Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.walt Grunde angeben? Und wenn Gründe so wohlfeil wären, wie Heidelbeeren, Mittlerweile gab Prutz die "politische Wochenstube," eine politische Satyre Pres ließ sich in der That zu einem solchen Schritt bestimmen. Die Im- walt Grunde angeben? Und wenn Gründe so wohlfeil wären, wie Heidelbeeren, Mittlerweile gab Prutz die „politische Wochenstube," eine politische Satyre Pres ließ sich in der That zu einem solchen Schritt bestimmen. Die Im- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0060" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184824"/> <p xml:id="ID_209" prev="#ID_208"> walt Grunde angeben? Und wenn Gründe so wohlfeil wären, wie Heidelbeeren,<lb/> so würde ich sie mir mit Gewalt nicht abnöthigen lassen." Das Recht hat die<lb/> Behörde zumal in einem Staate, in welchem die persönliche Freiheit gesetzlich nicht<lb/> garantirt ist, allerdings in vollstem Umfang, die Verbreitung mißliebiger Theorieen<lb/> zu inhibiren; aber dieses Recht ist so ziemlich die Willkür. Ebenso erfolglos war<lb/> das Gesuch, in Halle vor einem gemischten Pnbliünn allgemein wissenschaftlliche<lb/> Vorträge zu halten; es hieß, das sei in der Regel uur den akademischen Docen¬<lb/> ten gestattet, und in diesem Falle eine Ausnahme zu machen, dazu liege kein<lb/> Grund vor.</p><lb/> <p xml:id="ID_210"> Mittlerweile gab Prutz die „politische Wochenstube," eine politische Satyre<lb/> in der Form des Aristophanischen Lustspiels heraus, und nicht lange darauf wurde<lb/> auf Veranlassung des Ministeriums gegen deu Dichter die Untersuchung wegen<lb/> Majestätsbeleidigung und Aufreizung zur Unzufriedenheit eingeleitet. Das war<lb/> im December 1844 und die Untersuchung schwebte noch ebenso im Sept. 1845,<lb/> als Prutz sich uach Berlin begab, und dort um Erlaubniß bat, Vorlesungen über<lb/> die Geschichte des deutscheu Theaters vor einem gemischten Publikum zu halten.<lb/> Man antwortete ihm, es sei gegen den Anstand, daß ein Schriftsteller, der eben<lb/> seiner literarischen Thätigkeit wegen in Untersuchung sei, in der Hauptstadt öf¬<lb/> fentliche Vorlesungen halte. Doch deutete ihm der Polizeipräsident an, eS liege<lb/> kein weiteres Hinderniß vor, als eben jener Prozeß; von Seiten der Regierung<lb/> lege man keinen Werth ans denselben; man wünsche nur eine Gelegenheit, die<lb/> ganze Geschichte zu beseitigen. Hierzu wäre der geeignetste Weg, unmittelbar beim<lb/> Könige um Niederschlagung des Prozesses einzukommen. Dieses Gesuch würde<lb/> die beste Aufnahme finden und sodann den Vorlesungen nichts im Wege stehen.<lb/> Durch ein solches Gesuch, meinte der Polizeipräsident, vergebe der Schriftsteller<lb/> seinem Charakter und seinen Ansichten nicht das Mindeste.</p><lb/> <p xml:id="ID_211"> Pres ließ sich in der That zu einem solchen Schritt bestimmen. Die Im-<lb/> mediatcingabe an deu König liegt nun dem Publikum vor, und anch der radi¬<lb/> kalste Kritiker wird nicht den leisesten Zug herausfinden, wodurch PruK seiner<lb/> Ehre etwas vergeben habe. Das Schreiben ist durchaus im Ton eines gebilde¬<lb/> ten, ehrenwerthen Mannes abgefaßt, es ist ebenso bescheiden als freimüthig. Von<lb/> dieser Seite darf Pres anch kein Schatten eines Vorwurfs treffe». Dennoch,<lb/> locum ich ehrlich meine Meinung sagen soll, war der Schritt eine Ungeschicklich¬<lb/> keit. Wenn ein liberaler Schriftsteller in solcher Lage es nicht unbedingt nöthig<lb/> hat, sich der allerhöchsten Persott des Monarchen unmittelbar zu nahen, so<lb/> unterlasse er es lieber. Wie wesentlich die Form zur Sache gehört, lehrt<lb/> dieses Beispiel am besten. Es wurde dem Bittsteller geantwortet, man wolle<lb/> Gnade für Recht ergehen lassen, er möge nur aber anch erkenntlich sein. Man<lb/> mag sich nun über die Form hinwegsetzen so viel man will, ein solcher Bescheid<lb/> ist immer eine Demüthigung.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0060]
