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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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ausgestrecktem Arme! Vielleicht bricht die Decke gar bald, der Purpur verbleicht
mit dem nächsten Tage und der Nest ist Grauen und Entsetzen.

So spricht Thomas Couturc, der große Maler, in diesem Bilde, das das
Jahrhundert überleben wird. Unwillkürlich aber fragen wir: Ist es wirklich die
veL"am<!v ä"" Komain", die er schildern wollte, oder ist es nicht vielmehr I"
ope-ulenov et"" ?r!"n,-!"i"? Der alte I-t vru/pret dachte an Paris, wenn er den
Untergang der stolzen Palmyris prophezeihte und seine Weissagungen erfüllten
sich nur zu furchtbar; nun erhält Paris eine ähnliche Prophezei!)ung in Farben
und die "Römer des Verfalls" sind nur ein Vorwand, den Franzosen eine ernste
Mahnung aufzurollen. Nein, keine Römer sind die Zecher dieses Bildes, es sind
die Kinder des neuen Frankreichs, die sich wie diese in Orgien verzehren. Die
Waffen der Väter sind zu schwer sür sie geworden, die großen Heldengestalten,
der Revolution, die Brutusse, Eincinnatussc, Coriolaue des l8den Jahrhunderts
sprechen vergebens zu ihnen. Noch dünken sie sich die Herren der Welt, das erste
Volk Europa's, die ersten Kinder der Civilisation, und ahnen nicht, daß sie der
kommende Morgen müde und überwunden finden wird.


Ja, Thomas Cvuture, Tacitus in Farben, Du mahlest gut.
Ä....V.
III.
Aus Wien.

Erkrankung zweier Staatsmänner. -- Publicistenschicksalc. -- Baron Andriany ^ und
Heinrich Simon. -- Brandunglück. -- Der muthmaßliche Polizeidirector in Prag. --
. Castelli und sein Pegasus.

Seit mehrern Tagen erregt die Erkrankung des Bundestagsgesandter Gra¬
fen Münch-Bellinghausen und des Präsidenten der Hofkanzlei, Freiherrn von Pil-
lcrsdorf, die Theilnahme der höhern Kreise, welche sich bei dem Letzter" auch auf
die mittlern Klassen erstreckt, da der Freiherr durch sein liebenswürdiges Beneh¬
men, durch sein auf den Fortschritt gerichtetes Streben viele Sympathien im Pu-
blicum hat; man fürchtet den Ausbruch eines typhösem Fiebers, möge ein freund-
liches Geschick ein böses Ende abwenden.

Der Verfasser von "Oesterreich und seine Zukunft", Baron Audriany, hat
seine Entlassung aus dem Staatsdienste, die er im vorigen Jahre selbst nachge¬
sucht, erhalten. Der Schritt dieses Publicisten verdient um so mehr Anerkennung,
je seltener ein solches Beispiel von Unabhängigkeit des Charakters bei uns ist.
Gern aber wollen wir der Regierung Beifall zollen, daß sie von den ehemals so
beliebten Verfolgungen absieht, und keinen unzeitigen Proceß dem Autor anhän-
gig macht*). Die Schrift "Oesterreich und seine Zukunft" hat mut-dei" mut-in-
^ii> einige Aehnlichkeit mit der Schrift von Heinrich Simon über die preußische
Konstitution; hier, wie dort, findet die Kritik, welche an die Negierung gelegt



Die Zeitungen melden auch, daß ein Kriminalprozeß gegen Moritz Hartmaim
wegen Majesiätsbeleidigung niedergeschlagen wurde, so daß der talentvolle Dichter bei
einer Heimkehr in sein Waterland keine Unannehmlichkeiten mehr zu befürchten hat.

ausgestrecktem Arme! Vielleicht bricht die Decke gar bald, der Purpur verbleicht
mit dem nächsten Tage und der Nest ist Grauen und Entsetzen.

So spricht Thomas Couturc, der große Maler, in diesem Bilde, das das
Jahrhundert überleben wird. Unwillkürlich aber fragen wir: Ist es wirklich die
veL»am<!v ä«« Komain», die er schildern wollte, oder ist es nicht vielmehr I»
ope-ulenov et«» ?r!»n,-!»i«? Der alte I-t vru/pret dachte an Paris, wenn er den
Untergang der stolzen Palmyris prophezeihte und seine Weissagungen erfüllten
sich nur zu furchtbar; nun erhält Paris eine ähnliche Prophezei!)ung in Farben
und die „Römer des Verfalls" sind nur ein Vorwand, den Franzosen eine ernste
Mahnung aufzurollen. Nein, keine Römer sind die Zecher dieses Bildes, es sind
die Kinder des neuen Frankreichs, die sich wie diese in Orgien verzehren. Die
Waffen der Väter sind zu schwer sür sie geworden, die großen Heldengestalten,
der Revolution, die Brutusse, Eincinnatussc, Coriolaue des l8den Jahrhunderts
sprechen vergebens zu ihnen. Noch dünken sie sich die Herren der Welt, das erste
Volk Europa's, die ersten Kinder der Civilisation, und ahnen nicht, daß sie der
kommende Morgen müde und überwunden finden wird.


Ja, Thomas Cvuture, Tacitus in Farben, Du mahlest gut.
Ä....V.
III.
Aus Wien.

Erkrankung zweier Staatsmänner. — Publicistenschicksalc. — Baron Andriany ^ und
Heinrich Simon. — Brandunglück. — Der muthmaßliche Polizeidirector in Prag. —
. Castelli und sein Pegasus.

