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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Ich weiß die Sprache unseres Strauß nur mit dem Lessing'schen Styl
zu vergleiche"; dieselbe Durchsichtigkeit, derselbe natürliche Fluß, dieselbe Plastik'.
Die Ironie selbst hat nichts Gehässiges, deun sie geht nicht von einem phantasti¬
schen Dünkel, sondern von dem ruhigen Bewußtsein einer überlegenen Bil¬
dung ans.


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et. E. prutz, Vorlesungen über Literatur und Theater.

Es ist ein unbestreitbares Verdienst der romantischen Schule, zuerst in der
Geschichte der Literatur und Kunst die allgemein menschlichen Motive herausge-
fühlt, und wenn auch von einem künstlichen und unhaltbaren Standpunkte ans,
doch immer in einem geistigen Zusammenhang dargestellt zu haben. In der Kri¬
tik stehen wir jetzt höher, schon weil wir freier stehen; was aber die Sorgfalt
und Eleganz der Ausführung betrifft, möchte wohl häufig den Schriften der
Schlegel und ihrer Nichtnngsgenossen vor unsern ästhetischen Abhandlungen der
Vorzug zukommen.

Dieser Unterschied macht sich auch fühlbar in einer so eben erschienenen Schrift
von Dr. Prutz. Vorlesungen über die deutsche Literatur der Ge¬
genwart. Leipzig, G. Mayer. Der Verfasser, rühmlich bekannt wegen sei¬
ner frühern Leistungen zur Aufhellung minder bekannter Punkte der deutschen
Kulturgeschichte, erklärt die Herausgabe dieses Buches weniger deshalb veranlaßt
zu haben, weil er einen besondern Werth darauf legte, als weil er eS gewisser¬
maßen dem Publikum schuldig sei, zu zeigen, was man in der Metropole der
Intelligenz für staatsgefährlich und sitteuvcrderblich ansehe. Er fordert daher
vou vornherein die Kritik auf, sich aus die Ueberraschung gefaßt zu machen, was
man von Staatswegen so heftig angegriffen, bei näheren Ansehen als das un¬
schuldigste und harmloseste Ding zu erkennen und setzt seinem Vorwort das Motto
vor: I'.'N'tut-inne mcmtos, na"<!vtuo i-idiculus an8.

Als ein Beitrag zur Sittengeschichte unserer Zeit ist dieses Buch von gro¬
ßem Werth. Prutz stellt in der Vorrede eine Skizze seiner Lebensschicksale zusam¬
men, so weit sie mit der Politik in Berührung kommen. Im Jahre 1841 hielt
er um Erlaubniß an, sich in Halle als Docent zu habilitiren, weniger in der
Hoffnung, diese Erlaubniß wirklich zu erhalten, als um die Staatsbehörden zu
einem offenen Geständnis) ihrer Absichten zu veranlassen, nämlich zu der Erklä¬
rung, daß dem jungen Dichter, gegen den nichts Positives vorlag, seiner politi¬
schen Gesinnung wegen der Zugang zu der Universität zu verschließen sei. Allein
auch in dieser Erwartung sah er sich getäuscht, denn die deutschen Behörden
verstehen es allenthalben, ihre abschlägige Antwort entweder ans einzelne, klein¬
liche Punkte zu basiren und so die Sache ins Unbestimmte hinzuziehen, oder auch

geradezu alle Begründung ihres Decrets für überflüssig zu erklären. "Mit Ge-


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Ich weiß die Sprache unseres Strauß nur mit dem Lessing'schen Styl
zu vergleiche»; dieselbe Durchsichtigkeit, derselbe natürliche Fluß, dieselbe Plastik'.
Die Ironie selbst hat nichts Gehässiges, deun sie geht nicht von einem phantasti¬
schen Dünkel, sondern von dem ruhigen Bewußtsein einer überlegenen Bil¬
dung ans.


II.
et. E. prutz, Vorlesungen über Literatur und Theater.

Es ist ein unbestreitbares Verdienst der romantischen Schule, zuerst in der
Geschichte der Literatur und Kunst die allgemein menschlichen Motive herausge-
fühlt, und wenn auch von einem künstlichen und unhaltbaren Standpunkte ans,
doch immer in einem geistigen Zusammenhang dargestellt zu haben. In der Kri¬
tik stehen wir jetzt höher, schon weil wir freier stehen; was aber die Sorgfalt
und Eleganz der Ausführung betrifft, möchte wohl häufig den Schriften der
Schlegel und ihrer Nichtnngsgenossen vor unsern ästhetischen Abhandlungen der
Vorzug zukommen.

