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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Der Einnehmer trat lind dein Führer des Grenzwachcommaudo'S der
Station vor die Thüre heraus.

"Sie werden heute wieder ein Mal Grenzwachdienste thun müssen,
Böhm!" sagte er, "der Herr Führer hat so eben erfahren, daß heute eine
Rotte Pascher hereinbrechen will, und weil zwei Mann in die Stadt sind,
um die Löhnung abzufassen, so müssen Sie mitgehen." -- "Ich habe nur
neun Mann in Allem", fiel der Führer ein, "ich und Sie find eilf, so wird
es gehn. Wir theilen nus in drei Patrouillen -- die stärkste, wo ich dabei
bin, hält vorne an, und der Oberjäger Wrabcz wird sich in Hinterhalt le¬
gen. Die Rotte will über's Höllenlvch einbrechen -- wenn sie aber um¬
kehre", so haben sie uoch einen Ausweg über den Steig zur Bindermühle.
Da werden sie aber nicht zurückgehen, indeß können Sie und der Baumann
dorthin auf den Posten gehn!" -- "Nehmen Sie mich nnr zu Ihrer Pa¬
trouille, Herr Führer! ich möchte auch ein Mal wieder dabei sein! -- "Nein,
bleiben Sie nnr am Bindcrsteg -- nicht wahr Pepi? sehn Sie uur, was
sie gleich für Angst bekömmt, na, sein Sie nur ruhig, der Böhm wird nicht
todtgeschossen werden! Der Baumann wird Sie abholen, Böhm!"

Er gab dem Einnehmer die Hand, nickte Karl zu und schritt würdevoll
seiner Caserne, die mitten im Dorfe lag, zu.

"Ich weiß nicht", fing Pepi mit einem weinerlichen Gesichte an, "warum
Du mitgehst, es ist ja nicht Dein Dienst!" -- "Das geht nicht anders, Pepi,
so was muß mau thun, das hilft einem weiter. Nun denk' ich doch bald
Oberaufseher zu werden und dann können wir heirathen, Pepi! Es ist ein
verfluchtes Leben bei -- er blickte sich um, ob Niemand in der Thüre sei
-- bei der Sau, bei der Einnehmen"! Aber jetzt will ich mein Zeug her-
nehmen, es ist Alles rostig geworden!" Er ging hinein und holte Gewehr
und Säbel heraus. Das erstere war vom Roste ganz roth überzogen, er
hatte eine gute Stunde zu thun, um es in Stand zu setzen. Pepi lamen-
tirte dabei unausgesetzt über die Gefahr, in die er sich begeben wollte, ohne
zu müssen. Er schüttete endlich etwas Pulver in den Lauf und auf die
Pfanne und brannte das Zündloch aus. Es blitzte und gab nnr einen
schwachen Knall, aber Pepi schrie doch auf, sie war sichtbar von innerlicher
Unruhe gequält und geängstigt. Mittlerweile war es dunkel geworden, und
der Grenzjäger Baumann erschien in voller Armatur. Pepi küßte Karl
mehrmal mit fieberhafter Heftigkeit, steckte ihm Brot und Käse in die Tasche
und weinte bitterlich, als sie die beiden gerüsteten Männer durch die Hin-
terthür hinaustreten und im Tannendunkel verschwinden sah. Die halbe


Grcnziwten. III. 1S47. 15

Der Einnehmer trat lind dein Führer des Grenzwachcommaudo'S der
Station vor die Thüre heraus.

„Sie werden heute wieder ein Mal Grenzwachdienste thun müssen,
Böhm!" sagte er, „der Herr Führer hat so eben erfahren, daß heute eine
Rotte Pascher hereinbrechen will, und weil zwei Mann in die Stadt sind,
um die Löhnung abzufassen, so müssen Sie mitgehen." — „Ich habe nur
neun Mann in Allem", fiel der Führer ein, „ich und Sie find eilf, so wird
es gehn. Wir theilen nus in drei Patrouillen — die stärkste, wo ich dabei
bin, hält vorne an, und der Oberjäger Wrabcz wird sich in Hinterhalt le¬
gen. Die Rotte will über's Höllenlvch einbrechen — wenn sie aber um¬
kehre», so haben sie uoch einen Ausweg über den Steig zur Bindermühle.
Da werden sie aber nicht zurückgehen, indeß können Sie und der Baumann
dorthin auf den Posten gehn!" — „Nehmen Sie mich nnr zu Ihrer Pa¬
trouille, Herr Führer! ich möchte auch ein Mal wieder dabei sein! — „Nein,
bleiben Sie nnr am Bindcrsteg — nicht wahr Pepi? sehn Sie uur, was
sie gleich für Angst bekömmt, na, sein Sie nur ruhig, der Böhm wird nicht
todtgeschossen werden! Der Baumann wird Sie abholen, Böhm!"

Er gab dem Einnehmer die Hand, nickte Karl zu und schritt würdevoll
seiner Caserne, die mitten im Dorfe lag, zu.