walt Grunde angeben? Und wenn Gründe so wohlfeil wären, wie Heidelbeeren,
so würde ich sie mir mit Gewalt nicht abnöthigen lassen." Das Recht hat die
Behörde zumal in einem Staate, in welchem die persönliche Freiheit gesetzlich nicht
garantirt ist, allerdings in vollstem Umfang, die Verbreitung mißliebiger Theorieen
zu inhibiren; aber dieses Recht ist so ziemlich die Willkür. Ebenso erfolglos war
das Gesuch, in Halle vor einem gemischten Pnbliünn allgemein wissenschaftlliche
Vorträge zu halten; es hieß, das sei in der Regel uur den akademischen Docen¬
ten gestattet, und in diesem Falle eine Ausnahme zu machen, dazu liege kein
Grund vor.
Mittlerweile gab Prutz die „politische Wochenstube," eine politische Satyre
in der Form des Aristophanischen Lustspiels heraus, und nicht lange darauf wurde
auf Veranlassung des Ministeriums gegen deu Dichter die Untersuchung wegen
Majestätsbeleidigung und Aufreizung zur Unzufriedenheit eingeleitet. Das war
im December 1844 und die Untersuchung schwebte noch ebenso im Sept. 1845,
als Prutz sich uach Berlin begab, und dort um Erlaubniß bat, Vorlesungen über
die Geschichte des deutscheu Theaters vor einem gemischten Publikum zu halten.
Man antwortete ihm, es sei gegen den Anstand, daß ein Schriftsteller, der eben
seiner literarischen Thätigkeit wegen in Untersuchung sei, in der Hauptstadt öf¬
fentliche Vorlesungen halte. Doch deutete ihm der Polizeipräsident an, eS liege
kein weiteres Hinderniß vor, als eben jener Prozeß; von Seiten der Regierung
lege man keinen Werth ans denselben; man wünsche nur eine Gelegenheit, die
ganze Geschichte zu beseitigen. Hierzu wäre der geeignetste Weg, unmittelbar beim
Könige um Niederschlagung des Prozesses einzukommen. Dieses Gesuch würde
die beste Aufnahme finden und sodann den Vorlesungen nichts im Wege stehen.
Durch ein solches Gesuch, meinte der Polizeipräsident, vergebe der Schriftsteller
seinem Charakter und seinen Ansichten nicht das Mindeste.
Pres ließ sich in der That zu einem solchen Schritt bestimmen. Die Im-
mediatcingabe an deu König liegt nun dem Publikum vor, und anch der radi¬
kalste Kritiker wird nicht den leisesten Zug herausfinden, wodurch PruK seiner
Ehre etwas vergeben habe. Das Schreiben ist durchaus im Ton eines gebilde¬
ten, ehrenwerthen Mannes abgefaßt, es ist ebenso bescheiden als freimüthig. Von
dieser Seite darf Pres anch kein Schatten eines Vorwurfs treffe». Dennoch,
locum ich ehrlich meine Meinung sagen soll, war der Schritt eine Ungeschicklich¬
keit. Wenn ein liberaler Schriftsteller in solcher Lage es nicht unbedingt nöthig
hat, sich der allerhöchsten Persott des Monarchen unmittelbar zu nahen, so
unterlasse er es lieber. Wie wesentlich die Form zur Sache gehört, lehrt
dieses Beispiel am besten. Es wurde dem Bittsteller geantwortet, man wolle
Gnade für Recht ergehen lassen, er möge nur aber anch erkenntlich sein. Man
mag sich nun über die Form hinwegsetzen so viel man will, ein solcher Bescheid
ist immer eine Demüthigung.
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