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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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gen Ministeriums siegestrunken in die Hände klatschte und außer sich gerieth über
ein Ereigniß, das ihr das Ruder in die Hände zu spielen verhieß; wie diese"
Ereigniß sich motivirte, darauf kam es ihr nicht an.

Ein deutscher Schriftsteller in Paris, dem die Ehre seiner Nation am Herzen
liegt, sandte einen Artikel darüber an die Kölnische Zeitung; sie wies ihn aus
Censur - Rücksichten zurück. Er schickte ihn darauf an Herrn Armand Marast,
Redacteur des National. Der National ist nicht gerade durch die Censur be¬
hindert, auch hat er keinen großen Respect vor den Königskronen, aber er nahm
ihn dennoch nicht aus. Aus Deutschlands Ehre konnte es dem National natürlich
nicht viel ankommen; er dachte: Lassen wir sie ihre schmutzige Wäsche selber
reinigen.

Venedey ging mit seinem Artikel in das Bureau des sozialistischen Blattes
"l)on"eriltio piiMyuv"; hier erklärte ihm aber der Redacteur, Herr Conside-
rant, es wäre absurd von den Deutschen, bei einer liberale" Wendung der Re¬
gierung pedantisch nachzufragen, woher diese Wendung gekommen sei. "Was liegt
daran, wodurch Sie die Freiheit gewinnen, wenn Sie sie endlich erlangen? Jeden¬
falls ist es besser, sie aus der Hand eines schönen Weibes, als aus der blutigen
des Volkes zu erhalten. Die alte Moral ist verlebt: man hat jetzt eine neue, in
der Leidenschaft allein ist das Recht."

Zweierlei, was uns trösten kann, lernen wir aus dieser Geschichte; einmal,
daß der Begriff von Freiheit und Ehre, wie er in den Köpfen vieler Franzosen
spukt, um nichts weniger nun klar ist, als der vieler deutschen Liberalen.
'

Sodann, daß die Censur der Lorant" e" eilet in einem Lande, wo nur
wenige mächtige Blätter die Concurrenz aushalten können, nicht weniger drückend
ist, als die Scheere eines bestallter Censors.

-- Man schreibt aus Brüssel: Seit einigen Wochen sieht man in den hiesigen
Salons einen jungen Mann von eleganter Tournüre, mit halb tartarischen, halb
türkischen Gesichtszügen und schwarzen glühenden Augen. Sein Costüm besteht ans
Sammet mit Gold und Perlen reich gestickt, aus einem persische!, mit diamantenem
Schnallen, während ein Brillantstern auf der Brust hängt; es ist dies der Prinz
von Koricosi, ein Enkel des ehemaligen "Czaars" von Armenien Leon VI.,
der nun durch die-llngnade des russischen Kaisers im Exil sich befindet, wäh¬
rend daheim alle seine Güter confiszirt sind. Die Ursache dieser Verbannung
des jungen Fürsten, der bisher ruhig in Se. Petersburg lebte, ist ein flüchtiger
Volksaufstand, der kürzlich in Georgien stattfand, wobei der Ruf ertönte: Es lebe
der Czarowitsch Leon VII. Der Patriarch von Siß hat dem jungen Fürsten,
der ausgelassen lustig und streng bigott zu gleicher Zeit ist, einen Bischof in
Begleitung zweier armenischen Edelleute nachgeschickt, die vor einigen Tagen hier
angekommen sind.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. Redacteur: I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.

gen Ministeriums siegestrunken in die Hände klatschte und außer sich gerieth über
ein Ereigniß, das ihr das Ruder in die Hände zu spielen verhieß; wie diese«
Ereigniß sich motivirte, darauf kam es ihr nicht an.

Ein deutscher Schriftsteller in Paris, dem die Ehre seiner Nation am Herzen
liegt, sandte einen Artikel darüber an die Kölnische Zeitung; sie wies ihn aus
Censur - Rücksichten zurück. Er schickte ihn darauf an Herrn Armand Marast,
Redacteur des National. Der National ist nicht gerade durch die Censur be¬
hindert, auch hat er keinen großen Respect vor den Königskronen, aber er nahm
ihn dennoch nicht aus. Aus Deutschlands Ehre konnte es dem National natürlich
nicht viel ankommen; er dachte: Lassen wir sie ihre schmutzige Wäsche selber
reinigen.

Venedey ging mit seinem Artikel in das Bureau des sozialistischen Blattes
„l)on»eriltio piiMyuv"; hier erklärte ihm aber der Redacteur, Herr Conside-
rant, es wäre absurd von den Deutschen, bei einer liberale» Wendung der Re¬
gierung pedantisch nachzufragen, woher diese Wendung gekommen sei. „Was liegt
daran, wodurch Sie die Freiheit gewinnen, wenn Sie sie endlich erlangen? Jeden¬
falls ist es besser, sie aus der Hand eines schönen Weibes, als aus der blutigen
des Volkes zu erhalten. Die alte Moral ist verlebt: man hat jetzt eine neue, in
der Leidenschaft allein ist das Recht."

Zweierlei, was uns trösten kann, lernen wir aus dieser Geschichte; einmal,
daß der Begriff von Freiheit und Ehre, wie er in den Köpfen vieler Franzosen
spukt, um nichts weniger nun klar ist, als der vieler deutschen Liberalen.
'

Sodann, daß die Censur der Lorant« e» eilet in einem Lande, wo nur
wenige mächtige Blätter die Concurrenz aushalten können, nicht weniger drückend
ist, als die Scheere eines bestallter Censors.

— Man schreibt aus Brüssel: Seit einigen Wochen sieht man in den hiesigen
Salons einen jungen Mann von eleganter Tournüre, mit halb tartarischen, halb
türkischen Gesichtszügen und schwarzen glühenden Augen. Sein Costüm besteht ans
Sammet mit Gold und Perlen reich gestickt, aus einem persische!, mit diamantenem
Schnallen, während ein Brillantstern auf der Brust hängt; es ist dies der Prinz
von Koricosi, ein Enkel des ehemaligen „Czaars" von Armenien Leon VI.,
der nun durch die-llngnade des russischen Kaisers im Exil sich befindet, wäh¬
rend daheim alle seine Güter confiszirt sind. Die Ursache dieser Verbannung
des jungen Fürsten, der bisher ruhig in Se. Petersburg lebte, ist ein flüchtiger
Volksaufstand, der kürzlich in Georgien stattfand, wobei der Ruf ertönte: Es lebe
der Czarowitsch Leon VII. Der Patriarch von Siß hat dem jungen Fürsten,
der ausgelassen lustig und streng bigott zu gleicher Zeit ist, einen Bischof in
Begleitung zweier armenischen Edelleute nachgeschickt, die vor einigen Tagen hier
angekommen sind.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. Redacteur: I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/284>, abgerufen am 22.07.2024.