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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Griechenland, die Schutzmächte und die Türkei

Was den Diplomaten Europa's in der Neuzeit zur unbestreitbaren
Wahrheit sich aufgedrängt hat -- der Zustand des immer mehr dem Ein-
sturz drohenden ottomanischen Staatsgebäudes -- das hatte der scharfsichtige
Anssassungsgeist der neueren Hellenen, durch deu Augenschein überzeugt,
schon längst erkannt. Die früheren Versuche Griechenlands (1770 -- 7" und
1702--08), das unverdiente Sclavenjoch abzuschütteln, mißlangen zwar we¬
gen nicht kräftiger Unterstützung von außen her, eben so wurde Napoleon's
Nieseuplau (181.0--11) deu gesammten Orient, also auch die Heimat der
Hellenen, von türkischer Botmäßigkeit zu befreien, durch deu Ausbruch des
ihm verderbliche" Krieges gegen Rußland vereitelt: allein die Manen der
200,000 nach dem Frieden von Kutschuk Kainardschi (1774) als Opfer mu-
selmännischer Rache gemordeten Pelopvnnesier und des edlen Rhigas Mar-
tyrthum (Mai 1708) riefen das begeisterte, durch Sprache und Religion
trotz Jahre langen Druckes stets eng verbunden gebliebene Volk zur blutigen
Sühne abermals unter die Waffen, und, von den thätigen Führern der zu
Wien (1814) gestifteten Hetärie geleitet, brach im Jahr 1821 zuerst (Fe¬
bruar) in der Wallachei, später (März) im Peloponues, auf dem Festlande
und auf den Inseln des Archipelagus der Befreiungskampf aus. Der
Hülferuf der um ihr väterliches Erbtheil verzweiflungsvoll kämpfenden Hel¬
lenen durchdrang die ganze civilisirte Welt, mit lebendiger Theilnahme wurde
dieses Zeichen von Griechenlands politischer Wiedergeburt begrüßt und kräf¬
tige Unterstützung wurde ihm von den Völkern zu Theil, obschon gleichzeitig
mehre europäische Cabiucte die Mißbilligung dieses Unternehmens unverholen
zu erkennen gaben.

Die Seiten des (III.) Nativnalcongresses zu Trözene beschlossene Wahl
(-/" April 1827) des Grafen Johann Capodistrias zum Statthalter und
Präsidenten der provisorischen Staatsregierung Griechenlands, die Seeschlacht


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Griechenland, die Schutzmächte und die Türkei

Was den Diplomaten Europa's in der Neuzeit zur unbestreitbaren
Wahrheit sich aufgedrängt hat — der Zustand des immer mehr dem Ein-
sturz drohenden ottomanischen Staatsgebäudes — das hatte der scharfsichtige
Anssassungsgeist der neueren Hellenen, durch deu Augenschein überzeugt,
schon längst erkannt. Die früheren Versuche Griechenlands (1770 — 7» und
1702—08), das unverdiente Sclavenjoch abzuschütteln, mißlangen zwar we¬
gen nicht kräftiger Unterstützung von außen her, eben so wurde Napoleon's
Nieseuplau (181.0—11) deu gesammten Orient, also auch die Heimat der
Hellenen, von türkischer Botmäßigkeit zu befreien, durch deu Ausbruch des
ihm verderbliche» Krieges gegen Rußland vereitelt: allein die Manen der
200,000 nach dem Frieden von Kutschuk Kainardschi (1774) als Opfer mu-
selmännischer Rache gemordeten Pelopvnnesier und des edlen Rhigas Mar-
tyrthum (Mai 1708) riefen das begeisterte, durch Sprache und Religion
trotz Jahre langen Druckes stets eng verbunden gebliebene Volk zur blutigen
Sühne abermals unter die Waffen, und, von den thätigen Führern der zu
Wien (1814) gestifteten Hetärie geleitet, brach im Jahr 1821 zuerst (Fe¬
bruar) in der Wallachei, später (März) im Peloponues, auf dem Festlande
und auf den Inseln des Archipelagus der Befreiungskampf aus. Der
Hülferuf der um ihr väterliches Erbtheil verzweiflungsvoll kämpfenden Hel¬
lenen durchdrang die ganze civilisirte Welt, mit lebendiger Theilnahme wurde
dieses Zeichen von Griechenlands politischer Wiedergeburt begrüßt und kräf¬
tige Unterstützung wurde ihm von den Völkern zu Theil, obschon gleichzeitig
mehre europäische Cabiucte die Mißbilligung dieses Unternehmens unverholen
zu erkennen gaben.

Die Seiten des (III.) Nativnalcongresses zu Trözene beschlossene Wahl
(-/» April 1827) des Grafen Johann Capodistrias zum Statthalter und
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[0157] Griechenland, die Schutzmächte und die Türkei Was den Diplomaten Europa's in der Neuzeit zur unbestreitbaren Wahrheit sich aufgedrängt hat — der Zustand des immer mehr dem Ein- sturz drohenden ottomanischen Staatsgebäudes — das hatte der scharfsichtige Anssassungsgeist der neueren Hellenen, durch deu Augenschein überzeugt, schon längst erkannt. Die früheren Versuche Griechenlands (1770 — 7» und 1702—08), das unverdiente Sclavenjoch abzuschütteln, mißlangen zwar we¬ gen nicht kräftiger Unterstützung von außen her, eben so wurde Napoleon's Nieseuplau (181.0—11) deu gesammten Orient, also auch die Heimat der Hellenen, von türkischer Botmäßigkeit zu befreien, durch deu Ausbruch des ihm verderbliche» Krieges gegen Rußland vereitelt: allein die Manen der 200,000 nach dem Frieden von Kutschuk Kainardschi (1774) als Opfer mu- selmännischer Rache gemordeten Pelopvnnesier und des edlen Rhigas Mar- tyrthum (Mai 1708) riefen das begeisterte, durch Sprache und Religion trotz Jahre langen Druckes stets eng verbunden gebliebene Volk zur blutigen Sühne abermals unter die Waffen, und, von den thätigen Führern der zu Wien (1814) gestifteten Hetärie geleitet, brach im Jahr 1821 zuerst (Fe¬ bruar) in der Wallachei, später (März) im Peloponues, auf dem Festlande und auf den Inseln des Archipelagus der Befreiungskampf aus. Der Hülferuf der um ihr väterliches Erbtheil verzweiflungsvoll kämpfenden Hel¬ lenen durchdrang die ganze civilisirte Welt, mit lebendiger Theilnahme wurde dieses Zeichen von Griechenlands politischer Wiedergeburt begrüßt und kräf¬ tige Unterstützung wurde ihm von den Völkern zu Theil, obschon gleichzeitig mehre europäische Cabiucte die Mißbilligung dieses Unternehmens unverholen zu erkennen gaben. Die Seiten des (III.) Nativnalcongresses zu Trözene beschlossene Wahl (-/» April 1827) des Grafen Johann Capodistrias zum Statthalter und Präsidenten der provisorischen Staatsregierung Griechenlands, die Seeschlacht Gxmzbott». l«. l««7. Z(>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/157>, abgerufen am 23.07.2024.