Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.Haushalt und den andern Bequemlichkeiten ans den Höhen des Weisieusteins, sowie Grenztotm. IV. 1847. 70
Haushalt und den andern Bequemlichkeiten ans den Höhen des Weisieusteins, sowie Grenztotm. IV. 1847. 70
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0549" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185313"/> <p xml:id="ID_1900" prev="#ID_1899" next="#ID_1901"> Haushalt und den andern Bequemlichkeiten ans den Höhen des Weisieusteins, sowie<lb/> auch nach der geläuterten Gesellschaft der frommen servilen, was ihm nicht zu verar¬<lb/> gen wäre, da es in unserm Dorfe hauptsächlich nur Floßknechte und Fuhrleute um sich<lb/> sieht. Die Herren von Weifieustein baten daher dringendst um die Rückgabe des our»<lb/> dcrthätigcn Bildes. Unser Gouverneur, aus dem gräflichen Geschlechte derer von Brandes,<lb/> ein andächtiger Staatsmann, selbst Mitglied mehrerer frommer Brüderschaften, in welche er<lb/> sich mit würdevoller Feier aufnehmen ließ, Verfasser eines lateinischen Gebetbuches und einer Ge¬<lb/> schichte Friedrichs mit der leeren Tasche, unser Gouverneur, der sich auch um die Verehrung der<lb/> vierzehn Nothhelfer und mehrer anderer absoluter Heiligen nahmhafte Verdienste erworben<lb/> hat, übersah die tiefe Bedeutung und volksthümlich religiöse Wichtigkeit dieser Sache<lb/> keineswegs. Er ließ die Gemeinde vorerst durch den Propst von Botzen zur freiwilligen<lb/> Herausgabe ernähren, jedoch ohne Erfolg, sintemalen die Gemeinde behauptete, das<lb/> wunderthätige Bild sei durch kaiserliche Uebertragung und unvordenkliche Verjährung<lb/> ein Bestandtheil des Kircheninvcntars geworden nud könne daher ohne Surrogiruug ei¬<lb/> nes andern gleich kräftigen Gnadenbildes nnr mit empfindlichsten Schaden abgetreten<lb/> werden; es sei auch letzteres um so weniger nöthig, als das wahre Bild noch im¬<lb/> mer aus dem Berge verehrt werde, und ihnen daher wohl zu vergönnen sei, daß<lb/> sie für gichtbrüchige, lungenschwache und audere Personen, die des Berges nicht<lb/> mehr mächtig werden möchten, eine verhältnismäßig zugänglichere Wallfahrt besäßen.<lb/> Der Gouverneur fand diese Ansicht eher einfältig als weise und gab den Befehl, das<lb/> Bild herauszugeben. Statt diesen Bescheid zu ehren, blieben die Leifcrscr mit bedau¬<lb/> erlichen Eigensinn ans ihrem angeblichen Rechte stehen und behelligten sogar die höhern<lb/> Stellen mit dem Streite um das Gnadenbild. Leider scheint auch, man weiß nicht<lb/> wie, manche irdische Verstimmung sich eingemischt zu haben nud die Leiserser nahmen<lb/> Dinge zu Hülfe, welche sie zum Besten der servilen vielleicht lieber aus dem Spiel<lb/> gelassen hätten. Sie legten nämlich ihrer Streitschrift eine Schachtel bei, welche ver¬<lb/> schiedene Bilder, Täfelchen, Ablaßbriefe, geweihte Wasser sür Vieh und Menschen und<lb/> eben solche Brote enthielt, lauter Artikel, welche in einem wohl assortirten Laden neben<lb/> dem Tempel der heiligen Jnngftan sür ihre und ihrer Diener Wohlfahrt verkauft wer¬<lb/> den. Die oberste Hofstelle zu Wien, welche bei der in dem übrigen Kaiserstaate immer¬<lb/> mehr überhandnehmenden Anfllärcrci sich schon lange außer allem Verkehr mit Gnaden¬<lb/> bildern halten soll, scheint die Vorlage mißverstanden und die Pastorale Bedeutung die¬<lb/> ser Erbauungsmittel gänzlich verkannt zu haben, — ja sie ging so weit, Nachforschun¬<lb/> gen anzustellen, ob dieser „Unfug" noch bestehe. Die servilen mußten fühlen, daß<lb/> ihrer Andacht, ihrer Frömmigkeit und ihrem Eifer für die wahre Verehrung des ächten<lb/> Bildes zu wenig Rechnung getragen werde und so nahmen sie ihr Gesuch „einstweilen"<lb/> zurück, nicht ohne Hoffnung, daß einst anch sür sie eine freundlichere Sonne leuchten<lb/> werde. Diese heraufzuführen ist, man muß eS ancrkaunen, unser Gouverneur emsig<lb/> beflisse»; war er ja doch schon einmal Willens, das Nebenbild zu Leifers an der Spitze<lb/> eines Bataillons zu begrüßen und eS mit kriegerischem Gepränge ans den Weißenstein zu<lb/> führen; vielleicht das beste Mittel, um den Eigensinn der Leiserser zu brechen. Noch alle<lb/> Jahre begnadigte Sr. Excellenz auch das Bild aus dem Weißenstein mit seinem hohen<lb/> Besuche, wodurch diesem eine offizielle Beglaubigung erwuchs, die seine Lust, Wunder<lb/> zu wirken, noch ungemein angeeifert zu haben scheint. Nichts desto weniger ist auch<lb/> das Herz Sr. Excellenz nicht frei von Zweifeln, die nur dann erlöschen werden, wenn<lb/> das Bild von Leifers einst auf die Höhe von Weißenstein gebracht und dadurch die</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenztotm. IV. 1847. 70</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0549]
