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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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habe Dich in der Schlacht gesehen und halte Dich für nicht weniger edel
als muthig. Dir, dem einzigen von allen Franken, will ich mich ergeben."

Man kann sich das Erstannen des Obristen denken und den freudigen
Eindruck, den dies Ereignis; im französischen Heere hervorbringt. Bu-Maza
ist, wie sehr sein Ansehen auch gebrochen ist, noch immer ein Feind, dessen
Unerschrockenheit und Energie zu fürchten war. Der Hauptmann Richard
wird beauftragt, den Gefangenen nach Paris zu bringen.

Am IN. April kommt Bu-Maza in Algier an. Auf dem Wege dahin
begleiteten ihn die Verwünschungen der einen Partei, die Ehrfnrchtsbezeu-
gungen der andern. Hebe Dich weg, falscher Prophet, der Dn nicht der
wahre Herr der Stunde bist, riefen jene aus ihren Hütten, andere aber
knieten vor ihm nieder und lüfften ihm' die Füße.

In Marseille, wo Bu-Maza mit seinem Begleiter, dem Capitain Ri¬
chard eintrifft, erreicht ihn ein Ministerschreiben. Seine Reise soll Wirt
werden, Bu-Maza soll nicht nach Paris kommen, er soll in ein Fort von
Algier geschafft werden. Da bricht der Gefangene in voller Wuth aus?
Er erhebt die Hände, als ob er die Gerechtigkeit Allah's anrufen wollte.

Ich will nirgends anders gefangen sein, als in Paris, ruft er. Paris
ist das Mecca von Frankreich! Hat Paris nicht das Grab Napoleons, wie
Mecca das Grab des Propheten?

Die Klagen Bu-Maza's sind gehört worden. Man hat ihn auch nach
Paris geschafft, wo er ein Hotel in den ctimnos vlisees bewohnt. Er kann
aus seinen Fenstern fast allabendlich die lüsternen Klänge vernehmen, die
von dem unfernen Jardin Mabille herüberwehen. Und die sind ihm so selt¬
sam an's Herz gedrungen, daß er der Lockung nicht wiederstand. -- Ja, die
Gäste des Ball Mabille sehen eines Abends zu ihrer großen Verwunderung
eiuen braunen schlanken Jüngling im schneeweißen Burnus bei sich eintreten,
der kein anderer war, als Bu-Maza der Mulei-saa, der Herr der Stunde.

Das wilde Auge Bu-Maza's gewann einen seltsamen Ausdruck, als er
mit den Wundern der Civilisation, wie sie im Jardin Mabille zu finden
sind, vertrauter wurde, und um den bittern Mund spielte ein ungewohntes
Lächeln. Beim Allah, sagte er, Paris ist mehr als Mecca, und wie ich so
die Franzosen gehasst, so sehr lerne ich sie lieben und bewundern. Mit dem
Blute, das aus meinen Wunden floß, ist auch der Haß mit ausgeflossen, --
ich will ein Pariser werden. Bu-Maza ist seitdem der Lion aller Pariser
Salons ^ .




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habe Dich in der Schlacht gesehen und halte Dich für nicht weniger edel
als muthig. Dir, dem einzigen von allen Franken, will ich mich ergeben."

Man kann sich das Erstannen des Obristen denken und den freudigen
Eindruck, den dies Ereignis; im französischen Heere hervorbringt. Bu-Maza
ist, wie sehr sein Ansehen auch gebrochen ist, noch immer ein Feind, dessen
Unerschrockenheit und Energie zu fürchten war. Der Hauptmann Richard
wird beauftragt, den Gefangenen nach Paris zu bringen.

Am IN. April kommt Bu-Maza in Algier an. Auf dem Wege dahin
begleiteten ihn die Verwünschungen der einen Partei, die Ehrfnrchtsbezeu-
gungen der andern. Hebe Dich weg, falscher Prophet, der Dn nicht der
wahre Herr der Stunde bist, riefen jene aus ihren Hütten, andere aber
knieten vor ihm nieder und lüfften ihm' die Füße.

In Marseille, wo Bu-Maza mit seinem Begleiter, dem Capitain Ri¬
chard eintrifft, erreicht ihn ein Ministerschreiben. Seine Reise soll Wirt
werden, Bu-Maza soll nicht nach Paris kommen, er soll in ein Fort von
Algier geschafft werden. Da bricht der Gefangene in voller Wuth aus?
Er erhebt die Hände, als ob er die Gerechtigkeit Allah's anrufen wollte.

