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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Schritten eilte er dem Nehhorn zu, dem schönen runden Berge, der das
rechte Aupathal begrenzt, und obwohl er nicht lief, souderu nur ebenmäßig
schnell ging, gelang es den beiden Jägern, die seine Verfolgung über eine
Stunde weit fortsetzten, doch nicht, ihn auch nur zu Gesicht zu bekommen.
Er war durch diese Flucht weit ab von seinem Bestimmungsorte und eben
auch von seiner Heimat!) gekommen, die Anstrengung mit seiner Hucke auf
dem Rücken eine so weite Strecke zu laufen hatte ihn ganz erschöpft. Der
Paschhampel kannte Alles und war gekannt im ganzen Gebirge -- er brauchte
daher um eine Unterkunft uicht verlegen zu sein. Er war auch, seit er die
Verfolger los geworden, langsamer gegangen, und stieg nun vorsichtig sich
im Schatten haltend den Waldweg hinab. Hier lagen zwischen Eberesch-
und Kirschbäumen, rings von aufschießenden waldigen Bergen umgeben, ein
Paar Bauernhäuser. Die Mitternacht war schon vorbei -- er hätte gerne
seine Hucke untergebracht, denn in's thaufeuchte Gebüsch mochte er sie nicht
verstecken, damit die Zeuge darin keinen Schaden litten. Vorsichtig nahte
er sich einem Hause und barg die Hucke unter deu dürren Neisbündeln,
welche unter dem Schoppendache aufgeschichtet waren. Ein Hund bellte im
nächsten Hause, der Paschhampel, nachdem er sorgfältig gefühlt, ob das
Reisig auch überall zudecke, ging nun an's Fenster. Der Mond schien in
die Stube hinein bis auf das zwiespältige Ehebett der Hausleute unweit
des großen Kochofens. Wie der Hampel an die Glasscheiben klopfte, bellten
noch zwei andere Hunde -- der Bauer fragte zwar "wer is?", aber der
Paschhampel, den die Hunde scheu gemacht hatten, war schon weg vom Fen¬
ster und lief nun, seiner Bürde erleichtert, in den Wald.

"Verbannter Kerl", keuchte eine Stimme. -- "Die verfluchte" Hunde!"
antwortete eine zweite, "ich schieße morgen die Bestien todt!"

Dieses Gespräch ward im vollen Laufe geführt, denn die beiden Grenz¬
jäger, welche eben zu den Häusern herabstiegen, hatten den im hellen Mond¬
schein stehenden Paschhampel kaum erblickt, als sie Jagd auf ihn machten.
Es war eine andere Patrouille, die von Marschendorf aus streifte, und der
Paschhampel, obwohl seiner Bürde ledig, hatte es mit ein Paar geübteren
Häschern zu thun, die ihn unausgesetzt verfolgten. Er hatte zwar gute
zwanzig Schritte Vorsprung, aber er hatte versäumt, sich in den hohen Wald
zu werfen und aus dem Gestrüpp, mit dem die Berglehne bewachsen war,
ragte er, wenn er auch zuweilen sich bückte, doch um den ganzen Kopf her¬
aus. Endlich erreichte er die Höhe und lief oben einige Schritte ganz sicht¬
bar über den Kamm, dann duckte er sich und warf sich im Dickicht auf den
Boden weder. Die Grenzjäger langten keuchend zwei Minute" später an,


Schritten eilte er dem Nehhorn zu, dem schönen runden Berge, der das
rechte Aupathal begrenzt, und obwohl er nicht lief, souderu nur ebenmäßig
schnell ging, gelang es den beiden Jägern, die seine Verfolgung über eine
Stunde weit fortsetzten, doch nicht, ihn auch nur zu Gesicht zu bekommen.
Er war durch diese Flucht weit ab von seinem Bestimmungsorte und eben
auch von seiner Heimat!) gekommen, die Anstrengung mit seiner Hucke auf
dem Rücken eine so weite Strecke zu laufen hatte ihn ganz erschöpft. Der
Paschhampel kannte Alles und war gekannt im ganzen Gebirge — er brauchte
daher um eine Unterkunft uicht verlegen zu sein. Er war auch, seit er die
Verfolger los geworden, langsamer gegangen, und stieg nun vorsichtig sich
im Schatten haltend den Waldweg hinab. Hier lagen zwischen Eberesch-
und Kirschbäumen, rings von aufschießenden waldigen Bergen umgeben, ein
Paar Bauernhäuser. Die Mitternacht war schon vorbei — er hätte gerne
seine Hucke untergebracht, denn in's thaufeuchte Gebüsch mochte er sie nicht
verstecken, damit die Zeuge darin keinen Schaden litten. Vorsichtig nahte
er sich einem Hause und barg die Hucke unter deu dürren Neisbündeln,
welche unter dem Schoppendache aufgeschichtet waren. Ein Hund bellte im
nächsten Hause, der Paschhampel, nachdem er sorgfältig gefühlt, ob das
Reisig auch überall zudecke, ging nun an's Fenster. Der Mond schien in
die Stube hinein bis auf das zwiespältige Ehebett der Hausleute unweit
des großen Kochofens. Wie der Hampel an die Glasscheiben klopfte, bellten
noch zwei andere Hunde — der Bauer fragte zwar „wer is?", aber der
Paschhampel, den die Hunde scheu gemacht hatten, war schon weg vom Fen¬
ster und lief nun, seiner Bürde erleichtert, in den Wald.

