Verwendung wurde der Hampel in seine Heimath ent¬
lassen, wo er als Krüppel uoch ein Paar Jahre lebte, aber ohne sein Ge¬
werbe mehr treiben zu können. Uebrigens erlebte er doch noch die Freude,
seine Tochter an den Oberaufseher Böhm verheirathet zu wissen. Ueber seine
Verwundung schwieg er gegen Jedermann; es gingen im Gebirge die wun¬
derlichsten Gerüchte um, und erst nach seinem Tode erfuhr man Näheres
durch einen Jäger, der von der bairischen Grenze an die schlesische versetzt
wurde und an der Affaire Theil genommen hatte. Die Hauptm ist erst
vor Kurzem gestorben. --




Ein Schuß fiel, der Hampel hatte die Stimme Karl's erkannt und geschossen:
als Antwort krachten sogleich die Büchsen der beiden Grenzjäger, und mit
einem Schmerzensruf stürzte eine Gestalt von der Höhe des Steges schwer
in die Tiefe. Die andern Pascher warfen ihre Hucken ab und huschten wie
Gespenster über's Wasser hinüber in das Ufergebüsch, wo sie nicht mehr
verfolgt werden konnten. Karl, der in die Brust geschossen war, aber
doch noch Fassung genng hatte, zu schweigen und abzufeuern, konnte sich
nicht länger auf deu Beinen erhalten und sank in's feuchte Gras — Bau¬
mann gab Signal um Signal mit der Pfeife, aber erst nach einer sehr
langen Weile kam eine Patrouille mit Licht. Karl's Wunde war nicht be¬
deutend, die Kugel hatte nur einen Streifen Fleisch weggerissen, und er
konnte, geführt von zwei Kameraden, bis an das Zollhaus gehen, wo ihn
Pepi mit lauten Schreien empfing. Er wurde verbunden, fiel aber doch
in ein heftiges Wundfieber, das ihn mehrere Tage ein's Bett fesselte. Kaum
war er hergestellt, so berief ihn ein Commissair in die nächste Stadt. Hier
sollte er mit einem Schwerverwundeten Pascher eonfrontirt werden, der von
den Jägern unter dem Binderstege gefunden wurde und der sich beim Ver¬
hör ans Karl berufen hatte. Beim Eintritt erkannte er zu seinem Schrecken —
den Paschhampel, der mehrfach verbunden, am Stocke schlich. Karl's Zeug¬
niß stimmte zu der Angabe des Hampel, daß er nur seine Tochter habe
besuchen wollen, daß er aus dem böhmischen Riesengebirge her und nur zu¬
fällig in die Gesellschaft der Pascher gerathen sei, die er gar nicht kenne.
Auf Karl's dringende Verwendung wurde der Hampel in seine Heimath ent¬
lassen, wo er als Krüppel uoch ein Paar Jahre lebte, aber ohne sein Ge¬
werbe mehr treiben zu können. Uebrigens erlebte er doch noch die Freude,
seine Tochter an den Oberaufseher Böhm verheirathet zu wissen. Ueber seine
Verwundung schwieg er gegen Jedermann; es gingen im Gebirge die wun¬
derlichsten Gerüchte um, und erst nach seinem Tode erfuhr man Näheres
durch einen Jäger, der von der bairischen Grenze an die schlesische versetzt
wurde und an der Affaire Theil genommen hatte. Die Hauptm ist erst
vor Kurzem gestorben. —




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[0122] Ein Schuß fiel, der Hampel hatte die Stimme Karl's erkannt und geschossen: als Antwort krachten sogleich die Büchsen der beiden Grenzjäger, und mit einem Schmerzensruf stürzte eine Gestalt von der Höhe des Steges schwer in die Tiefe. Die andern Pascher warfen ihre Hucken ab und huschten wie Gespenster über's Wasser hinüber in das Ufergebüsch, wo sie nicht mehr verfolgt werden konnten. Karl, der in die Brust geschossen war, aber doch noch Fassung genng hatte, zu schweigen und abzufeuern, konnte sich nicht länger auf deu Beinen erhalten und sank in's feuchte Gras — Bau¬ mann gab Signal um Signal mit der Pfeife, aber erst nach einer sehr langen Weile kam eine Patrouille mit Licht. Karl's Wunde war nicht be¬ deutend, die Kugel hatte nur einen Streifen Fleisch weggerissen, und er konnte, geführt von zwei Kameraden, bis an das Zollhaus gehen, wo ihn Pepi mit lauten Schreien empfing. Er wurde verbunden, fiel aber doch in ein heftiges Wundfieber, das ihn mehrere Tage ein's Bett fesselte. Kaum war er hergestellt, so berief ihn ein Commissair in die nächste Stadt. Hier sollte er mit einem Schwerverwundeten Pascher eonfrontirt werden, der von den Jägern unter dem Binderstege gefunden wurde und der sich beim Ver¬ hör ans Karl berufen hatte. Beim Eintritt erkannte er zu seinem Schrecken — den Paschhampel, der mehrfach verbunden, am Stocke schlich. Karl's Zeug¬ niß stimmte zu der Angabe des Hampel, daß er nur seine Tochter habe besuchen wollen, daß er aus dem böhmischen Riesengebirge her und nur zu¬ fällig in die Gesellschaft der Pascher gerathen sei, die er gar nicht kenne. Auf Karl's dringende Verwendung wurde der Hampel in seine Heimath ent¬ lassen, wo er als Krüppel uoch ein Paar Jahre lebte, aber ohne sein Ge¬ werbe mehr treiben zu können. Uebrigens erlebte er doch noch die Freude, seine Tochter an den Oberaufseher Böhm verheirathet zu wissen. Ueber seine Verwundung schwieg er gegen Jedermann; es gingen im Gebirge die wun¬ derlichsten Gerüchte um, und erst nach seinem Tode erfuhr man Näheres durch einen Jäger, der von der bairischen Grenze an die schlesische versetzt wurde und an der Affaire Theil genommen hatte. Die Hauptm ist erst vor Kurzem gestorben. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/122>, abgerufen am 07.01.2025.