Ich will nirgends anders gefangen sein, als in Paris, ruft er. Paris
ist das Mecca von Frankreich! Hat Paris nicht das Grab Napoleons, wie
Mecca das Grab des Propheten?

Die Klagen Bu-Maza's sind gehört worden. Man hat ihn auch nach
Paris geschafft, wo er ein Hotel in den ctimnos vlisees bewohnt. Er kann
aus seinen Fenstern fast allabendlich die lüsternen Klänge vernehmen, die
von dem unfernen Jardin Mabille herüberwehen. Und die sind ihm so selt¬
sam an's Herz gedrungen, daß er der Lockung nicht wiederstand. — Ja, die
Gäste des Ball Mabille sehen eines Abends zu ihrer großen Verwunderung
eiuen braunen schlanken Jüngling im schneeweißen Burnus bei sich eintreten,
der kein anderer war, als Bu-Maza der Mulei-saa, der Herr der Stunde.

Das wilde Auge Bu-Maza's gewann einen seltsamen Ausdruck, als er
mit den Wundern der Civilisation, wie sie im Jardin Mabille zu finden
sind, vertrauter wurde, und um den bittern Mund spielte ein ungewohntes
Lächeln. Beim Allah, sagte er, Paris ist mehr als Mecca, und wie ich so
die Franzosen gehasst, so sehr lerne ich sie lieben und bewundern. Mit dem
Blute, das aus meinen Wunden floß, ist auch der Haß mit ausgeflossen, —
ich will ein Pariser werden. Bu-Maza ist seitdem der Lion aller Pariser
Salons ^ .




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[0351] habe Dich in der Schlacht gesehen und halte Dich für nicht weniger edel als muthig. Dir, dem einzigen von allen Franken, will ich mich ergeben." Man kann sich das Erstannen des Obristen denken und den freudigen Eindruck, den dies Ereignis; im französischen Heere hervorbringt. Bu-Maza ist, wie sehr sein Ansehen auch gebrochen ist, noch immer ein Feind, dessen Unerschrockenheit und Energie zu fürchten war. Der Hauptmann Richard wird beauftragt, den Gefangenen nach Paris zu bringen. Am IN. April kommt Bu-Maza in Algier an. Auf dem Wege dahin begleiteten ihn die Verwünschungen der einen Partei, die Ehrfnrchtsbezeu- gungen der andern. Hebe Dich weg, falscher Prophet, der Dn nicht der wahre Herr der Stunde bist, riefen jene aus ihren Hütten, andere aber knieten vor ihm nieder und lüfften ihm' die Füße. In Marseille, wo Bu-Maza mit seinem Begleiter, dem Capitain Ri¬ chard eintrifft, erreicht ihn ein Ministerschreiben. Seine Reise soll Wirt werden, Bu-Maza soll nicht nach Paris kommen, er soll in ein Fort von Algier geschafft werden. Da bricht der Gefangene in voller Wuth aus? Er erhebt die Hände, als ob er die Gerechtigkeit Allah's anrufen wollte. Ich will nirgends anders gefangen sein, als in Paris, ruft er. Paris ist das Mecca von Frankreich! Hat Paris nicht das Grab Napoleons, wie Mecca das Grab des Propheten? Die Klagen Bu-Maza's sind gehört worden. Man hat ihn auch nach Paris geschafft, wo er ein Hotel in den ctimnos vlisees bewohnt. Er kann aus seinen Fenstern fast allabendlich die lüsternen Klänge vernehmen, die von dem unfernen Jardin Mabille herüberwehen. Und die sind ihm so selt¬ sam an's Herz gedrungen, daß er der Lockung nicht wiederstand. — Ja, die Gäste des Ball Mabille sehen eines Abends zu ihrer großen Verwunderung eiuen braunen schlanken Jüngling im schneeweißen Burnus bei sich eintreten, der kein anderer war, als Bu-Maza der Mulei-saa, der Herr der Stunde. Das wilde Auge Bu-Maza's gewann einen seltsamen Ausdruck, als er mit den Wundern der Civilisation, wie sie im Jardin Mabille zu finden sind, vertrauter wurde, und um den bittern Mund spielte ein ungewohntes Lächeln. Beim Allah, sagte er, Paris ist mehr als Mecca, und wie ich so die Franzosen gehasst, so sehr lerne ich sie lieben und bewundern. Mit dem Blute, das aus meinen Wunden floß, ist auch der Haß mit ausgeflossen, — ich will ein Pariser werden. Bu-Maza ist seitdem der Lion aller Pariser Salons ^ . 45 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/351>, abgerufen am 01.07.2024.