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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Mal einige der einflußreichsten Chefs hiesiger Banquierhäuser voraus von der Sache in
Kenntniß gesetzt und hat also der Börse Zeit gelassen, sich vorzubereiten. In der That
find einige Papiere, zwar am ersten Tage, um zehn Prozente gewichen, doch wurde an
diesem Tage nicht viel verkauft und schon Tags darauf war wieder eine Steigerung der
Course bemerklich. Dennoch wird diese ganze Episode noch einen lange anhaltenden
schädlichen Eindruck auf den Credit zurücklassen und das trübe Ereignis; vom 18. Sep¬
tember, das so so viele Vermögen erschüttert hat, wird wohl für immer im Gedächtniß
derjenigen eingeprägt bleiben, die es mit erlebt haben. Zwei üble Folgen sind als Erb¬
schaft dieser Creditkassen-Episode zurückgeblieben. Zuerst erneuertes Mißtrauen gegen
den Stand unserer Finanzen, und gegen die Ftnanzverwaltung des Baron Kübel, der
während seiner Verwaltung einen bedeutenden Grad von Achtung zu erwerben wußte;
zweitens eine Discreditinmg dieses verdienstvollen Staatsmannes selbst. Sie haben bis
zum Abschlüsse des letzten österreichischen Anlehns in Ihrem. Blatte stets die Partei die¬
ses Staatsmannes ergriffen und ich erinnere mich noch sehr wohl einer Stelle aus einem
Ihrer Privatbriefc, worin Sie uus schrieben: "Kübel haltet mir in Ehren, dieser Bür-
gcnninister beweist, was der Mittelstand kann, wenn er ans Ander kommt; solche Ka¬
pacitäten, die mit Energie, Fleiß. Unbestechlichkeit gepaart sind, können uns allein noch
retten." Die Kritik des unglücklichen Anlehns, welche die Grenzboten später brachten
und gegen welche ein offiziöser Artikel der Augsburger Allgemeinen nicht eben glücklich
pvlenüsirte, hat uns bewiesen, daß Ihr Journal auch gegen Ihre Lieblinge eine freimü¬
thige Kritik übt, wenn die Gerechtigkeit sie verlangt. Aber auch für uns, die nur (nennen
Sie es immerhin aristokratisches Vorurtheil) keinen besondern Accent ans den Titel eines
"Bürgerministcrs" legen, ist es schmerzhaft, eine der wenigen wirklichen Illustrationen, die
Oesterreich besitzt, in der öffentlichen Meinung verlieren zu sehen. Das Publikum aber
ist wie ein Weib, das erst bei den Arzt bettelt, um auf den Ball gehen zu dürfen und


getrieben werde. Was das für Mißbrauch, will ich Ihnen zu erklären suchen. Die Finanz¬
kammer übernahm auf morgen, das heißt, die heute gekauften Papiere wurden erst nächsten
Tag eingelöst. Nu" brauchten aber die Verkäufer oft heute bis zur Abjchlufizeii Baarschaft,
und mußten, um ihre Zahlungen zu decken, die morgen voll auszuzahlenden Effekten heute um
/s, ", oder ; hergeben. Einige schmutzige Trödlerbanquicrs drückten nun die Gedruckte" noch
mehr und sollen dadurch den Präsidenten in Harnisch gebracht haben, daß "inssi seine Bank¬
note unter dem Cours verhandelt werde. So gegründet dieser Mißbrauch der ministeriellen
Maßregel ist, so kann er doch nicht als Basis einer so fürchterlichen Rachenahme dienen, ganz
abgesehen davon, daß ein Wortbruch mit im Spiele ist. Man hat hier die Worte jenes Fi-
nanzedictcs wohl im Gedächtnisse, daß man reelle Käufer und reelle Preise wolle, ferner daß
hinlänglich für Kassen gesorgt sei, und wie weiter nachzulesen ist. -- Aber wie Alles in Oester¬
reich als schlecht und bornirt von oben aus betrachtet wird, was nicht das Bureau ausheckt, so
glaubte man damals vornehm jede Stimme niederdonnern oder "verachten" (ein beliebter Ausdruck
von den officiellen Artikeln des Beobachters der Allgau.) zu können, die nicht aus voller Brust ein
Hosianncch anstimmten. El" paar erbärmliche jüdische Börsenmäkler sagten zu jener Zeit:
^Ler garantirt für Kübel's Wort? und wie so kann er das aushalten?? -- Leider, daß solche
Wichte gegen einen Finanzminister Recht behalten -- -- das Wort wurde zurückgenommen.
