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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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tenter den alten lange entbehrten Freund. Ein freudiger Ausruf und wir
schüttelten uns herzlich die Hände. -- Ich kam dem guten Reinhold in eine
Welt von Trubel und Rumor hinein. In einer Stunde sollten die Gräfin
B. und die Baronesse A., beide mit ihren Töchtern und sonstigen Beglei¬
tern eintreffen, nur Nachmittag eine Parthie auf den höchsten Berg der Ge¬
gend, den Schaafberg, zu unternehmen. Zwei Gondeln mit flatternden
Fahnen und festlich gekleideter Mannschaft warteten schon am See, um die
Herrschaften in'S Schloß von Se. Wolfgang hinüber zu fahren. Bald kamen
sie in einer Reihe von Wagen von Ischl dahergebranst, wir empfingen sie
mit gebührender Devotion und reichten den ängstlichen Mädchen die Hand,
um über die schaukelnden Bretter in die Schiffe zu steigen. Es war schön
wie wir dahinflogen über den blauen Spiegel! Freudig lachte der Himmel
hernieder und die Bergesreihen, die den See umschließen, blickten so ernst
auf die glückliche Jugend. Im Schlosse harrte ein prächtiges Diner der
Gäste; sie waren allesammt dem Hausherrn unbekannt, aber die österreichische
Gastfreundschaft nimmt keinen Anstoß daran und bald ist alles heiter und
vertraut. Es wurde vier Uhr als wir junges Volt bereit waren, die Wan¬
derung den Schaafberg hinan anzutreten. Die jungen Damen, vier an der
Zahl, saßen zu Esel, und wir vier jungen Leute machten die escortirendcn
Ritter. Wohlan, die Hüte zum Ausbruch geschwungen, Jeder bleibt bei der
Schonen, die er sich gewählt! Der Hofmeister und die Gouvernante, die
Ehren halber mitlaufen müssen, sollen sich untereinander die Cour machen!
Der Schaafberg ist der Rigi vou Oberösterreich. Mau hat von seiner Kuppe
aus eine Aussicht auf elf Seen, auf ein weites, herrliches Laud, aus eiuen
Kranz mächtiger Gebirge, bis zu den fernen schneebedeckten Alpen Tyrol's.
Fast täglich ziehen Caravanen von Wanderern diesen Berg hinan, übernach¬
ten in dem Koppenhanse und genießen das prachtvolle Schauspiel des Son¬
nenaufgangs. Leider sind die in der Gegend so häusigen Morgennebel schuld,
daß die Parthie oft fehlschlägt. -- Wir nnserstheilö waren zu spät aufge¬
brochen. Als wir aus dem ersten Plateau anlangten, dunkelte es bereits
und das Noth ans den Gebirgsspitzcn begann zu verbleichen. In den Seen
zu unseren Füßen schwamm es noch wie dunkles Feuer, aber es erlosch bald.
Vom ersten Plateau, wo die Sennhütten stehen, ist's noch weit bis zum
Gipfel und seinein Koppeuhause. Bald war es dunkler Abend und wir
irrten noch fast pfadlos im Steingerölle umher. Die Damen hatten ihre
Thiere verlassen müssen, sie waren todtmüde und konnten nicht weiter. Nach
je zehn Schritten sanken sie nieder und erklärten, daß sie sich hier auf den
Felsblöcken niederlegen und sterben wollten. Indessen zog der Nebel immer


tenter den alten lange entbehrten Freund. Ein freudiger Ausruf und wir
schüttelten uns herzlich die Hände. — Ich kam dem guten Reinhold in eine
Welt von Trubel und Rumor hinein. In einer Stunde sollten die Gräfin
B. und die Baronesse A., beide mit ihren Töchtern und sonstigen Beglei¬
tern eintreffen, nur Nachmittag eine Parthie auf den höchsten Berg der Ge¬
gend, den Schaafberg, zu unternehmen. Zwei Gondeln mit flatternden
Fahnen und festlich gekleideter Mannschaft warteten schon am See, um die
Herrschaften in'S Schloß von Se. Wolfgang hinüber zu fahren. Bald kamen
sie in einer Reihe von Wagen von Ischl dahergebranst, wir empfingen sie
mit gebührender Devotion und reichten den ängstlichen Mädchen die Hand,
um über die schaukelnden Bretter in die Schiffe zu steigen. Es war schön
wie wir dahinflogen über den blauen Spiegel! Freudig lachte der Himmel
hernieder und die Bergesreihen, die den See umschließen, blickten so ernst
auf die glückliche Jugend. Im Schlosse harrte ein prächtiges Diner der
Gäste; sie waren allesammt dem Hausherrn unbekannt, aber die österreichische
Gastfreundschaft nimmt keinen Anstoß daran und bald ist alles heiter und
vertraut. Es wurde vier Uhr als wir junges Volt bereit waren, die Wan¬
derung den Schaafberg hinan anzutreten. Die jungen Damen, vier an der
Zahl, saßen zu Esel, und wir vier jungen Leute machten die escortirendcn
Ritter. Wohlan, die Hüte zum Ausbruch geschwungen, Jeder bleibt bei der
Schonen, die er sich gewählt! Der Hofmeister und die Gouvernante, die
Ehren halber mitlaufen müssen, sollen sich untereinander die Cour machen!
Der Schaafberg ist der Rigi vou Oberösterreich. Mau hat von seiner Kuppe
aus eine Aussicht auf elf Seen, auf ein weites, herrliches Laud, aus eiuen
Kranz mächtiger Gebirge, bis zu den fernen schneebedeckten Alpen Tyrol's.
Fast täglich ziehen Caravanen von Wanderern diesen Berg hinan, übernach¬
ten in dem Koppenhanse und genießen das prachtvolle Schauspiel des Son¬
nenaufgangs. Leider sind die in der Gegend so häusigen Morgennebel schuld,
daß die Parthie oft fehlschlägt. — Wir nnserstheilö waren zu spät aufge¬
brochen. Als wir aus dem ersten Plateau anlangten, dunkelte es bereits
und das Noth ans den Gebirgsspitzcn begann zu verbleichen. In den Seen
zu unseren Füßen schwamm es noch wie dunkles Feuer, aber es erlosch bald.
Vom ersten Plateau, wo die Sennhütten stehen, ist's noch weit bis zum
Gipfel und seinein Koppeuhause. Bald war es dunkler Abend und wir
irrten noch fast pfadlos im Steingerölle umher. Die Damen hatten ihre
Thiere verlassen müssen, sie waren todtmüde und konnten nicht weiter. Nach
je zehn Schritten sanken sie nieder und erklärten, daß sie sich hier auf den
Felsblöcken niederlegen und sterben wollten. Indessen zog der Nebel immer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/200>, abgerufen am 03.07.2024.