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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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lcnloscn Dien"', und- waren zufrieden mit der Herrschaft über beide. Die Land¬
tage des 17. Jahrhunderts, namentlich unter Leopold I., als Tirol wieder un¬
ter Oesterreichs Zepter zurückgekehrt, gewahren ein ergötzliches Schauspiel. Der
Kaiser postulirt ans Grund'des Landlibells von >7>it. eine namhafte Beisteuer
zu seinen Kriegen, oft auch noch Beiträge zu Hof- und Kirchenbauten in Wien,
HochzcitS- und Kindbcttsgesihcnken, ja selbst zu Reisen ; hierauf wendet die Land¬
schaft ein, laut eben dieses Libells, das sie nur zum Waffendienst verpflichte, sei
sie von solchen Abgaben frei und losgesprochen, und weist das Ansinnen herzhaft
zurück; die Kronbcamten wollen aber das berufene Landlibell wegen veränderter
Kriegsart nicht mehr gelte" lassen, und beziehen sich daraus, daß Tirol eine
österreichische Provinz geworden; nun beginnt schon die Kapitulation, man feilscht
blos mehr um die Große der Summe, und bewilligt bei der vierten oder fünf¬
ten Erwiederung, immerhin jedoch mit feierlichen Vorbehalt aller Privilegien und
Freiheiten wenigstens die Hälfte. Es läßt sich denken, daß gegen diese bei rich¬
tiger Abstattung des Zugesicherten höhern Orts nichts eingewendet wurde. Und
doch hielten selbst diese geduldigen, lenksamer, übcrfrommen Stände wenigstens
eine Vermehrung der vielen Klöster dem Wohl des Landes nicht zuträglich, und
baten wiederholt davon abzulassen, während sich die unsern die Einführung der
Jesuiten als Gnade erflehten. So lichtsrenudlich waren ihre Augen denn freilich
nicht, daß sie die Reformen Marie Thcrcsien's und Kaiser Joseph'S II. freudig
begrüßten, die schmntngc Kutte der Mouche und Nonnen war dem Volke so ver-
ehrungswürdig geworden, daß über ihre Beschränkung lebhafter Unmuth rege
ward, und die Wiederherstellung der aufgehobenen Klöster, die Rücknahme des
Verbots der Ablegung geistlicher Gelübde vor erreichter Grofijährigkeit, die Auf¬
hebung des Tolcranzpatents und der Normalschulen, ja selbst die Einziehung der
neu errichteten Kapellamen auf dem Lande waren seine dringendsten Bitten auf
dem Landtage 1790, den Leopold II. nach Joseph's Tode berufen hatte. Selbst
die Erhebung im Jahre 180!) entbrannte nicht aus den Sympathieen sür die
Freiheitskämpfe Schill's und anderer deutscher Helden, sondern aus der Verun¬
glimpfung seiner Priester, der Beseitigung der noch übrig gebliebenen Klöster,
der Abschaffung der Christnachtsmessen, Prozessionen und Wetterscgen.

Die Wahrheit, die nur hier offen auszusprechen wagten, wird diesen Zeilen
manche Ungunst zuziehen, es ist aber endlich Zeit, daß man den Bethörten die
Binde von den Augen nehme. Eines der besten Mittel dazu liegt in einer Ge¬
schichte Tirols, welche diese Momente richtig auffaßt, und in einer allgemein ver¬
ständliche" Sprache dem Volke mittheilt. Ja, sammelt und forschet, prüfet und
sondert, aber nicht um zu berichte", wer euer Ah" und Urahn war, bei denen
man umsoirst nach weise" Thaten frägt, oder um tändelnde Neugier mit weibi¬
scher Schwatzhaftigkeit zu unterhalten, oder wohl gar euch selbst wohlgefällig im
Spiegel eurer Gelahrtheit zu belächeln, sondern um unsern Geist aufzurichten,' und
"us den Grund der Dinge zu zeigen, die uns Verderbe" brachten.