„Verbannter Kerl", keuchte eine Stimme. — „Die verfluchte» Hunde!"
antwortete eine zweite, „ich schieße morgen die Bestien todt!"

Dieses Gespräch ward im vollen Laufe geführt, denn die beiden Grenz¬
jäger, welche eben zu den Häusern herabstiegen, hatten den im hellen Mond¬
schein stehenden Paschhampel kaum erblickt, als sie Jagd auf ihn machten.
Es war eine andere Patrouille, die von Marschendorf aus streifte, und der
Paschhampel, obwohl seiner Bürde ledig, hatte es mit ein Paar geübteren
Häschern zu thun, die ihn unausgesetzt verfolgten. Er hatte zwar gute
zwanzig Schritte Vorsprung, aber er hatte versäumt, sich in den hohen Wald
zu werfen und aus dem Gestrüpp, mit dem die Berglehne bewachsen war,
ragte er, wenn er auch zuweilen sich bückte, doch um den ganzen Kopf her¬
aus. Endlich erreichte er die Höhe und lief oben einige Schritte ganz sicht¬
bar über den Kamm, dann duckte er sich und warf sich im Dickicht auf den
Boden weder. Die Grenzjäger langten keuchend zwei Minute» später an,


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[0112] Schritten eilte er dem Nehhorn zu, dem schönen runden Berge, der das rechte Aupathal begrenzt, und obwohl er nicht lief, souderu nur ebenmäßig schnell ging, gelang es den beiden Jägern, die seine Verfolgung über eine Stunde weit fortsetzten, doch nicht, ihn auch nur zu Gesicht zu bekommen. Er war durch diese Flucht weit ab von seinem Bestimmungsorte und eben auch von seiner Heimat!) gekommen, die Anstrengung mit seiner Hucke auf dem Rücken eine so weite Strecke zu laufen hatte ihn ganz erschöpft. Der Paschhampel kannte Alles und war gekannt im ganzen Gebirge — er brauchte daher um eine Unterkunft uicht verlegen zu sein. Er war auch, seit er die Verfolger los geworden, langsamer gegangen, und stieg nun vorsichtig sich im Schatten haltend den Waldweg hinab. Hier lagen zwischen Eberesch- und Kirschbäumen, rings von aufschießenden waldigen Bergen umgeben, ein Paar Bauernhäuser. Die Mitternacht war schon vorbei — er hätte gerne seine Hucke untergebracht, denn in's thaufeuchte Gebüsch mochte er sie nicht verstecken, damit die Zeuge darin keinen Schaden litten. Vorsichtig nahte er sich einem Hause und barg die Hucke unter deu dürren Neisbündeln, welche unter dem Schoppendache aufgeschichtet waren. Ein Hund bellte im nächsten Hause, der Paschhampel, nachdem er sorgfältig gefühlt, ob das Reisig auch überall zudecke, ging nun an's Fenster. Der Mond schien in die Stube hinein bis auf das zwiespältige Ehebett der Hausleute unweit des großen Kochofens. Wie der Hampel an die Glasscheiben klopfte, bellten noch zwei andere Hunde — der Bauer fragte zwar „wer is?", aber der Paschhampel, den die Hunde scheu gemacht hatten, war schon weg vom Fen¬ ster und lief nun, seiner Bürde erleichtert, in den Wald. „Verbannter Kerl", keuchte eine Stimme. — „Die verfluchte» Hunde!" antwortete eine zweite, „ich schieße morgen die Bestien todt!" Dieses Gespräch ward im vollen Laufe geführt, denn die beiden Grenz¬ jäger, welche eben zu den Häusern herabstiegen, hatten den im hellen Mond¬ schein stehenden Paschhampel kaum erblickt, als sie Jagd auf ihn machten. Es war eine andere Patrouille, die von Marschendorf aus streifte, und der Paschhampel, obwohl seiner Bürde ledig, hatte es mit ein Paar geübteren Häschern zu thun, die ihn unausgesetzt verfolgten. Er hatte zwar gute zwanzig Schritte Vorsprung, aber er hatte versäumt, sich in den hohen Wald zu werfen und aus dem Gestrüpp, mit dem die Berglehne bewachsen war, ragte er, wenn er auch zuweilen sich bückte, doch um den ganzen Kopf her¬ aus. Endlich erreichte er die Höhe und lief oben einige Schritte ganz sicht¬ bar über den Kamm, dann duckte er sich und warf sich im Dickicht auf den Boden weder. Die Grenzjäger langten keuchend zwei Minute» später an,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/112>, abgerufen am 28.07.2024.