Seit mehrern Tagen erregt die Erkrankung des Bundestagsgesandter Gra¬
fen Münch-Bellinghausen und des Präsidenten der Hofkanzlei, Freiherrn von Pil-
lcrsdorf, die Theilnahme der höhern Kreise, welche sich bei dem Letzter» auch auf
die mittlern Klassen erstreckt, da der Freiherr durch sein liebenswürdiges Beneh¬
men, durch sein auf den Fortschritt gerichtetes Streben viele Sympathien im Pu-
blicum hat; man fürchtet den Ausbruch eines typhösem Fiebers, möge ein freund-
liches Geschick ein böses Ende abwenden.

Der Verfasser von „Oesterreich und seine Zukunft", Baron Audriany, hat
seine Entlassung aus dem Staatsdienste, die er im vorigen Jahre selbst nachge¬
sucht, erhalten. Der Schritt dieses Publicisten verdient um so mehr Anerkennung,
je seltener ein solches Beispiel von Unabhängigkeit des Charakters bei uns ist.
Gern aber wollen wir der Regierung Beifall zollen, daß sie von den ehemals so
beliebten Verfolgungen absieht, und keinen unzeitigen Proceß dem Autor anhän-
gig macht*). Die Schrift „Oesterreich und seine Zukunft" hat mut-dei« mut-in-
^ii> einige Aehnlichkeit mit der Schrift von Heinrich Simon über die preußische
Konstitution; hier, wie dort, findet die Kritik, welche an die Negierung gelegt



Die Zeitungen melden auch, daß ein Kriminalprozeß gegen Moritz Hartmaim
wegen Majesiätsbeleidigung niedergeschlagen wurde, so daß der talentvolle Dichter bei
einer Heimkehr in sein Waterland keine Unannehmlichkeiten mehr zu befürchten hat.
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[0044] ausgestrecktem Arme! Vielleicht bricht die Decke gar bald, der Purpur verbleicht mit dem nächsten Tage und der Nest ist Grauen und Entsetzen. So spricht Thomas Couturc, der große Maler, in diesem Bilde, das das Jahrhundert überleben wird. Unwillkürlich aber fragen wir: Ist es wirklich die veL»am<!v ä«« Komain», die er schildern wollte, oder ist es nicht vielmehr I» ope-ulenov et«» ?r!»n,-!»i«? Der alte I-t vru/pret dachte an Paris, wenn er den Untergang der stolzen Palmyris prophezeihte und seine Weissagungen erfüllten sich nur zu furchtbar; nun erhält Paris eine ähnliche Prophezei!)ung in Farben und die „Römer des Verfalls" sind nur ein Vorwand, den Franzosen eine ernste Mahnung aufzurollen. Nein, keine Römer sind die Zecher dieses Bildes, es sind die Kinder des neuen Frankreichs, die sich wie diese in Orgien verzehren. Die Waffen der Väter sind zu schwer sür sie geworden, die großen Heldengestalten, der Revolution, die Brutusse, Eincinnatussc, Coriolaue des l8den Jahrhunderts sprechen vergebens zu ihnen. Noch dünken sie sich die Herren der Welt, das erste Volk Europa's, die ersten Kinder der Civilisation, und ahnen nicht, daß sie der kommende Morgen müde und überwunden finden wird. Ja, Thomas Cvuture, Tacitus in Farben, Du mahlest gut. Ä....V. III. Aus Wien. Erkrankung zweier Staatsmänner. — Publicistenschicksalc. — Baron Andriany ^ und Heinrich Simon. — Brandunglück. — Der muthmaßliche Polizeidirector in Prag. — . Castelli und sein Pegasus. Seit mehrern Tagen erregt die Erkrankung des Bundestagsgesandter Gra¬ fen Münch-Bellinghausen und des Präsidenten der Hofkanzlei, Freiherrn von Pil- lcrsdorf, die Theilnahme der höhern Kreise, welche sich bei dem Letzter» auch auf die mittlern Klassen erstreckt, da der Freiherr durch sein liebenswürdiges Beneh¬ men, durch sein auf den Fortschritt gerichtetes Streben viele Sympathien im Pu- blicum hat; man fürchtet den Ausbruch eines typhösem Fiebers, möge ein freund- liches Geschick ein böses Ende abwenden. Der Verfasser von „Oesterreich und seine Zukunft", Baron Audriany, hat seine Entlassung aus dem Staatsdienste, die er im vorigen Jahre selbst nachge¬ sucht, erhalten. Der Schritt dieses Publicisten verdient um so mehr Anerkennung, je seltener ein solches Beispiel von Unabhängigkeit des Charakters bei uns ist. Gern aber wollen wir der Regierung Beifall zollen, daß sie von den ehemals so beliebten Verfolgungen absieht, und keinen unzeitigen Proceß dem Autor anhän- gig macht*). Die Schrift „Oesterreich und seine Zukunft" hat mut-dei« mut-in- ^ii> einige Aehnlichkeit mit der Schrift von Heinrich Simon über die preußische Konstitution; hier, wie dort, findet die Kritik, welche an die Negierung gelegt Die Zeitungen melden auch, daß ein Kriminalprozeß gegen Moritz Hartmaim wegen Majesiätsbeleidigung niedergeschlagen wurde, so daß der talentvolle Dichter bei einer Heimkehr in sein Waterland keine Unannehmlichkeiten mehr zu befürchten hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/44>, abgerufen am 03.07.2024.