„Ich weiß nicht", fing Pepi mit einem weinerlichen Gesichte an, „warum
Du mitgehst, es ist ja nicht Dein Dienst!" — „Das geht nicht anders, Pepi,
so was muß mau thun, das hilft einem weiter. Nun denk' ich doch bald
Oberaufseher zu werden und dann können wir heirathen, Pepi! Es ist ein
verfluchtes Leben bei — er blickte sich um, ob Niemand in der Thüre sei
— bei der Sau, bei der Einnehmen»! Aber jetzt will ich mein Zeug her-
nehmen, es ist Alles rostig geworden!" Er ging hinein und holte Gewehr
und Säbel heraus. Das erstere war vom Roste ganz roth überzogen, er
hatte eine gute Stunde zu thun, um es in Stand zu setzen. Pepi lamen-
tirte dabei unausgesetzt über die Gefahr, in die er sich begeben wollte, ohne
zu müssen. Er schüttete endlich etwas Pulver in den Lauf und auf die
Pfanne und brannte das Zündloch aus. Es blitzte und gab nnr einen
schwachen Knall, aber Pepi schrie doch auf, sie war sichtbar von innerlicher
Unruhe gequält und geängstigt. Mittlerweile war es dunkel geworden, und
der Grenzjäger Baumann erschien in voller Armatur. Pepi küßte Karl
mehrmal mit fieberhafter Heftigkeit, steckte ihm Brot und Käse in die Tasche
und weinte bitterlich, als sie die beiden gerüsteten Männer durch die Hin-
terthür hinaustreten und im Tannendunkel verschwinden sah. Die halbe


Grcnziwten. III. 1S47. 15
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[0119] Der Einnehmer trat lind dein Führer des Grenzwachcommaudo'S der Station vor die Thüre heraus. „Sie werden heute wieder ein Mal Grenzwachdienste thun müssen, Böhm!" sagte er, „der Herr Führer hat so eben erfahren, daß heute eine Rotte Pascher hereinbrechen will, und weil zwei Mann in die Stadt sind, um die Löhnung abzufassen, so müssen Sie mitgehen." — „Ich habe nur neun Mann in Allem", fiel der Führer ein, „ich und Sie find eilf, so wird es gehn. Wir theilen nus in drei Patrouillen — die stärkste, wo ich dabei bin, hält vorne an, und der Oberjäger Wrabcz wird sich in Hinterhalt le¬ gen. Die Rotte will über's Höllenlvch einbrechen — wenn sie aber um¬ kehre», so haben sie uoch einen Ausweg über den Steig zur Bindermühle. Da werden sie aber nicht zurückgehen, indeß können Sie und der Baumann dorthin auf den Posten gehn!" — „Nehmen Sie mich nnr zu Ihrer Pa¬ trouille, Herr Führer! ich möchte auch ein Mal wieder dabei sein! — „Nein, bleiben Sie nnr am Bindcrsteg — nicht wahr Pepi? sehn Sie uur, was sie gleich für Angst bekömmt, na, sein Sie nur ruhig, der Böhm wird nicht todtgeschossen werden! Der Baumann wird Sie abholen, Böhm!" Er gab dem Einnehmer die Hand, nickte Karl zu und schritt würdevoll seiner Caserne, die mitten im Dorfe lag, zu. „Ich weiß nicht", fing Pepi mit einem weinerlichen Gesichte an, „warum Du mitgehst, es ist ja nicht Dein Dienst!" — „Das geht nicht anders, Pepi, so was muß mau thun, das hilft einem weiter. Nun denk' ich doch bald Oberaufseher zu werden und dann können wir heirathen, Pepi! Es ist ein verfluchtes Leben bei — er blickte sich um, ob Niemand in der Thüre sei — bei der Sau, bei der Einnehmen»! Aber jetzt will ich mein Zeug her- nehmen, es ist Alles rostig geworden!" Er ging hinein und holte Gewehr und Säbel heraus. Das erstere war vom Roste ganz roth überzogen, er hatte eine gute Stunde zu thun, um es in Stand zu setzen. Pepi lamen- tirte dabei unausgesetzt über die Gefahr, in die er sich begeben wollte, ohne zu müssen. Er schüttete endlich etwas Pulver in den Lauf und auf die Pfanne und brannte das Zündloch aus. Es blitzte und gab nnr einen schwachen Knall, aber Pepi schrie doch auf, sie war sichtbar von innerlicher Unruhe gequält und geängstigt. Mittlerweile war es dunkel geworden, und der Grenzjäger Baumann erschien in voller Armatur. Pepi küßte Karl mehrmal mit fieberhafter Heftigkeit, steckte ihm Brot und Käse in die Tasche und weinte bitterlich, als sie die beiden gerüsteten Männer durch die Hin- terthür hinaustreten und im Tannendunkel verschwinden sah. Die halbe Grcnziwten. III. 1S47. 15

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/119>, abgerufen am 28.07.2024.