Hatten wir eine (Gott bewahre mich zu sagen, freie,) sondern blos offene Presse, die würde
all' tue guten und schlimmen Seiten vorgebracht haben; so aber eristirt eine eigene Ccnsurin-
struction, daß die Journale gar nichts außer den trockenen Ziffern über die Börse schreiben
dürfen. In letzterer Zeit haben blos einige Blätter die Erlaubniß erhalten, über die langna-
sigen und schlefbemigen Physiognomieen in der Grünangcrgasse sich witzelnd auslassen zu dür¬
fen, was die Canaille der hiesigen Journalistik weidlich'ausbeutet. Allein von einer wah¬
ren und höhern Anschauung der durch die modernen Geschäftsverhältnisse bis in die letzte Fa¬
ser des Verkehrs insluirende Börse ist nirgend, am allerwenigsten bei den Behörden die Spur.
Es ist eben nur etwas Gewordenes, und weil geworden, Geduldetes, und man wähnt, daß
weder dessen Blüthe noch dessen Ruin einen größer" Kreis betreffe als die paar Geldleute.

Mal einige der einflußreichsten Chefs hiesiger Banquierhäuser voraus von der Sache in
Kenntniß gesetzt und hat also der Börse Zeit gelassen, sich vorzubereiten. In der That
find einige Papiere, zwar am ersten Tage, um zehn Prozente gewichen, doch wurde an
diesem Tage nicht viel verkauft und schon Tags darauf war wieder eine Steigerung der
Course bemerklich. Dennoch wird diese ganze Episode noch einen lange anhaltenden
schädlichen Eindruck auf den Credit zurücklassen und das trübe Ereignis; vom 18. Sep¬
tember, das so so viele Vermögen erschüttert hat, wird wohl für immer im Gedächtniß
derjenigen eingeprägt bleiben, die es mit erlebt haben. Zwei üble Folgen sind als Erb¬
schaft dieser Creditkassen-Episode zurückgeblieben. Zuerst erneuertes Mißtrauen gegen
den Stand unserer Finanzen, und gegen die Ftnanzverwaltung des Baron Kübel, der
während seiner Verwaltung einen bedeutenden Grad von Achtung zu erwerben wußte;
zweitens eine Discreditinmg dieses verdienstvollen Staatsmannes selbst. Sie haben bis
zum Abschlüsse des letzten österreichischen Anlehns in Ihrem. Blatte stets die Partei die¬
ses Staatsmannes ergriffen und ich erinnere mich noch sehr wohl einer Stelle aus einem
Ihrer Privatbriefc, worin Sie uus schrieben: „Kübel haltet mir in Ehren, dieser Bür-
gcnninister beweist, was der Mittelstand kann, wenn er ans Ander kommt; solche Ka¬
pacitäten, die mit Energie, Fleiß. Unbestechlichkeit gepaart sind, können uns allein noch
retten." Die Kritik des unglücklichen Anlehns, welche die Grenzboten später brachten
und gegen welche ein offiziöser Artikel der Augsburger Allgemeinen nicht eben glücklich
pvlenüsirte, hat uns bewiesen, daß Ihr Journal auch gegen Ihre Lieblinge eine freimü¬
thige Kritik übt, wenn die Gerechtigkeit sie verlangt. Aber auch für uns, die nur (nennen
Sie es immerhin aristokratisches Vorurtheil) keinen besondern Accent ans den Titel eines
„Bürgerministcrs" legen, ist es schmerzhaft, eine der wenigen wirklichen Illustrationen, die
Oesterreich besitzt, in der öffentlichen Meinung verlieren zu sehen. Das Publikum aber
ist wie ein Weib, das erst bei den Arzt bettelt, um auf den Ball gehen zu dürfen und


getrieben werde. Was das für Mißbrauch, will ich Ihnen zu erklären suchen. Die Finanz¬
kammer übernahm auf morgen, das heißt, die heute gekauften Papiere wurden erst nächsten
Tag eingelöst. Nu» brauchten aber die Verkäufer oft heute bis zur Abjchlufizeii Baarschaft,
und mußten, um ihre Zahlungen zu decken, die morgen voll auszuzahlenden Effekten heute um
