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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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verdiente. Der Fürst von Taxis betreibt das Postwesen in Würtemberg nur wie eine
Sache die möglichst viel Geld einbringen soll, unbekümmert sonst um den Vortheil des
Publikums. Daher die hohen Preise für Brief-, Geld- und Personenbeförderung, die
vielfache Rücksichtslosigkeit, unter welcher Alle zu leiden haben, die mit der Post in ir¬
gend eine Berührung kommen. Möchte doch der deutsche Pvstcongrcst, aus dem alle
Blicke verlangend sich richten, hierin nicht allein sür Würtemberg, soudern auch sür ganz
Deutschland eine Aenderung herbeiführen.

Im Theater fanden mehrere Gallavorstellungcn bei schlich beleuchtetem Hause in
letzter Zeit statt, zu der einen, am Geburtstage des Königs, hatte man den "Freischütz",
zu der anderen, bei der Anwesenheit des Großfürst-Thronfolgers von Rußland, der
übrigens trotz aller Freigebigkeit im Volke einen nichts weniger als angenehmen Ein¬
druck hervorbrachte, den "Prätendenten" von Kücken gewählt. Beide Vorstellungen
gingen bei der Trefflichkeit des hiesigen Opcrnpersonals sehr gelungen von Statten. Von
den in letzter Zeit neu engagirten Mitgliedern gefallen der Komiker Mcixner a"S
Leipzig und die Soubrette Mad. Gottermann am meisten, die Liebhaberin Frl. Bröge
aus Karlsruhe mit vollem Rechte aber am wenigsten.


in
Ans Lemberg.

(Verspätet.)


Kaiserlicher Erlasi an die Offiziere. -- Der Verfasser des Tagebuch" ans Galizien. -- El" glücklicher
Schuster. -- Literatur. -- Die Universität. -- Musikverein. -- Liedertafel.

Die Wallfahrten zum Schinderbergc haben ihr Ende genommen und wenn die Blnt-
urtheile auch noch nicht vergessen, so sind sie doch dnrch die energischen Reformen des neuen
LandeschcfS, die selbst von Stockpolen anerkannt werden-, in den Hintergrund gedrängt
worden. Aus zuverlässiger Quelle kann ich Ihnen die Essenz eines Militair- Befehls,
der an die Offiziere der Provinz Galizien erlassen worden, mittheilen. Da sehr häufig
Fälle vorgekommen, daß diese jungen Offiziere sich verletzender Reden gegen die Einhei¬
mischen erlaubten und dadurch uicht selten Anlaß zu Reibungen und heftigen Auftrit¬
ten gegeben haben, haben Se. Majestät auf das strengste den Offizieren aller Waffen¬
gattungen aufgetragen, sich aller aufreizenden Reden und die Ehre der Nation beleidi¬
gender Ausdrucke zu enthalten, weil die k. k. Armee mir dann im allerhöchsten Sinne
handelt, wenn sie durch ein würdevolles Benehmen und dnrch Achtung die ihr von
der Negierung aufrecht erhaltenen Nationalitäten, den bindenden Geist der Einheit that¬
sächlich zu machen bemüht ist. Der Verfasser des "Tagebuchs," dieses ominösen Bu¬
ches, das so viele Augriffe erlitten, ist zum dritten Bataillon nach Klosterneuburg über¬
setzt worden, dort kann er auf seinen Lorbeeren ausruhen. Nicht bald hat ein Buch
solchen Unwillen erweckt als dieses. Den Polenhasscrn war es natürlich ein willkom¬
mener verketzerter Skandal. Am Besten kam bei dieser Geschichte der darin erwähnte
Tarnower Schuster " * * davon, der nur in die Mode gekommen, so sehr, daß sich so¬
gar Lemberger Herren und Damen von ihm die Schuhe arbeiten lassen; bei der Taufe
seines jüngsten Kindes stand der Tarnower Adel zu Gevatter, wobei es natürlich an
reichen Geschenken nicht fehlte. Sämmtliche Entgegnungen des Verfassers des "Tage¬
buchs" bewegten sich nnr in Gemeinplätzen, keine aber von allen hat etwas widerlegt,
am allerwenigsten aber die letzte, die'über den wichtigsten Einwurf von Ostrowski so mir
nichts, dir nichts, himvegsvnngt.


