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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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jetzigen Gesandten in Berlin, hat ihr seine Hand angeboten; die Sängerin
aber hat ihm in einen sehr artigen Schreiben für seine Güte gedankt, von
der Gebrauch zu machen ein früheres Versprechen sie hindere. Diese ihrem
armen, unbedeutenden Jugendgeliebten bewahrte Treue hat England in
Erstaunen gesetzt. Hier, wo die Klasse der Theatersängerinnen noch auf so
niederem Fuße steht und wo nur der Künstlerin, nie der Frau Achtung und
Bewunderung gezollt werden kann, ist dies natürlich eine ganz neue Er¬
scheinung, und selbst die Frau Königin ist so entzückt von der liebenswürdigen
Schwedin, daß sie ihr mit eigner Hand einen Strauß zugeworfen hat --
eine Herablassung, über die die englischen Blätter viel Aufhebens machen.
Wie sich aber der Streit zwischen Bril und Lumley entscheiden wird, weiß
man noch nicht. Jenny Lind hat Ersterem 2000 Pfund Entschädigungsgelder
geboten, die er aber nicht angenommen hat, weil er in diesem Erbieten den
sichersten Beweis seines guten Rechtes zu sehen glaubt. Mittlerweile aber
geht sein Theater zu Grunde. Niemand besucht (^vo"t Kilrdou seit Jenny
Lind hier ist. Und Niemand wäre in die italienische Oper gegangen, hätte
Lumley nicht weise sich zu jedem Opfer verstanden, um nur Jenny Lind zu
sichern. So mußte einer sinken, das ließ sich uicht ändern, es sei denn, es
fände sich eine andere Lind. Käme Meyerbeer, so konnte dieser Bun ret¬
ten; ob der sich aber in diesem Jahre zu einem Ausflug uach London ver¬
stehen wird, soll noch ungewiß sein, und von einem andern Sterne weiß
man nichts, denn Lota Montez tanzt ja nicht mehr. Buu und der Herzog
Carl von Braunschweig stehen nnn in einer Kategorie. So wie Bun seine neue
Oper nicht fortführen kann, ohne dem Publikum einen Köder zu liefern,
so geht es dem letzteren mit seiner Londoner deutscheu Zeitung, der es, seit
Sr. Durchlaucht hvcheigne Memoiren beendet sind, durchaus an interessan¬
ten Beiträgen fehlt. Gern hätte es daher der Herzog mit dem Nachlaß
von Kombst versucht, wenn er, trotz seines vielgerühmten Muthes, sich
doch nicht in London in seinen eigenen vier Pfählen vor dem König von
Preußen gefürchtet hätte. Nun begnügt er sich mit einer Herausforderung
von Karl Heinzen, nach der Niemand fragt, so wenig wie nach ihm selbst.

Graf Montemolin erregt als neuere Erscheinung etwas mehr Aufmerksamkeit,
obgleich sein Aeußeres die Damen weniger ansprechen möchte. Er ist blond,
fest röthlich, was für einen Spanier seltsam ist. Er raucht sehr stark und
hat daher eine bleiche, fahle Gesichtsfarbe. Er ist uicht groß von Statur
und hat nichts Ausgezeichnetes in seinem Aeußern. Doch soll es ihm nicht
ein Geist fehlen, und wohlunterrichtete Männer versichern, daß er in vielen
Zandern zu Hause sei und keine Gelegenheit unbenutzt lasse seine Kenntnisse


jetzigen Gesandten in Berlin, hat ihr seine Hand angeboten; die Sängerin
aber hat ihm in einen sehr artigen Schreiben für seine Güte gedankt, von
der Gebrauch zu machen ein früheres Versprechen sie hindere. Diese ihrem
armen, unbedeutenden Jugendgeliebten bewahrte Treue hat England in
Erstaunen gesetzt. Hier, wo die Klasse der Theatersängerinnen noch auf so
niederem Fuße steht und wo nur der Künstlerin, nie der Frau Achtung und
Bewunderung gezollt werden kann, ist dies natürlich eine ganz neue Er¬
scheinung, und selbst die Frau Königin ist so entzückt von der liebenswürdigen
Schwedin, daß sie ihr mit eigner Hand einen Strauß zugeworfen hat —
eine Herablassung, über die die englischen Blätter viel Aufhebens machen.
Wie sich aber der Streit zwischen Bril und Lumley entscheiden wird, weiß
man noch nicht. Jenny Lind hat Ersterem 2000 Pfund Entschädigungsgelder
geboten, die er aber nicht angenommen hat, weil er in diesem Erbieten den
sichersten Beweis seines guten Rechtes zu sehen glaubt. Mittlerweile aber
geht sein Theater zu Grunde. Niemand besucht (^vo»t Kilrdou seit Jenny
Lind hier ist. Und Niemand wäre in die italienische Oper gegangen, hätte
Lumley nicht weise sich zu jedem Opfer verstanden, um nur Jenny Lind zu
sichern. So mußte einer sinken, das ließ sich uicht ändern, es sei denn, es
fände sich eine andere Lind. Käme Meyerbeer, so konnte dieser Bun ret¬
ten; ob der sich aber in diesem Jahre zu einem Ausflug uach London ver¬
stehen wird, soll noch ungewiß sein, und von einem andern Sterne weiß
man nichts, denn Lota Montez tanzt ja nicht mehr. Buu und der Herzog
Carl von Braunschweig stehen nnn in einer Kategorie. So wie Bun seine neue
Oper nicht fortführen kann, ohne dem Publikum einen Köder zu liefern,
so geht es dem letzteren mit seiner Londoner deutscheu Zeitung, der es, seit
Sr. Durchlaucht hvcheigne Memoiren beendet sind, durchaus an interessan¬
ten Beiträgen fehlt. Gern hätte es daher der Herzog mit dem Nachlaß
von Kombst versucht, wenn er, trotz seines vielgerühmten Muthes, sich
doch nicht in London in seinen eigenen vier Pfählen vor dem König von
Preußen gefürchtet hätte. Nun begnügt er sich mit einer Herausforderung
von Karl Heinzen, nach der Niemand fragt, so wenig wie nach ihm selbst.

Graf Montemolin erregt als neuere Erscheinung etwas mehr Aufmerksamkeit,
obgleich sein Aeußeres die Damen weniger ansprechen möchte. Er ist blond,
fest röthlich, was für einen Spanier seltsam ist. Er raucht sehr stark und
hat daher eine bleiche, fahle Gesichtsfarbe. Er ist uicht groß von Statur
und hat nichts Ausgezeichnetes in seinem Aeußern. Doch soll es ihm nicht
ein Geist fehlen, und wohlunterrichtete Männer versichern, daß er in vielen
Zandern zu Hause sei und keine Gelegenheit unbenutzt lasse seine Kenntnisse


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/374>, abgerufen am 01.07.2024.