/s, », oder ; hergeben. Einige schmutzige Trödlerbanquicrs drückten nun die Gedruckte» noch
mehr und sollen dadurch den Präsidenten in Harnisch gebracht haben, daß «inssi seine Bank¬
note unter dem Cours verhandelt werde. So gegründet dieser Mißbrauch der ministeriellen
Maßregel ist, so kann er doch nicht als Basis einer so fürchterlichen Rachenahme dienen, ganz
abgesehen davon, daß ein Wortbruch mit im Spiele ist. Man hat hier die Worte jenes Fi-
nanzedictcs wohl im Gedächtnisse, daß man reelle Käufer und reelle Preise wolle, ferner daß
hinlänglich für Kassen gesorgt sei, und wie weiter nachzulesen ist. — Aber wie Alles in Oester¬
reich als schlecht und bornirt von oben aus betrachtet wird, was nicht das Bureau ausheckt, so
glaubte man damals vornehm jede Stimme niederdonnern oder „verachten" (ein beliebter Ausdruck
von den officiellen Artikeln des Beobachters der Allgau.) zu können, die nicht aus voller Brust ein
Hosianncch anstimmten. El» paar erbärmliche jüdische Börsenmäkler sagten zu jener Zeit:
^Ler garantirt für Kübel's Wort? und wie so kann er das aushalten?? — Leider, daß solche
Wichte gegen einen Finanzminister Recht behalten — — das Wort wurde zurückgenommen.
Hatten wir eine (Gott bewahre mich zu sagen, freie,) sondern blos offene Presse, die würde
all' tue guten und schlimmen Seiten vorgebracht haben; so aber eristirt eine eigene Ccnsurin-
struction, daß die Journale gar nichts außer den trockenen Ziffern über die Börse schreiben
dürfen. In letzterer Zeit haben blos einige Blätter die Erlaubniß erhalten, über die langna-
sigen und schlefbemigen Physiognomieen in der Grünangcrgasse sich witzelnd auslassen zu dür¬
fen, was die Canaille der hiesigen Journalistik weidlich'ausbeutet. Allein von einer wah¬
ren und höhern Anschauung der durch die modernen Geschäftsverhältnisse bis in die letzte Fa¬
ser des Verkehrs insluirende Börse ist nirgend, am allerwenigsten bei den Behörden die Spur.
Es ist eben nur etwas Gewordenes, und weil geworden, Geduldetes, und man wähnt, daß
weder dessen Blüthe noch dessen Ruin einen größer» Kreis betreffe als die paar Geldleute.
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[0055] Mal einige der einflußreichsten Chefs hiesiger Banquierhäuser voraus von der Sache in Kenntniß gesetzt und hat also der Börse Zeit gelassen, sich vorzubereiten. In der That find einige Papiere, zwar am ersten Tage, um zehn Prozente gewichen, doch wurde an diesem Tage nicht viel verkauft und schon Tags darauf war wieder eine Steigerung der Course bemerklich. Dennoch wird diese ganze Episode noch einen lange anhaltenden schädlichen Eindruck auf den Credit zurücklassen und das trübe Ereignis; vom 18. Sep¬ tember, das so so viele Vermögen erschüttert hat, wird wohl für immer im Gedächtniß derjenigen eingeprägt bleiben, die es mit erlebt haben. Zwei üble Folgen sind als Erb¬ schaft dieser Creditkassen-Episode zurückgeblieben. Zuerst erneuertes Mißtrauen gegen den Stand unserer Finanzen, und gegen die Ftnanzverwaltung des Baron Kübel, der während seiner Verwaltung einen bedeutenden Grad von Achtung zu erwerben wußte; zweitens eine Discreditinmg dieses verdienstvollen Staatsmannes selbst. Sie haben bis zum Abschlüsse des letzten österreichischen Anlehns in Ihrem. Blatte stets die Partei die¬ ses Staatsmannes ergriffen und ich erinnere mich noch sehr wohl einer Stelle aus einem Ihrer Privatbriefc, worin Sie uus schrieben: „Kübel haltet mir in Ehren, dieser