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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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daß er Ordnung zu halten sucht in möglichst milder Form, und daß er auf un-
bedeutende Dinge nicht mehr Gewicht legt, als es seine Amtsmiene erfordert.

Eine politische Tendenz ist glücklicherweise in den studentischen Verbindungen
nie hervorgetreten, wenn man etwa die kurze Zeit der Aufregung von 1840 bis
1841 aufnimmt. Die Pnblicistik bewegt sich in andern Gebieten.

Zunächst wollen wir die gute Presse in's Auge fasse". Die Organe der con-
servativen Partei siud der "Königsbergs Freiumthige" und die "Zeitung für Preu¬
ßen." Der Redacteur der ersten, Herr Pflug, ging vor einigen Jahren von
dem Danziger Gymnasium ab, und kam als freier Mann nach Königsberg, wo
er in Bierhäusern, Tauzlocalen und ähnlichen Gegenden activ und passiv die er¬
götzlichsten Abentheuer erlebte, die mehr den Humoristen als deu Gentleman zit
erkennen gaben. In dem Blatt, welches er zur Ergötzlichkeit des Publikums her¬
ausgab, beschäftigte er sich theils mit obscencn Witzen über die Stimmritzen der
Sängerinnen, theils mit einer Kritik der Tabaks- und Victnalienhandlnngcn, die
daher bald in ihm ihren Götzen sahen, den sie fürchten und durch Opfer versöh¬
nen mußten, theils mit Angriffen auf die Studenten, deren harmloses Treiben er
zuweilen polizeilich dennncirte, und aus F. Rabe, unsern offiziellen Kunstkritiker.
Er zeichnete sich in der Auftritten Beilage als Stachelschwein, und F. Rabe äu-
ßerte damals, er solle seine Stacheln nicht zu früh verschießen, weil sonst nur das
Schwein übrig bliebe. Die politischen Wirren gaben ihm eine Gelegenheit, "eben
den Fleischladen anch dem Liberalismus zu kntisiren, und so hat er nun eine
Stelle neben dem Rheinischen Beobachter errungen, als Champion des Thrones
nud des Altars, und darf nun den schmutzigsten Cynismus, den je die deutsche
Presse gesehen, an den verwerfliche" Bcrächtern der Legitimität auslassen.

Der Herausgeber der "Zeitung für Preußen," l)r. Metzel, der schon früher
unter der Aegide seines Lehrers Schubert an der Königsberger Allgemeinen mit¬
gearbeitet, hatte auf der Universität, die er in ziemlich reifem Alter bezog, den
exaltirten Jacobiner gespielt, und von dem Standpunkt seines phantastischen Radi¬
kalismus aus mitleidig auf die Bemühungen.der Liberalen herabgesehen, die nicht
im Blut bis an die Knöchel wateten. Plötzlich erschien er nun an der Spitze
eines Blattes, das den niedrigsten Servilismus predigt, der je in Deutschland
erhört worden ist. Die Gründe dieser Apostasie konnten nach früheren Anteceden-
tien nicht auf die glänzendste Weise ausgelegt werden. Es war natürlich seine
frühere Ansicht eben so viel werth, als die spätere, weil weder die eine noch die
andere auf einer sittlichen Gesinnung beruhte. Er gleicht in dieser Lösung von
den ethischen Principien den liederlichen Berliner Sophisten, nnr daß ihm die
Cultur fehlt, mit der Jene ihre Gesinnungslosigkeit für Freiheit von den objecti¬
ven Formen des Rechts ausgebe", er konnte daher ans der Exaltation nur in
die absolute Knechtschaft fallen, und es läßt sich nicht leugnen, daß er es in


daß er Ordnung zu halten sucht in möglichst milder Form, und daß er auf un-
bedeutende Dinge nicht mehr Gewicht legt, als es seine Amtsmiene erfordert.

Eine politische Tendenz ist glücklicherweise in den studentischen Verbindungen
nie hervorgetreten, wenn man etwa die kurze Zeit der Aufregung von 1840 bis
1841 aufnimmt. Die Pnblicistik bewegt sich in andern Gebieten.

Zunächst wollen wir die gute Presse in's Auge fasse». Die Organe der con-
servativen Partei siud der „Königsbergs Freiumthige" und die „Zeitung für Preu¬
ßen." Der Redacteur der ersten, Herr Pflug, ging vor einigen Jahren von
dem Danziger Gymnasium ab, und kam als freier Mann nach Königsberg, wo
er in Bierhäusern, Tauzlocalen und ähnlichen Gegenden activ und passiv die er¬
götzlichsten Abentheuer erlebte, die mehr den Humoristen als deu Gentleman zit
erkennen gaben. In dem Blatt, welches er zur Ergötzlichkeit des Publikums her¬
ausgab, beschäftigte er sich theils mit obscencn Witzen über die Stimmritzen der
Sängerinnen, theils mit einer Kritik der Tabaks- und Victnalienhandlnngcn, die
daher bald in ihm ihren Götzen sahen, den sie fürchten und durch Opfer versöh¬
nen mußten, theils mit Angriffen auf die Studenten, deren harmloses Treiben er
zuweilen polizeilich dennncirte, und aus F. Rabe, unsern offiziellen Kunstkritiker.
Er zeichnete sich in der Auftritten Beilage als Stachelschwein, und F. Rabe äu-
ßerte damals, er solle seine Stacheln nicht zu früh verschießen, weil sonst nur das
Schwein übrig bliebe. Die politischen Wirren gaben ihm eine Gelegenheit, »eben
den Fleischladen anch dem Liberalismus zu kntisiren, und so hat er nun eine
Stelle neben dem Rheinischen Beobachter errungen, als Champion des Thrones
nud des Altars, und darf nun den schmutzigsten Cynismus, den je die deutsche
Presse gesehen, an den verwerfliche» Bcrächtern der Legitimität auslassen.

Der Herausgeber der „Zeitung für Preußen," l)r. Metzel, der schon früher
unter der Aegide seines Lehrers Schubert an der Königsberger Allgemeinen mit¬
gearbeitet, hatte auf der Universität, die er in ziemlich reifem Alter bezog, den
exaltirten Jacobiner gespielt, und von dem Standpunkt seines phantastischen Radi¬
kalismus aus mitleidig auf die Bemühungen.der Liberalen herabgesehen, die nicht
im Blut bis an die Knöchel wateten. Plötzlich erschien er nun an der Spitze
eines Blattes, das den niedrigsten Servilismus predigt, der je in Deutschland
erhört worden ist. Die Gründe dieser Apostasie konnten nach früheren Anteceden-
tien nicht auf die glänzendste Weise ausgelegt werden. Es war natürlich seine
frühere Ansicht eben so viel werth, als die spätere, weil weder die eine noch die
andere auf einer sittlichen Gesinnung beruhte. Er gleicht in dieser Lösung von
den ethischen Principien den liederlichen Berliner Sophisten, nnr daß ihm die
Cultur fehlt, mit der Jene ihre Gesinnungslosigkeit für Freiheit von den objecti¬
ven Formen des Rechts ausgebe», er konnte daher ans der Exaltation nur in
die absolute Knechtschaft fallen, und es läßt sich nicht leugnen, daß er es in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/77>, abgerufen am 25.08.2024.