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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Die bildende Kunst, sonst ein Hauptfactor in dem stillen und beschau¬
lichen "Elbflorenz", hat wahrend der letzten Monate wenig Zeit zur Schau¬
stellung gehabt. Eine Wanderung durch die Ateliers -- in welchen: manche
bedeutende Schöpfung sich vorbereiten soll -- ist im Winter ein unerquick¬
licher Genuß. Es hat etwas drückendes die Kunst in geheizten Ateliers
arbeiten zu sehen wie Leinweber und Schneider; es ist mit jedem Kunstwerk
unwillkürlich die Idee des Freien und der Freiheit in der Natur verbunden,
der Gedanke an den Süden, an die Werkstätten der italienischen Meister
drängt sich uns stets auf und der Anblick des räucherigen Winterateliers
mit seinen verschlossenen Fenstern und offenen Holz- und Steinkohlenstößen
beengt die Brust und läßt den Künstler und sein Kunstwerk wie einen
Vogel im Käfig erscheinen. Das wichtigste Ereigniß unter deu Dresd¬
ner Künstlern, war der bereits im Anfang des Winters stattgefundene Amts-
antritt des Münchner Schmorr's (Julius) als Direktor der Gemäldegallerie
und Professor an der Akademie.

Leider kam der neue Galleriedirektor zu spät, um für den Reuben der
Gallerie einen bessern Platz zu erwirken, als derjenige ist, den man dafür
ausgewählt. Diese kleine Geschichte ist charakteristisch nicht nur für Dresden,
sondern für deutsche Zustände überhaupt. Die schlechte Localität der berühm¬
ten Gemäldegallerie hat einen Theil der Bilder Verderben gebracht. Um
dessen Umsichgreifen zu verhindern und den großartigen Kunstschätzen ein
würdigeres Gehäuse zu geben, votirten die Stände eine ziemlich mäßige
Summe zur Erbauung eines neuen Museums. Nach dem vorgelegten Plane
sollte das neue Museum in der Nähe des Zwingers, dicht neben dem Thea¬
ter, der katholischen Kirche und des Schlosses erbaut werden. Aber wenn
die Rathsherren vom Rathhause kommen, fallen ihnen erst die besten Ge-
danken ein; so anch hier. Nachdem der Neubau von den Ständen bewilligt
war, fiel es den Dresdnern erst ein, daß sie einen viel zweckmäßigem, und
für die Schönheit der Stadt, ungemein vortheilhaftern Platz für den neuen
Gemäldepallast bestimmen mußten. Da ist die Brühl'sche Terrasse, dieser
herrliche, unvergleichliche Punct, den Berthold Auerbach treffend, den Bal¬
kon von Dresden nannte, dnrch ein vis a vis verunziert, welches die Per-
spective, die man von hier aus über den Elbstrvm genießt, auf das
Unangenehmste stört und beeinträchtigt, an dein jenseitigen Elbufer dehnt
sich nämlich, mehrere tausend Schritte lang ein häßlicher Pontonschuppen
aus. Wenn man diesen niederreißen und das neue Museum an seine Stelle
hinsetzen würde, gewönne Dresden, durch die längs der Elbe sich hinstrek-


Die bildende Kunst, sonst ein Hauptfactor in dem stillen und beschau¬
lichen „Elbflorenz", hat wahrend der letzten Monate wenig Zeit zur Schau¬
stellung gehabt. Eine Wanderung durch die Ateliers — in welchen: manche
bedeutende Schöpfung sich vorbereiten soll — ist im Winter ein unerquick¬
licher Genuß. Es hat etwas drückendes die Kunst in geheizten Ateliers
arbeiten zu sehen wie Leinweber und Schneider; es ist mit jedem Kunstwerk
unwillkürlich die Idee des Freien und der Freiheit in der Natur verbunden,
der Gedanke an den Süden, an die Werkstätten der italienischen Meister
drängt sich uns stets auf und der Anblick des räucherigen Winterateliers
mit seinen verschlossenen Fenstern und offenen Holz- und Steinkohlenstößen
beengt die Brust und läßt den Künstler und sein Kunstwerk wie einen
Vogel im Käfig erscheinen. Das wichtigste Ereigniß unter deu Dresd¬
ner Künstlern, war der bereits im Anfang des Winters stattgefundene Amts-
antritt des Münchner Schmorr's (Julius) als Direktor der Gemäldegallerie
und Professor an der Akademie.

Leider kam der neue Galleriedirektor zu spät, um für den Reuben der
Gallerie einen bessern Platz zu erwirken, als derjenige ist, den man dafür
ausgewählt. Diese kleine Geschichte ist charakteristisch nicht nur für Dresden,
sondern für deutsche Zustände überhaupt. Die schlechte Localität der berühm¬
ten Gemäldegallerie hat einen Theil der Bilder Verderben gebracht. Um
dessen Umsichgreifen zu verhindern und den großartigen Kunstschätzen ein
würdigeres Gehäuse zu geben, votirten die Stände eine ziemlich mäßige
Summe zur Erbauung eines neuen Museums. Nach dem vorgelegten Plane
sollte das neue Museum in der Nähe des Zwingers, dicht neben dem Thea¬
ter, der katholischen Kirche und des Schlosses erbaut werden. Aber wenn
die Rathsherren vom Rathhause kommen, fallen ihnen erst die besten Ge-
danken ein; so anch hier. Nachdem der Neubau von den Ständen bewilligt
war, fiel es den Dresdnern erst ein, daß sie einen viel zweckmäßigem, und
für die Schönheit der Stadt, ungemein vortheilhaftern Platz für den neuen
Gemäldepallast bestimmen mußten. Da ist die Brühl'sche Terrasse, dieser
herrliche, unvergleichliche Punct, den Berthold Auerbach treffend, den Bal¬
kon von Dresden nannte, dnrch ein vis a vis verunziert, welches die Per-
spective, die man von hier aus über den Elbstrvm genießt, auf das
Unangenehmste stört und beeinträchtigt, an dein jenseitigen Elbufer dehnt
sich nämlich, mehrere tausend Schritte lang ein häßlicher Pontonschuppen
aus. Wenn man diesen niederreißen und das neue Museum an seine Stelle
hinsetzen würde, gewönne Dresden, durch die längs der Elbe sich hinstrek-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/30>, abgerufen am 03.07.2024.