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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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desselben. Das selbWMg gewordene Volk ringt nach einem Organ, nach einer
Arena, in welcher es vereint mit seinem Fürsten sein Ziel erstreben kann. Soll
die lebensvolle Einheit zwischen Fürst und Volk wieder hergestellt werden, so dür¬
fen in dem Bau der ständischen Verfassung keine dem heutigen Rechtsbewußtsein
des Volks widersprechende Lücken bleiben.

Das Fundament des vereinigten Landtags ist aber ein durchaus schwanken¬
des, ein gänzlich unsicheres, so lange die periodische Berufung nicht dnrch das Ge¬
setz sest und bestimmt, ganz frei von allein Belieben, Vorgesehen ist. Es muß
die höchste Aufgabe der Staatsmänner Preußens sein, Misttrauen und Schwanken
aus unsern staatsrechtlichen Institutionen zu entfernen, damit ein gesicherter Rechts¬
zustand herbeigeführt werde, damit das Streben aller Parteien sich innerhalb
gesetzlicher Schranken zum Heil des Staates frei entwickeln könne. Ein fester
Rechtszustand kann nnr herbeigeführt werden, wenn die gerechten Forderungen
anerkannt werden, die in dem verbrieften Rechte, wie in dem Bedürfnisse des Lan¬
des, aufs Tiefste begründet sind. ..."

Nach dieser glänzenden Rede trat allgemeine Abspannung ein, und die De¬
batte mußte, da die Majorität der Versammlung sich sür die Fortsetzung dersel¬
ben entschied, da selbst Arnim darauf antrug, auf den folgenden Tag vertagt
werden.

Machen wir uns nun mit der Stellung der Versammlung klar.

Da dem Vinck'schen Antrag keine Folge gegeben war, so blieben nur zwei
Propositionen übrig: das Amendement Arnims und der Adreßentwurf.

Beide waren darin einig, mit dem Dank für die Einberufung der Stände,
Bedenken über die Fassung des Gesetzes zu verbinden.

Beide vermieden es, eine Eventualität aufzustellen, sich über das Verhalten
der Stände im Fall einer abschlägigen Antwort auszusprechen. Beide stell¬
ten es also dem König anheim, auf die Adresse Rücksicht zu neh¬
men oder nicht.

Dennoch fand ein wesentlicher Unterschied statt.

Der Adreßentwurf stellte Rechtsansprüche sest und legte, wenn auch in ehr¬
furchtsvoller Form, Verwahrung ein und das Amendement gab den Ständen
das Ansehn von Schülern, die ihrem Lehrer schmeicheln, um ihn zu überlisten.
Es war zu erwarten, daß die conservative oder reactionäre Partei, die Partei
der Trägheit, wenn es eine solche innerhalb der Versammlung gab, einmüthig dem
Amendement beitreten würde, das die Sache in "usnvnsn ließ und die Wieder
aufnähme des Kampfes unwahrscheinlich machte; das übrigens breit genug ange¬
legt war, um jeder beliebige" Deutung Raum zu lassen.

Andererseits hätte man von dem Adreßentwurf zwar wünschen mögen , daß
er in manchen Punkten bestimmter abgefaßt worden wäre. Aber es wäre nicht
rathsam gewesen, ihm eine schärfere Fassung gegenüberzustellen, denn dadurch wäre
die liberale Opposition gespalten, der sichere Haltpunkt genommen, die Verwirrung
gesteigert. Es war die Rede von einer solchen schärferen Fassung; es wurde ein
Entwurf gemacht; es fanden sich Deputirte ihn zu unterstützen; aber von vorn¬
herein mit dem Vorgefühl der Unsicherheit und des Mißlingens.

Außerdem vergesse man nicht, daß der Adreßentwurf im Laufe der Debatte


desselben. Das selbWMg gewordene Volk ringt nach einem Organ, nach einer
Arena, in welcher es vereint mit seinem Fürsten sein Ziel erstreben kann. Soll
die lebensvolle Einheit zwischen Fürst und Volk wieder hergestellt werden, so dür¬
fen in dem Bau der ständischen Verfassung keine dem heutigen Rechtsbewußtsein
des Volks widersprechende Lücken bleiben.

Das Fundament des vereinigten Landtags ist aber ein durchaus schwanken¬
des, ein gänzlich unsicheres, so lange die periodische Berufung nicht dnrch das Ge¬
setz sest und bestimmt, ganz frei von allein Belieben, Vorgesehen ist. Es muß
die höchste Aufgabe der Staatsmänner Preußens sein, Misttrauen und Schwanken
aus unsern staatsrechtlichen Institutionen zu entfernen, damit ein gesicherter Rechts¬
zustand herbeigeführt werde, damit das Streben aller Parteien sich innerhalb
gesetzlicher Schranken zum Heil des Staates frei entwickeln könne. Ein fester
Rechtszustand kann nnr herbeigeführt werden, wenn die gerechten Forderungen
anerkannt werden, die in dem verbrieften Rechte, wie in dem Bedürfnisse des Lan¬
des, aufs Tiefste begründet sind. ..."

Nach dieser glänzenden Rede trat allgemeine Abspannung ein, und die De¬
batte mußte, da die Majorität der Versammlung sich sür die Fortsetzung dersel¬
ben entschied, da selbst Arnim darauf antrug, auf den folgenden Tag vertagt
werden.

Machen wir uns nun mit der Stellung der Versammlung klar.

Da dem Vinck'schen Antrag keine Folge gegeben war, so blieben nur zwei
Propositionen übrig: das Amendement Arnims und der Adreßentwurf.

Beide waren darin einig, mit dem Dank für die Einberufung der Stände,
Bedenken über die Fassung des Gesetzes zu verbinden.

Beide vermieden es, eine Eventualität aufzustellen, sich über das Verhalten
der Stände im Fall einer abschlägigen Antwort auszusprechen. Beide stell¬
ten es also dem König anheim, auf die Adresse Rücksicht zu neh¬
men oder nicht.

Dennoch fand ein wesentlicher Unterschied statt.

Der Adreßentwurf stellte Rechtsansprüche sest und legte, wenn auch in ehr¬
furchtsvoller Form, Verwahrung ein und das Amendement gab den Ständen
das Ansehn von Schülern, die ihrem Lehrer schmeicheln, um ihn zu überlisten.
Es war zu erwarten, daß die conservative oder reactionäre Partei, die Partei
der Trägheit, wenn es eine solche innerhalb der Versammlung gab, einmüthig dem
Amendement beitreten würde, das die Sache in «usnvnsn ließ und die Wieder
aufnähme des Kampfes unwahrscheinlich machte; das übrigens breit genug ange¬
legt war, um jeder beliebige» Deutung Raum zu lassen.

Andererseits hätte man von dem Adreßentwurf zwar wünschen mögen , daß
er in manchen Punkten bestimmter abgefaßt worden wäre. Aber es wäre nicht
rathsam gewesen, ihm eine schärfere Fassung gegenüberzustellen, denn dadurch wäre
die liberale Opposition gespalten, der sichere Haltpunkt genommen, die Verwirrung
gesteigert. Es war die Rede von einer solchen schärferen Fassung; es wurde ein
Entwurf gemacht; es fanden sich Deputirte ihn zu unterstützen; aber von vorn¬
herein mit dem Vorgefühl der Unsicherheit und des Mißlingens.

Außerdem vergesse man nicht, daß der Adreßentwurf im Laufe der Debatte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/152>, abgerufen am 22.07.2024.