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lcnloscn Dien«', und- waren zufrieden mit der Herrschaft über beide. Die Land¬
tage des 17. Jahrhunderts, namentlich unter Leopold I., als Tirol wieder un¬
ter Oesterreichs Zepter zurückgekehrt, gewahren ein ergötzliches Schauspiel. Der
Kaiser postulirt ans Grund'des Landlibells von >7>it. eine namhafte Beisteuer
zu seinen Kriegen, oft auch noch Beiträge zu Hof- und Kirchenbauten in Wien,
HochzcitS- und Kindbcttsgesihcnken, ja selbst zu Reisen ; hierauf wendet die Land¬
schaft ein, laut eben dieses Libells, das sie nur zum Waffendienst verpflichte, sei
sie von solchen Abgaben frei und losgesprochen, und weist das Ansinnen herzhaft
zurück; die Kronbcamten wollen aber das berufene Landlibell wegen veränderter
Kriegsart nicht mehr gelte» lassen, und beziehen sich daraus, daß Tirol eine
österreichische Provinz geworden; nun beginnt schon die Kapitulation, man feilscht
blos mehr um die Große der Summe, und bewilligt bei der vierten oder fünf¬
ten Erwiederung, immerhin jedoch mit feierlichen Vorbehalt aller Privilegien und
Freiheiten wenigstens die Hälfte. Es läßt sich denken, daß gegen diese bei rich¬
tiger Abstattung des Zugesicherten höhern Orts nichts eingewendet wurde. Und
doch hielten selbst diese geduldigen, lenksamer, übcrfrommen Stände wenigstens
eine Vermehrung der vielen Klöster dem Wohl des Landes nicht zuträglich, und
baten wiederholt davon abzulassen, während sich die unsern die Einführung der
Jesuiten als Gnade erflehten. So lichtsrenudlich waren ihre Augen denn freilich
nicht, daß sie die Reformen Marie Thcrcsien's und Kaiser Joseph'S II. freudig
begrüßten, die schmntngc Kutte der Mouche und Nonnen war dem Volke so ver-
ehrungswürdig geworden, daß über ihre Beschränkung lebhafter Unmuth rege
ward, und die Wiederherstellung der aufgehobenen Klöster, die Rücknahme des
Verbots der Ablegung geistlicher Gelübde vor erreichter Grofijährigkeit, die Auf¬
hebung des Tolcranzpatents und der Normalschulen, ja selbst die Einziehung der
neu errichteten Kapellamen auf dem Lande waren seine dringendsten Bitten auf
dem Landtage 1790, den Leopold II. nach Joseph's Tode berufen hatte. Selbst
die Erhebung im Jahre 180!) entbrannte nicht aus den Sympathieen sür die
Freiheitskämpfe Schill's und anderer deutscher Helden, sondern aus der Verun¬
glimpfung seiner Priester, der Beseitigung der noch übrig gebliebenen Klöster,
der Abschaffung der Christnachtsmessen, Prozessionen und Wetterscgen.

Die Wahrheit, die nur hier offen auszusprechen wagten, wird diesen Zeilen
manche Ungunst zuziehen, es ist aber endlich Zeit, daß man den Bethörten die
Binde von den Augen nehme. Eines der besten Mittel dazu liegt in einer Ge¬
schichte Tirols, welche diese Momente richtig auffaßt, und in einer allgemein ver¬
ständliche» Sprache dem Volke mittheilt. Ja, sammelt und forschet, prüfet und
sondert, aber nicht um zu berichte», wer euer Ah» und Urahn war, bei denen
man umsoirst nach weise» Thaten frägt, oder um tändelnde Neugier mit weibi¬
scher Schwatzhaftigkeit zu unterhalten, oder wohl gar euch selbst wohlgefällig im
Spiegel eurer Gelahrtheit zu belächeln, sondern um unsern Geist aufzurichten,' und
«us den Grund der Dinge zu zeigen, die uns Verderbe» brachten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/274>, abgerufen am 22.07.2024.