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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Wortes müde und satt und gibt sich Mühe sich zu überzeugen, ob das Alles
nicht furchtbar übertrieben ist. Dies schöne Paris eine Pestbeule Frankreichs,
dies schöne Frankreich ein Land der Verwesung, dieses Volk dein Niemand die
Ritterlichkeit, den Muth, die Licbcswürdigkeit absprechen kann, ein Volk von Eor-
rupteurs und Eorrompus? Mit aller Kraft sträubt sich das Herz gegen solche
Verdächtigungen, lind doch ! das Vorhandensein der Korruption ist unleugbar.
Würde sich noch eine Regierungspartei mit ihrem verhaßten Systeme allem fran¬
zösischen Nationalgefühl zu Trotz min sieben Jahre schon erhalten haben, wenn
sie nicht ihre Zuflucht zur Bestechung der Wähler nähme? Diese Bestechung ist
vorhanden, alle Welt spricht von ihr, alle Welt nennt sie das KrebSübel. das
am Frankreich von heutzutage nagt. Wer mag sich über die ministerielle Majo¬
rität in der Kammer wundern? Darüber nur kann man sich verwundern, daß
man unter den Gliedern der Opposition noch unabhängige Männer und unbe-
stochene Meinungen findet.

Eine Regierungspartie, die den Wünschen und Sympathien der Masse der
Nation zuwider ist, braucht eine servUe Kammer, und um diese zu bekommen,
muß sie nothwendig um jeden Preis die Majorität in den Wahlen zu halten
suchen. Das ist das Mittel, dessen die jetzige Partei sich bedient, um am Leben
zu bleiben, es ist zugleich der Weg, auf dem das Gift der Korruption von einem
kleinen Punkt aus sich bis in die größte Masse des Volks stiehlt.

Die Anzahl der Wähler ist noch nicht Zweimalhunderttaufeud. Das Mini¬
sterium braucht sich also nur der Stimmen von Hunderttausend versichert zu ha¬
ben, um in jedem Falle der Majorität gewiß zu sein. Der Mittel aber, sich diese
Stimmen zu sichern, hat die Regierungspartei genug.

Je beschränkter das Stimmrecht ist, desto leichter ist die Bestechung. Man
braucht weniger Geld und weniger Stellen, um cinmalhuudcrttauscnd Stimmen
zu kaufen als eine Million Stimmen.

Von dem Budget von 1,472,000,000 Franken, das die Contribuables in
diesem Jahre zahlen, kommen 315,000,000 Franke" zur Besoldung von 376,500
Stellen, die von der Regierung verliehen werden. Man berechnet, daß das Mi¬
nisterium alljährlich 18,825 vacante Stellen zu vergeben hat. Vier Jahre als
mittlere Dauer eines Ministeriums angenommen, hat folglich das Ministerium von
seinem Antritt an 75,000 Stellen, die es den Wählern , ihren Brüdern und
Freunden schenken, oder richtiger gesagt, verkaufen kann. Ein Fünftel des Staats-
budjets ist aus die Beamtenbesoldungen zu rechnen, ein anderes Fünftel geht für
Pensionen, Unterstützungen weg.

Jeder Minister hat mehrere Millionen in der Hand, die er nach Gutdün¬
ken verwendet und mit denen er das Gewissen Derjenigen gewinnen kann, die
durch Stelle" nicht zu locken, sind. Mit solchen Kräften kann man- viel wirken,
und es wird viel gewirkt. Das Ministerium hat Lockspeisen der verschiedensten
Art für die verschiedenen Neigungen. Den Leuten, die Stellen ambitionir-en,
verspricht oder verleiht es Stellen, denen, die schon Stellen besitzen, verspricht
oder gibt es Avancements. Die Ehrsüchtigen gewinnt man mit Bänder", und
.Kreuzen, die Geistliche", die sich als Eomtiers im Seelenhandel sür's Ministe-


