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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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zu erweitern. Mit seinen Finanzen steht es wohl nicht Min Besten. Er
lebt in einem bescheidenen Hanse in ^lortimer 8t.reel, einer gar nicht "re-
spectablen" Straße und hat nur ein sehr kleines Gefolge bei sich, von dem
der Herzog von Viti" ^i-imliii, die hauptsächlichste Person ausmacht. Der
Prinz ist sehr musikalisch, ein Talent, das er in Frankreich während seiner
Gefangenschaft erworben bat, und das man ihm in England ans diesem
Grunde hingehen läßt. Er spricht sehr gut Englisch und unterhält sich
gern in dieser Sprache, was ihm bei dem Besuche der Museen und gelehr¬
ten Gesellschaften fehr zu statten kommt, weil nur wenige englische K-to-ins sich
Zeit lassen moderne Sprachen zu erlernen und er somit keine Auskunft über
das erlangen konnte, was er in Augenschein zu nehmen beabsichtigt, wenn sie
sie nicht in ihrer Muttersprache geben können. Man hat ihn in dieser Woche,
bei den "Antiquariens" eingeführt, die langweiligste aller englischen Gesell¬
schaften, deren Mitglieder gewöhnlich einschlafen, während die Berichte vor¬
gelesen werden. Die Gegenwart eines spanischen Prinzen wird aber gewiß
mehr dazu beigetragen haben, die gelehrten Herrn zu versammeln und wach
zu erhalten, als alle Zeichnungen alter Kirchen in der Normandie zusam^
mengenommen. Graf Montemvlin hat sich anch zeichnen lassen und "beehrt"
die Ausstellung dieses Jahres in Wasserfarbe. Jenny Lind aber wurde heute
schon in allen Straßen für zwei Pence ausgeschrieen. Die Grisi, die sehr
neidischer Natur sein soll, wird nicht ohne ein Gallenfieber davon kommen,
wie man fürchtet. Man tadelt sie bitter, daß sie die schwedische Nachtigall
mit so scheelem Auge ansteht, doch geht das ja andern und selbst größeren
Talenten nicht besser. Heißt es doch von Mendelsohn und Meyerbeer, daß
sie sich wie eine Pest fliehen und kaum den Klang des gegenseitigen Namens
ertragen können. So mischt sich immer wieder das Kleine in das Große,
damit auf dieser armen Erde nichts ganz Großes bestehe! Bon dem Erste¬
ren weiß übrigens das Publikum hier, daß er außer dieser Schwache auch
noch die besitze, göttlich verehrt werden zu wollen (?) und man sinnt daher
ordentlich darauf, in welche Form der Ausdruck der Bewunderung zu stei¬
gern sei, damit er einem schon ganz verwöhnten Gaumen nicht noch unschmack-
haft erscheine. Disraeli soll stolz auf ihn sein und diesen kleinen Nachklang
orientalischer Abkunft und Metapherliebe gerne sehen, weil er in diesem
Punkte eine angenehme Wahlverwandtschaft entdeckt. Uebrigens aber ist
nicht zu leugnen, daß die jetzige Zeit viele Belege zu der in seinem Tan-
kred aufgestellten Bemerkung liefert: "daß das erste Volk der Welt das
Israelitische, und nach so vielen Jahrhunderten des Druckes und Elends
hegen es noch die Söhne Arabiens, deren Talente und Genius alles über-


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zu erweitern. Mit seinen Finanzen steht es wohl nicht Min Besten. Er
lebt in einem bescheidenen Hanse in ^lortimer 8t.reel, einer gar nicht „re-
spectablen" Straße und hat nur ein sehr kleines Gefolge bei sich, von dem
der Herzog von Viti» ^i-imliii, die hauptsächlichste Person ausmacht. Der
Prinz ist sehr musikalisch, ein Talent, das er in Frankreich während seiner
Gefangenschaft erworben bat, und das man ihm in England ans diesem
Grunde hingehen läßt. Er spricht sehr gut Englisch und unterhält sich
gern in dieser Sprache, was ihm bei dem Besuche der Museen und gelehr¬
ten Gesellschaften fehr zu statten kommt, weil nur wenige englische K-to-ins sich
Zeit lassen moderne Sprachen zu erlernen und er somit keine Auskunft über
das erlangen konnte, was er in Augenschein zu nehmen beabsichtigt, wenn sie
sie nicht in ihrer Muttersprache geben können. Man hat ihn in dieser Woche,
bei den „Antiquariens" eingeführt, die langweiligste aller englischen Gesell¬
schaften, deren Mitglieder gewöhnlich einschlafen, während die Berichte vor¬
gelesen werden. Die Gegenwart eines spanischen Prinzen wird aber gewiß
mehr dazu beigetragen haben, die gelehrten Herrn zu versammeln und wach
zu erhalten, als alle Zeichnungen alter Kirchen in der Normandie zusam^
mengenommen. Graf Montemvlin hat sich anch zeichnen lassen und „beehrt"
