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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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wieder vergessen; der Magister wird's übrigens wohl behalten haben und
gehörigen Orts einhelfen können."

Der Magister schwitzte Blut; denn der Major sprach nicht seine varri-
nische Rede, sondern aus dem Stegreif. "Herr Major," flehte er mit ge¬
fallenen Händen, "ich bitte --" -- "Nichts, Subordination, Hauptmann
Zimpler," fuhr der Major fort -- "ja, das Dritte fällt mir jetzt ein, das
geht die Fahne an, und darnach zerlegen wir die ganze Geschichte in drei
Theile: der erste Theil besteht ans den Uniformen, der zweite aus'dem Erb¬
prinzen, und der dritte aus der Fahne. Das wollt' ich nur vortragen, das
übrige ist Nebensache und soll der Hauptmann auseinandersetzen, weil mich
das Sprechen zu sehr angreift, und es dein Magister leichter wird, der die
ganze Affaire, ordentlich zu Hause auf's Papier gebracht hat." --

Der Magister zitterte an allen Gliedern. "Aber, Herr Major," seufzte
er, "so war's ja gar nicht verabredet; ich habe in meinem Leben noch nicht
.öffentlich ohne Concept differirt und erinnere mich in diesem Augenblicke an
gar nichts." -- "Subordination!" sagte Herr Wangeut'ern. -- "Dummes
Zeug, Kamerad!" donnerte Herr Roberstein, mit seinen Händen auf den
Tisch schlagend. "Ihr sollt reden!"

Der arme Magister fuhr bei dem heftigen Gestus seines Kameraden
erschreckt zusammen, richtete einen verzweiflungsvollen, kläglichen Bu.et auf
den Ungeberdigen hinüber, wischte sich den Schweiß von der Stirn und
begann:

"Also ack 1. Die Uniformen. Der Herr Major und der Herr Haupt¬
mann Roberstein sind schon so gütig, eine dergleichen zu und gegenwärtig
anzuhaben. Die alten Deutschen lebten, nach Tacitus, sehr einfach. Von
den Thieren, die sie erlegten, welches wohl meistens Auerochsen waren, nah¬
men sie die Hörner zu Bechern und die Felle zur Kleidung, welches jedoch
unserm fortgeschrittenen Zeitgeiste nicht mehr so recht couveuiren will. So
geht es aber den Menschen immer; cupiäitas aus>iäitutum mal er; unser
Stammvater war mit einem Feigenschnrz zufrieden, wir heutzutage können
ohne Uniformen nicht existiren. Doch braucht uns das nicht zu kümmern.
Die Philosophen sind darüber einig, daß der Mensch, je mehr Bedürfnisse
er hat, desto freier ist. Und was die Freiheit besagen will, das wißt Ihr,
Kameraden, und wenn Jhr's nicht wißt, müßt Ihr die Hände- und Spe-
ner'sche Zeitung, die-Kölner Zeitung und zuweilen die Mannheimer Zeitung
lese". -- Doch muß ich mir eigentlich selbst zurufen: <t>w"8.iue i-unten!
Mit den Uniformen verhält es sich so: Der Tuchhändler, Herr Saalfließ,
unser erster Lieutenant -- er machte demselben eine Reverenz, die tief und


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wieder vergessen; der Magister wird's übrigens wohl behalten haben und
gehörigen Orts einhelfen können."

Der Magister schwitzte Blut; denn der Major sprach nicht seine varri-
nische Rede, sondern aus dem Stegreif. „Herr Major," flehte er mit ge¬
fallenen Händen, „ich bitte —" — „Nichts, Subordination, Hauptmann
Zimpler," fuhr der Major fort — „ja, das Dritte fällt mir jetzt ein, das
geht die Fahne an, und darnach zerlegen wir die ganze Geschichte in drei
Theile: der erste Theil besteht ans den Uniformen, der zweite aus'dem Erb¬
prinzen, und der dritte aus der Fahne. Das wollt' ich nur vortragen, das
übrige ist Nebensache und soll der Hauptmann auseinandersetzen, weil mich
das Sprechen zu sehr angreift, und es dein Magister leichter wird, der die
ganze Affaire, ordentlich zu Hause auf's Papier gebracht hat." —

Der Magister zitterte an allen Gliedern. „Aber, Herr Major," seufzte
er, „so war's ja gar nicht verabredet; ich habe in meinem Leben noch nicht
.öffentlich ohne Concept differirt und erinnere mich in diesem Augenblicke an
gar nichts." — „Subordination!" sagte Herr Wangeut'ern. — „Dummes
Zeug, Kamerad!" donnerte Herr Roberstein, mit seinen Händen auf den
Tisch schlagend. „Ihr sollt reden!"

Der arme Magister fuhr bei dem heftigen Gestus seines Kameraden
erschreckt zusammen, richtete einen verzweiflungsvollen, kläglichen Bu.et auf
den Ungeberdigen hinüber, wischte sich den Schweiß von der Stirn und
begann:

„Also ack 1. Die Uniformen. Der Herr Major und der Herr Haupt¬
mann Roberstein sind schon so gütig, eine dergleichen zu und gegenwärtig
anzuhaben. Die alten Deutschen lebten, nach Tacitus, sehr einfach. Von
den Thieren, die sie erlegten, welches wohl meistens Auerochsen waren, nah¬
men sie die Hörner zu Bechern und die Felle zur Kleidung, welches jedoch
unserm fortgeschrittenen Zeitgeiste nicht mehr so recht couveuiren will. So
geht es aber den Menschen immer; cupiäitas aus>iäitutum mal er; unser
Stammvater war mit einem Feigenschnrz zufrieden, wir heutzutage können
ohne Uniformen nicht existiren. Doch braucht uns das nicht zu kümmern.
Die Philosophen sind darüber einig, daß der Mensch, je mehr Bedürfnisse
er hat, desto freier ist. Und was die Freiheit besagen will, das wißt Ihr,
Kameraden, und wenn Jhr's nicht wißt, müßt Ihr die Hände- und Spe-
ner'sche Zeitung, die-Kölner Zeitung und zuweilen die Mannheimer Zeitung
lese». — Doch muß ich mir eigentlich selbst zurufen: <t>w»8.iue i-unten!
Mit den Uniformen verhält es sich so: Der Tuchhändler, Herr Saalfließ,
unser erster Lieutenant — er machte demselben eine Reverenz, die tief und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/111>, abgerufen am 01.10.2024.