Wortes müde und satt und gibt sich Mühe sich zu überzeugen, ob das Alles
nicht furchtbar übertrieben ist. Dies schöne Paris eine Pestbeule Frankreichs,
dies schöne Frankreich ein Land der Verwesung, dieses Volk dein Niemand die
Ritterlichkeit, den Muth, die Licbcswürdigkeit absprechen kann, ein Volk von Eor-
rupteurs und Eorrompus? Mit aller Kraft sträubt sich das Herz gegen solche
Verdächtigungen, lind doch ! das Vorhandensein der Korruption ist unleugbar.
Würde sich noch eine Regierungspartei mit ihrem verhaßten Systeme allem fran¬
zösischen Nationalgefühl zu Trotz min sieben Jahre schon erhalten haben, wenn
sie nicht ihre Zuflucht zur Bestechung der Wähler nähme? Diese Bestechung ist
vorhanden, alle Welt spricht von ihr, alle Welt nennt sie das KrebSübel. das
am Frankreich von heutzutage nagt. Wer mag sich über die ministerielle Majo¬
rität in der Kammer wundern? Darüber nur kann man sich verwundern, daß
man unter den Gliedern der Opposition noch unabhängige Männer und unbe-
stochene Meinungen findet.

Eine Regierungspartie, die den Wünschen und Sympathien der Masse der
Nation zuwider ist, braucht eine servUe Kammer, und um diese zu bekommen,
muß sie nothwendig um jeden Preis die Majorität in den Wahlen zu halten
suchen. Das ist das Mittel, dessen die jetzige Partei sich bedient, um am Leben
zu bleiben, es ist zugleich der Weg, auf dem das Gift der Korruption von einem
kleinen Punkt aus sich bis in die größte Masse des Volks stiehlt.

Die Anzahl der Wähler ist noch nicht Zweimalhunderttaufeud. Das Mini¬
sterium braucht sich also nur der Stimmen von Hunderttausend versichert zu ha¬
ben, um in jedem Falle der Majorität gewiß zu sein. Der Mittel aber, sich diese
Stimmen zu sichern, hat die Regierungspartei genug.

Je beschränkter das Stimmrecht ist, desto leichter ist die Bestechung. Man
braucht weniger Geld und weniger Stellen, um cinmalhuudcrttauscnd Stimmen
zu kaufen als eine Million Stimmen.

Von dem Budget von 1,472,000,000 Franken, das die Contribuables in
diesem Jahre zahlen, kommen 315,000,000 Franke» zur Besoldung von 376,500
Stellen, die von der Regierung verliehen werden. Man berechnet, daß das Mi¬
nisterium alljährlich 18,825 vacante Stellen zu vergeben hat. Vier Jahre als
mittlere Dauer eines Ministeriums angenommen, hat folglich das Ministerium von
seinem Antritt an 75,000 Stellen, die es den Wählern , ihren Brüdern und
Freunden schenken, oder richtiger gesagt, verkaufen kann. Ein Fünftel des Staats-
budjets ist aus die Beamtenbesoldungen zu rechnen, ein anderes Fünftel geht für
Pensionen, Unterstützungen weg.

Jeder Minister hat mehrere Millionen in der Hand, die er nach Gutdün¬
ken verwendet und mit denen er das Gewissen Derjenigen gewinnen kann, die
durch Stelle» nicht zu locken, sind. Mit solchen Kräften kann man- viel wirken,
und es wird viel gewirkt. Das Ministerium hat Lockspeisen der verschiedensten
Art für die verschiedenen Neigungen. Den Leuten, die Stellen ambitionir-en,
verspricht oder verleiht es Stellen, denen, die schon Stellen besitzen, verspricht
oder gibt es Avancements. Die Ehrsüchtigen gewinnt man mit Bänder», und
.Kreuzen, die Geistliche», die sich als Eomtiers im Seelenhandel sür's Ministe-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/550>, abgerufen am 01.10.2024.