die Ausstellung dieses Jahres in Wasserfarbe. Jenny Lind aber wurde heute
schon in allen Straßen für zwei Pence ausgeschrieen. Die Grisi, die sehr
neidischer Natur sein soll, wird nicht ohne ein Gallenfieber davon kommen,
wie man fürchtet. Man tadelt sie bitter, daß sie die schwedische Nachtigall
mit so scheelem Auge ansteht, doch geht das ja andern und selbst größeren
Talenten nicht besser. Heißt es doch von Mendelsohn und Meyerbeer, daß
sie sich wie eine Pest fliehen und kaum den Klang des gegenseitigen Namens
ertragen können. So mischt sich immer wieder das Kleine in das Große,
damit auf dieser armen Erde nichts ganz Großes bestehe! Bon dem Erste¬
ren weiß übrigens das Publikum hier, daß er außer dieser Schwache auch
noch die besitze, göttlich verehrt werden zu wollen (?) und man sinnt daher
ordentlich darauf, in welche Form der Ausdruck der Bewunderung zu stei¬
gern sei, damit er einem schon ganz verwöhnten Gaumen nicht noch unschmack-
haft erscheine. Disraeli soll stolz auf ihn sein und diesen kleinen Nachklang
orientalischer Abkunft und Metapherliebe gerne sehen, weil er in diesem
Punkte eine angenehme Wahlverwandtschaft entdeckt. Uebrigens aber ist
nicht zu leugnen, daß die jetzige Zeit viele Belege zu der in seinem Tan-
kred aufgestellten Bemerkung liefert: „daß das erste Volk der Welt das
Israelitische, und nach so vielen Jahrhunderten des Druckes und Elends
hegen es noch die Söhne Arabiens, deren Talente und Genius alles über-


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[0375] zu erweitern. Mit seinen Finanzen steht es wohl nicht Min Besten. Er lebt in einem bescheidenen Hanse in ^lortimer 8t.reel, einer gar nicht „re- spectablen" Straße und hat nur ein sehr kleines Gefolge bei sich, von dem der Herzog von Viti» ^i-imliii, die hauptsächlichste Person ausmacht. Der Prinz ist sehr musikalisch, ein Talent, das er in Frankreich während seiner Gefangenschaft erworben bat, und das man ihm in England ans diesem Grunde hingehen läßt. Er spricht sehr gut Englisch und unterhält sich gern in dieser Sprache, was ihm bei dem Besuche der Museen und gelehr¬ ten Gesellschaften fehr zu statten kommt, weil nur wenige englische K-to-ins sich Zeit lassen moderne Sprachen zu erlernen und er somit keine Auskunft über das erlangen konnte, was er in Augenschein zu nehmen beabsichtigt, wenn sie sie nicht in ihrer Muttersprache geben können. Man hat ihn in dieser Woche, bei den „Antiquariens" eingeführt, die langweiligste aller englischen Gesell¬ schaften, deren Mitglieder gewöhnlich einschlafen, während die Berichte vor¬ gelesen werden. Die Gegenwart eines spanischen Prinzen wird aber gewiß mehr dazu beigetragen haben, die gelehrten Herrn zu versammeln und wach zu erhalten, als alle Zeichnungen alter Kirchen in der Normandie zusam^ mengenommen. Graf Montemvlin hat sich anch zeichnen lassen und „beehrt" die Ausstellung dieses Jahres in Wasserfarbe. Jenny Lind aber wurde heute schon in allen Straßen für zwei Pence ausgeschrieen. Die Grisi, die sehr neidischer Natur sein soll, wird nicht ohne ein Gallenfieber davon kommen, wie man fürchtet. Man tadelt sie bitter, daß sie die schwedische Nachtigall mit so scheelem Auge ansteht, doch geht das ja andern und selbst größeren Talenten nicht besser. Heißt es doch von Mendelsohn und Meyerbeer, daß sie sich wie eine Pest fliehen und kaum den Klang des gegenseitigen Namens ertragen können. So mischt sich immer wieder das Kleine in das Große, damit auf dieser armen Erde nichts ganz Großes bestehe! Bon dem Erste¬ ren weiß übrigens das Publikum hier, daß er außer dieser Schwache auch noch die besitze, göttlich verehrt werden zu wollen (?) und man sinnt daher ordentlich darauf, in welche Form der Ausdruck der Bewunderung zu stei¬ gern sei, damit er einem schon ganz verwöhnten Gaumen nicht noch unschmack- haft erscheine. Disraeli soll stolz auf ihn sein und diesen kleinen Nachklang orientalischer Abkunft und Metapherliebe gerne sehen, weil er in diesem Punkte eine angenehme Wahlverwandtschaft entdeckt. Uebrigens aber ist nicht zu leugnen, daß die jetzige Zeit viele Belege zu der in seinem Tan- kred aufgestellten Bemerkung liefert: „daß das erste Volk der Welt das Israelitische, und nach so vielen Jahrhunderten des Druckes und Elends hegen es noch die Söhne Arabiens, deren Talente und Genius alles über- 48 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/375>, abgerufen am 03.07.2024.