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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Hauses überantwortet, alle Baien sofort aus Staatsdienste" entfernt und
endlich die Vertreter der Nation zu einem Congreß einberufen werden."

Oberst Dimitrios Kallergis -- ein Mann von geschichtlich anerkannter
Unerschrockenheit vor dem Feinde, gefällig in äußerer Sitte, verschwenderisch
im Umgange mit seinen Freunden und von aufopfernder Vaterlandsliebe er¬
füllt -- hatte die ihm von den Verschwornen am September 1843 zu¬
getheilte Rolle, als improvisirter Befehlshaber der eine "Konstitution" ver¬
langenden Heeres abthMmgen zu Athen, unter Beistand der Obersten Scara-
vcllis und Sphros Milios glücklich durchgeführt und war keinesweges gemü¬
ßigt, von der vortheilhaften Stellung zurückzutreten, in welche sein Wagniß
an jenem Tage, die Gunst des Augenblicks und sein gewandtes Betragen
nach der bedeutungsvollen Katastrophe ihn bei König und Volk gesetzt hat¬
ten. Seiner Energie sich bewußt hielt er, später zum Generalgouvemeur
der Residenz ernannt auf innere Ruhe und Ordnung, schützte einschreitend
gegen Parteiumtriebe die königliche Gewalt, wahrte die Unverletzlichkeit der
zur Berathung einer freisinnigen Verfassung in einen Nationalcongrcß ver¬
sammelten Volksvertreter <M. November 184:; bis :w. März 1844), und
nahm sich mit Hochherzigkeit selbst Derjenigen an, welche, obschon durch
langjährige Dienstzeit in Griechenland nativnalisirt, dennoch als Aus¬
länder von Geburt, in Folge der Ordonnanzen vom September, aus
griechischen Staatsdiensten schieden und dabei mit mancherlei Ungesetzlich¬
keiten zu kämpfen hatten. Sein bei diesen Anlässen so entschieden lobens-
werthes Benehmen wurde von seinem Souverain durch Beförderung zum
Generalmajor und Ernennung zum königlichem Generaladjntanten, sowie vom
Ausland durch ehrenvolle Zuschriften und namentlich vom König Ludwig
Philipp dnrch Verleihung des Commandeurkreuzcs der Ehrenlegion würdig
anerkannt. Der Sturz des Ministeriums Mavrokordatos (18. August 1844)
hatte zur unmittelbaren Folge, daß auch Kallergis von seinen bisherigen
Functionen in Athen zurücktrat, und, auf eine neue ihm angebotene, jedoch
ungleich beschränktere Verwendung im Poloponncs verzichtend, sich zu frei¬
willigem Exil ins Ausland und zwar erst nach Corfu, später nach England
begab, wo er überall mit der seinem Namen und Verdiensten gebührenden
Anerkennung auf das zuvorkommendste aufgenommen wurde.

Finanzielle Verlegenheiten waren es jedoch nicht allein, gegen welche
die griechische Regierung während der letzten zehn Jahre anzukämpfen hatte.
Das der Nation inwohnende kriegerische Element, welches so wesentlich
zur Losreißung von türkischer Herrschaft, zur Schaffung des neuen Staates
so mächtig beigetragen hatte, vermochte sobald noch nicht sich zu beruhigen;


Hauses überantwortet, alle Baien sofort aus Staatsdienste» entfernt und
endlich die Vertreter der Nation zu einem Congreß einberufen werden."

Oberst Dimitrios Kallergis — ein Mann von geschichtlich anerkannter
Unerschrockenheit vor dem Feinde, gefällig in äußerer Sitte, verschwenderisch
im Umgange mit seinen Freunden und von aufopfernder Vaterlandsliebe er¬
füllt — hatte die ihm von den Verschwornen am September 1843 zu¬
getheilte Rolle, als improvisirter Befehlshaber der eine „Konstitution" ver¬
langenden Heeres abthMmgen zu Athen, unter Beistand der Obersten Scara-
vcllis und Sphros Milios glücklich durchgeführt und war keinesweges gemü¬
ßigt, von der vortheilhaften Stellung zurückzutreten, in welche sein Wagniß
an jenem Tage, die Gunst des Augenblicks und sein gewandtes Betragen
nach der bedeutungsvollen Katastrophe ihn bei König und Volk gesetzt hat¬
ten. Seiner Energie sich bewußt hielt er, später zum Generalgouvemeur
der Residenz ernannt auf innere Ruhe und Ordnung, schützte einschreitend
gegen Parteiumtriebe die königliche Gewalt, wahrte die Unverletzlichkeit der
zur Berathung einer freisinnigen Verfassung in einen Nationalcongrcß ver¬
sammelten Volksvertreter <M. November 184:; bis :w. März 1844), und
nahm sich mit Hochherzigkeit selbst Derjenigen an, welche, obschon durch
langjährige Dienstzeit in Griechenland nativnalisirt, dennoch als Aus¬
länder von Geburt, in Folge der Ordonnanzen vom September, aus
griechischen Staatsdiensten schieden und dabei mit mancherlei Ungesetzlich¬
keiten zu kämpfen hatten. Sein bei diesen Anlässen so entschieden lobens-
werthes Benehmen wurde von seinem Souverain durch Beförderung zum
Generalmajor und Ernennung zum königlichem Generaladjntanten, sowie vom
Ausland durch ehrenvolle Zuschriften und namentlich vom König Ludwig
Philipp dnrch Verleihung des Commandeurkreuzcs der Ehrenlegion würdig
anerkannt. Der Sturz des Ministeriums Mavrokordatos (18. August 1844)
hatte zur unmittelbaren Folge, daß auch Kallergis von seinen bisherigen
Functionen in Athen zurücktrat, und, auf eine neue ihm angebotene, jedoch
ungleich beschränktere Verwendung im Poloponncs verzichtend, sich zu frei¬
willigem Exil ins Ausland und zwar erst nach Corfu, später nach England
begab, wo er überall mit der seinem Namen und Verdiensten gebührenden
Anerkennung auf das zuvorkommendste aufgenommen wurde.

Finanzielle Verlegenheiten waren es jedoch nicht allein, gegen welche
die griechische Regierung während der letzten zehn Jahre anzukämpfen hatte.
Das der Nation inwohnende kriegerische Element, welches so wesentlich
zur Losreißung von türkischer Herrschaft, zur Schaffung des neuen Staates
so mächtig beigetragen hatte, vermochte sobald noch nicht sich zu beruhigen;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/161>, abgerufen am 22.07.2024.