verdiente. Der Fürst von Taxis betreibt das Postwesen in Würtemberg nur wie eine
Sache die möglichst viel Geld einbringen soll, unbekümmert sonst um den Vortheil des
Publikums. Daher die hohen Preise für Brief-, Geld- und Personenbeförderung, die
vielfache Rücksichtslosigkeit, unter welcher Alle zu leiden haben, die mit der Post in ir¬
gend eine Berührung kommen. Möchte doch der deutsche Pvstcongrcst, aus dem alle
Blicke verlangend sich richten, hierin nicht allein sür Würtemberg, soudern auch sür ganz
Deutschland eine Aenderung herbeiführen.

Im Theater fanden mehrere Gallavorstellungcn bei schlich beleuchtetem Hause in
letzter Zeit statt, zu der einen, am Geburtstage des Königs, hatte man den „Freischütz",
zu der anderen, bei der Anwesenheit des Großfürst-Thronfolgers von Rußland, der
übrigens trotz aller Freigebigkeit im Volke einen nichts weniger als angenehmen Ein¬
druck hervorbrachte, den „Prätendenten" von Kücken gewählt. Beide Vorstellungen
gingen bei der Trefflichkeit des hiesigen Opcrnpersonals sehr gelungen von Statten. Von
den in letzter Zeit neu engagirten Mitgliedern gefallen der Komiker Mcixner a»S
Leipzig und die Soubrette Mad. Gottermann am meisten, die Liebhaberin Frl. Bröge
aus Karlsruhe mit vollem Rechte aber am wenigsten.


in
Ans Lemberg.

(Verspätet.)


Kaiserlicher Erlasi an die Offiziere. — Der Verfasser des Tagebuch» ans Galizien. — El» glücklicher
Schuster. — Literatur. — Die Universität. — Musikverein. — Liedertafel.

Die Wallfahrten zum Schinderbergc haben ihr Ende genommen und wenn die Blnt-
urtheile auch noch nicht vergessen, so sind sie doch dnrch die energischen Reformen des neuen
LandeschcfS, die selbst von Stockpolen anerkannt werden-, in den Hintergrund gedrängt
worden. Aus zuverlässiger Quelle kann ich Ihnen die Essenz eines Militair- Befehls,
der an die Offiziere der Provinz Galizien erlassen worden, mittheilen. Da sehr häufig
Fälle vorgekommen, daß diese jungen Offiziere sich verletzender Reden gegen die Einhei¬
mischen erlaubten und dadurch uicht selten Anlaß zu Reibungen und heftigen Auftrit¬
ten gegeben haben, haben Se. Majestät auf das strengste den Offizieren aller Waffen¬
gattungen aufgetragen, sich aller aufreizenden Reden und die Ehre der Nation beleidi¬
gender Ausdrucke zu enthalten, weil die k. k. Armee mir dann im allerhöchsten Sinne
handelt, wenn sie durch ein würdevolles Benehmen und dnrch Achtung die ihr von
der Negierung aufrecht erhaltenen Nationalitäten, den bindenden Geist der Einheit that¬
sächlich zu machen bemüht ist. Der Verfasser des „Tagebuchs," dieses ominösen Bu¬
ches, das so viele Augriffe erlitten, ist zum dritten Bataillon nach Klosterneuburg über¬
setzt worden, dort kann er auf seinen Lorbeeren ausruhen. Nicht bald hat ein Buch
solchen Unwillen erweckt als dieses. Den Polenhasscrn war es natürlich ein willkom¬
mener verketzerter Skandal. Am Besten kam bei dieser Geschichte der darin erwähnte
Tarnower Schuster " * * davon, der nur in die Mode gekommen, so sehr, daß sich so¬
gar Lemberger Herren und Damen von ihm die Schuhe arbeiten lassen; bei der Taufe
seines jüngsten Kindes stand der Tarnower Adel zu Gevatter, wobei es natürlich an
reichen Geschenken nicht fehlte. Sämmtliche Entgegnungen des Verfassers des „Tage¬
buchs" bewegten sich nnr in Gemeinplätzen, keine aber von allen hat etwas widerlegt,
am allerwenigsten aber die letzte, die'über den wichtigsten Einwurf von Ostrowski so mir
nichts, dir nichts, himvegsvnngt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/90>, abgerufen am 12.12.2024.