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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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darf sich keinen Schritt von seinem Hause entfernen. Das Leben in diesen
beiden Orten, das ohnehin höchst unangenehm ist, wird durch den Maugel
an Wasser, die häufigen Feuersbrünste, die zudringliche, klatschsüchtige levan-
tinische Bevölkerung für deu Deutschen, der an Ordnung und an ein ge¬
regeltes Leben gewöhnt ist, im höchsten Grade lästig, und hat auch uns
veranlaßt, um allen diesen Uebeln ans dem Wege zu gehen, in Babeck
einen sichern und gesunden Aufenthalt zu suchen. Hier leben wir nun, wenn
anch allen Belustigungen der Welt fern, ans einem am Bosporus herrlich
gelegenen Landsitze, in gesunder und frischer Lust, zwei Stunden von Stam-
bul und eben so weit vom schwarzen Meere ein einfaches und zufriedenes
Leben. Das Personal auf unserer Besitzung besteht aus 18 Personen, die
alle Deutsche sind. Wir haben einen schönen Garten, große Weinberge, die
sich bis zum Gipfel eiues bedeutenden Berges erheben, vier- und zweibei¬
niges Gethier aller Art, Kühe, Kälber, Schweine, Esel, Hühner, Gänse,
Tauben u. s. w.; das gibt viel Unterhaltung und angenehme Beschäftigung.
Unser Hauswesen ist, so viel es die Verhältnisse erlauben, deutsch geblieben,
und nichts darau auszusetzen, als daß zu viel Zwiebeln gebraucht werden.
Gute deutsche Sitten und Gebräuche halten wir in allen Ehren, weil sie
das Andenken an die Heimath wach erhalten und in den Kindern deutschen
Sinn und deutsche Gutmüthigkeit wecken, eine Tendenz, die wir bei ihrer
Erziehung als Hauptzweck im Auge behalten. Wir gleichen darin nicht den
vielen andern Deutschen, die eine Freude daran haben und stolz darauf sind,
wenn ihre Kinder Griechisch und Türkisch plappern und sich in der Mutter¬
sprache kaum noch ausdrücken können. Wir feiern hier alle Feste, die in
der Heimath stattfinden, und hatten am Weihnachtabend einen Christbaum
und am Ostertage bunte Eier in blühenden Veilchenbeeten versteckt, und
diese lieben Gewohnheiten beizubehalten, thut dem ächten deutschen Herzen
recht wohl.




darf sich keinen Schritt von seinem Hause entfernen. Das Leben in diesen
beiden Orten, das ohnehin höchst unangenehm ist, wird durch den Maugel
an Wasser, die häufigen Feuersbrünste, die zudringliche, klatschsüchtige levan-
tinische Bevölkerung für deu Deutschen, der an Ordnung und an ein ge¬
regeltes Leben gewöhnt ist, im höchsten Grade lästig, und hat auch uns
veranlaßt, um allen diesen Uebeln ans dem Wege zu gehen, in Babeck
einen sichern und gesunden Aufenthalt zu suchen. Hier leben wir nun, wenn
anch allen Belustigungen der Welt fern, ans einem am Bosporus herrlich
gelegenen Landsitze, in gesunder und frischer Lust, zwei Stunden von Stam-
bul und eben so weit vom schwarzen Meere ein einfaches und zufriedenes
Leben. Das Personal auf unserer Besitzung besteht aus 18 Personen, die
alle Deutsche sind. Wir haben einen schönen Garten, große Weinberge, die
sich bis zum Gipfel eiues bedeutenden Berges erheben, vier- und zweibei¬
niges Gethier aller Art, Kühe, Kälber, Schweine, Esel, Hühner, Gänse,
Tauben u. s. w.; das gibt viel Unterhaltung und angenehme Beschäftigung.
Unser Hauswesen ist, so viel es die Verhältnisse erlauben, deutsch geblieben,
und nichts darau auszusetzen, als daß zu viel Zwiebeln gebraucht werden.
Gute deutsche Sitten und Gebräuche halten wir in allen Ehren, weil sie
das Andenken an die Heimath wach erhalten und in den Kindern deutschen
Sinn und deutsche Gutmüthigkeit wecken, eine Tendenz, die wir bei ihrer
Erziehung als Hauptzweck im Auge behalten. Wir gleichen darin nicht den
vielen andern Deutschen, die eine Freude daran haben und stolz darauf sind,
wenn ihre Kinder Griechisch und Türkisch plappern und sich in der Mutter¬
sprache kaum noch ausdrücken können. Wir feiern hier alle Feste, die in
der Heimath stattfinden, und hatten am Weihnachtabend einen Christbaum
und am Ostertage bunte Eier in blühenden Veilchenbeeten versteckt, und
diese lieben Gewohnheiten beizubehalten, thut dem ächten deutschen Herzen
recht wohl.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/424>, abgerufen am 01.07.2024.