Dieser Unterschied macht sich auch fühlbar in einer so eben erschienenen Schrift
von Dr. Prutz. Vorlesungen über die deutsche Literatur der Ge¬
genwart. Leipzig, G. Mayer. Der Verfasser, rühmlich bekannt wegen sei¬
ner frühern Leistungen zur Aufhellung minder bekannter Punkte der deutschen
Kulturgeschichte, erklärt die Herausgabe dieses Buches weniger deshalb veranlaßt
zu haben, weil er einen besondern Werth darauf legte, als weil er eS gewisser¬
maßen dem Publikum schuldig sei, zu zeigen, was man in der Metropole der
Intelligenz für staatsgefährlich und sitteuvcrderblich ansehe. Er fordert daher
vou vornherein die Kritik auf, sich aus die Ueberraschung gefaßt zu machen, was
man von Staatswegen so heftig angegriffen, bei näheren Ansehen als das un¬
schuldigste und harmloseste Ding zu erkennen und setzt seinem Vorwort das Motto
vor: I'.'N'tut-inne mcmtos, na«<!vtuo i-idiculus an8.

Als ein Beitrag zur Sittengeschichte unserer Zeit ist dieses Buch von gro¬
ßem Werth. Prutz stellt in der Vorrede eine Skizze seiner Lebensschicksale zusam¬
men, so weit sie mit der Politik in Berührung kommen. Im Jahre 1841 hielt
er um Erlaubniß an, sich in Halle als Docent zu habilitiren, weniger in der
Hoffnung, diese Erlaubniß wirklich zu erhalten, als um die Staatsbehörden zu
einem offenen Geständnis) ihrer Absichten zu veranlassen, nämlich zu der Erklä¬
rung, daß dem jungen Dichter, gegen den nichts Positives vorlag, seiner politi¬
schen Gesinnung wegen der Zugang zu der Universität zu verschließen sei. Allein
auch in dieser Erwartung sah er sich getäuscht, denn die deutschen Behörden
verstehen es allenthalben, ihre abschlägige Antwort entweder ans einzelne, klein¬
liche Punkte zu basiren und so die Sache ins Unbestimmte hinzuziehen, oder auch

geradezu alle Begründung ihres Decrets für überflüssig zu erklären. „Mit Ge-


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[0059] Ich weiß die Sprache unseres Strauß nur mit dem Lessing'schen Styl zu vergleiche»; dieselbe Durchsichtigkeit, derselbe natürliche Fluß, dieselbe Plastik'. Die Ironie selbst hat nichts Gehässiges, deun sie geht nicht von einem phantasti¬ schen Dünkel, sondern von dem ruhigen Bewußtsein einer überlegenen Bil¬ dung ans. II. et. E. prutz, Vorlesungen über Literatur und Theater. Es ist ein unbestreitbares Verdienst der romantischen Schule, zuerst in der Geschichte der Literatur und Kunst die allgemein menschlichen Motive herausge- fühlt, und wenn auch von einem künstlichen und unhaltbaren Standpunkte ans, doch immer in einem geistigen Zusammenhang dargestellt zu haben. In der Kri¬ tik stehen wir jetzt höher, schon weil wir freier stehen; was aber die Sorgfalt und Eleganz der Ausführung betrifft, möchte wohl häufig den Schriften der Schlegel und ihrer Nichtnngsgenossen vor unsern ästhetischen Abhandlungen der Vorzug zukommen. Dieser Unterschied macht sich auch fühlbar in einer so eben erschienenen Schrift von Dr. Prutz. Vorlesungen über die deutsche Literatur der Ge¬ genwart. Leipzig, G. Mayer. Der Verfasser, rühmlich bekannt wegen sei¬ ner frühern Leistungen zur Aufhellung minder bekannter Punkte der deutschen Kulturgeschichte, erklärt die Herausgabe dieses Buches weniger deshalb veranlaßt zu haben, weil er einen besondern Werth darauf legte, als weil er eS gewisser¬ maßen dem Publikum schuldig sei, zu zeigen, was man in der Metropole der Intelligenz für staatsgefährlich und sitteuvcrderblich ansehe. Er fordert daher vou vornherein die Kritik auf, sich aus die Ueberraschung gefaßt zu machen, was man von Staatswegen so heftig angegriffen, bei näheren Ansehen als das un¬ schuldigste und harmloseste Ding zu erkennen und setzt seinem Vorwort das Motto vor: I'.'N'tut-inne mcmtos, na«<!vtuo i-idiculus an8. Als ein Beitrag zur Sittengeschichte unserer Zeit ist dieses Buch von gro¬ ßem Werth. Prutz stellt in der Vorrede eine Skizze seiner Lebensschicksale zusam¬ men, so weit sie mit der Politik in Berührung kommen. Im Jahre 1841 hielt er um Erlaubniß an, sich in Halle als Docent zu habilitiren, weniger in der Hoffnung, diese Erlaubniß wirklich zu erhalten, als um die Staatsbehörden zu einem offenen Geständnis) ihrer Absichten zu veranlassen, nämlich zu der Erklä¬ rung, daß dem jungen Dichter, gegen den nichts Positives vorlag, seiner politi¬ schen Gesinnung wegen der Zugang zu der Universität zu verschließen sei. Allein auch in dieser Erwartung sah er sich getäuscht, denn die deutschen Behörden verstehen es allenthalben, ihre abschlägige Antwort entweder ans einzelne, klein¬ liche Punkte zu basiren und so die Sache ins Unbestimmte hinzuziehen, oder auch geradezu alle Begründung ihres Decrets für überflüssig zu erklären. „Mit Ge- ^ 5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/59>, abgerufen am 22.07.2024.