Bür- gcnninister beweist, was der Mittelstand kann, wenn er ans Ander kommt; solche Ka¬ pacitäten, die mit Energie, Fleiß. Unbestechlichkeit gepaart sind, können uns allein noch retten." Die Kritik des unglücklichen Anlehns, welche die Grenzboten später brachten und gegen welche ein offiziöser Artikel der Augsburger Allgemeinen nicht eben glücklich pvlenüsirte, hat uns bewiesen, daß Ihr Journal auch gegen Ihre Lieblinge eine freimü¬ thige Kritik übt, wenn die Gerechtigkeit sie verlangt. Aber auch für uns, die nur (nennen Sie es immerhin aristokratisches Vorurtheil) keinen besondern Accent ans den Titel eines „Bürgerministcrs" legen, ist es schmerzhaft, eine der wenigen wirklichen Illustrationen, die Oesterreich besitzt, in der öffentlichen Meinung verlieren zu sehen. Das Publikum aber ist wie ein Weib, das erst bei den Arzt bettelt, um auf den Ball gehen zu dürfen und getrieben werde. Was das für Mißbrauch, will ich Ihnen zu erklären suchen. Die Finanz¬ kammer übernahm auf morgen, das heißt, die heute gekauften Papiere wurden erst nächsten Tag eingelöst. Nu» brauchten aber die Verkäufer oft heute bis zur Abjchlufizeii Baarschaft, und mußten, um ihre Zahlungen zu decken, die morgen voll auszuzahlenden Effekten heute um /s, », oder ; hergeben. Einige schmutzige Trödlerbanquicrs drückten nun die Gedruckte» noch mehr und sollen dadurch den Präsidenten in Harnisch gebracht haben, daß «inssi seine Bank¬ note unter dem Cours verhandelt werde. So gegründet dieser Mißbrauch der ministeriellen Maßregel ist, so kann er doch nicht als Basis einer so fürchterlichen Rachenahme dienen, ganz abgesehen davon, daß ein Wortbruch mit im Spiele ist. Man hat hier die Worte jenes Fi- nanzedictcs wohl im Gedächtnisse, daß man reelle Käufer und reelle Preise wolle, ferner daß hinlänglich für Kassen gesorgt sei, und wie weiter nachzulesen ist. — Aber wie Alles in Oester¬ reich als schlecht und bornirt von oben aus betrachtet wird, was nicht das Bureau ausheckt, so glaubte man damals vornehm jede Stimme niederdonnern oder „verachten" (ein beliebter Ausdruck von den officiellen Artikeln des Beobachters der Allgau.) zu können, die nicht aus voller Brust ein Hosianncch anstimmten. El» paar erbärmliche jüdische Börsenmäkler sagten zu jener Zeit: ^Ler garantirt für Kübel's Wort? und wie so kann er das aushalten?? — Leider, daß solche Wichte gegen einen Finanzminister Recht behalten — — das Wort wurde zurückgenommen. Hatten wir eine (Gott bewahre mich zu sagen, freie,) sondern blos offene Presse, die würde all' tue guten und schlimmen Seiten vorgebracht haben; so aber eristirt eine eigene Ccnsurin- struction, daß die Journale gar nichts außer den trockenen Ziffern über die Börse schreiben dürfen. In letzterer Zeit haben blos einige Blätter die Erlaubniß erhalten, über die langna- sigen und schlefbemigen Physiognomieen in der Grünangcrgasse sich witzelnd auslassen zu dür¬ fen, was die Canaille der hiesigen Journalistik weidlich'ausbeutet. Allein von einer wah¬ ren und höhern Anschauung der durch die modernen Geschäftsverhältnisse bis in die letzte Fa¬ ser des Verkehrs insluirende Börse ist nirgend, am allerwenigsten bei den Behörden die Spur. Es ist eben nur etwas Gewordenes, und weil geworden, Geduldetes, und man wähnt, daß weder dessen Blüthe noch dessen Ruin einen größer» Kreis betreffe als die paar Geldleute.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/55>, abgerufen am 22.07.2024.