Haushalt und den andern Bequemlichkeiten ans den Höhen des Weisieusteins, sowie
auch nach der geläuterten Gesellschaft der frommen servilen, was ihm nicht zu verar¬
gen wäre, da es in unserm Dorfe hauptsächlich nur Floßknechte und Fuhrleute um sich
sieht. Die Herren von Weifieustein baten daher dringendst um die Rückgabe des our»
dcrthätigcn Bildes. Unser Gouverneur, aus dem gräflichen Geschlechte derer von Brandes,
ein andächtiger Staatsmann, selbst Mitglied mehrerer frommer Brüderschaften, in welche er
sich mit würdevoller Feier aufnehmen ließ, Verfasser eines lateinischen Gebetbuches und einer Ge¬
schichte Friedrichs mit der leeren Tasche, unser Gouverneur, der sich auch um die Verehrung der
vierzehn Nothhelfer und mehrer anderer absoluter Heiligen nahmhafte Verdienste erworben
hat, übersah die tiefe Bedeutung und volksthümlich religiöse Wichtigkeit dieser Sache
keineswegs. Er ließ die Gemeinde vorerst durch den Propst von Botzen zur freiwilligen
Herausgabe ernähren, jedoch ohne Erfolg, sintemalen die Gemeinde behauptete, das
wunderthätige Bild sei durch kaiserliche Uebertragung und unvordenkliche Verjährung
ein Bestandtheil des Kircheninvcntars geworden nud könne daher ohne Surrogiruug ei¬
nes andern gleich kräftigen Gnadenbildes nnr mit empfindlichsten Schaden abgetreten
werden; es sei auch letzteres um so weniger nöthig, als das wahre Bild noch im¬
mer aus dem Berge verehrt werde, und ihnen daher wohl zu vergönnen sei, daß
sie für gichtbrüchige, lungenschwache und audere Personen, die des Berges nicht
mehr mächtig werden möchten, eine verhältnismäßig zugänglichere Wallfahrt besäßen.
Der Gouverneur fand diese Ansicht eher einfältig als weise und gab den Befehl, das
Bild herauszugeben. Statt diesen Bescheid zu ehren, blieben die Leifcrscr mit bedau¬
erlichen Eigensinn ans ihrem angeblichen Rechte stehen und behelligten sogar die höhern
Stellen mit dem Streite um das Gnadenbild. Leider scheint auch, man weiß nicht
wie, manche irdische Verstimmung sich eingemischt zu haben nud die Leiserser nahmen
Dinge zu Hülfe, welche sie zum Besten der servilen vielleicht lieber aus dem Spiel
gelassen hätten. Sie legten nämlich ihrer Streitschrift eine Schachtel bei, welche ver¬
schiedene Bilder, Täfelchen, Ablaßbriefe, geweihte Wasser sür Vieh und Menschen und
eben solche Brote enthielt, lauter Artikel, welche in einem wohl assortirten Laden neben
dem Tempel der heiligen Jnngftan sür ihre und ihrer Diener Wohlfahrt verkauft wer¬
den. Die oberste Hofstelle zu Wien, welche bei der in dem übrigen Kaiserstaate immer¬
mehr überhandnehmenden Anfllärcrci sich schon lange außer allem Verkehr mit Gnaden¬
bildern halten soll, scheint die Vorlage mißverstanden und die Pastorale Bedeutung die¬
ser Erbauungsmittel gänzlich verkannt zu haben, — ja sie ging so weit, Nachforschun¬
gen anzustellen, ob dieser „Unfug" noch bestehe. Die servilen mußten fühlen, daß
ihrer Andacht, ihrer Frömmigkeit und ihrem Eifer für die wahre Verehrung des ächten
Bildes zu wenig Rechnung getragen werde und so nahmen sie ihr Gesuch „einstweilen"
zurück, nicht ohne Hoffnung, daß einst anch sür sie eine freundlichere Sonne leuchten
werde. Diese heraufzuführen ist, man muß eS ancrkaunen, unser Gouverneur emsig
beflisse»; war er ja doch schon einmal Willens, das Nebenbild zu Leifers an der Spitze
eines Bataillons zu begrüßen und eS mit kriegerischem Gepränge ans den Weißenstein zu
führen; vielleicht das beste Mittel, um den Eigensinn der Leiserser zu brechen. Noch alle
Jahre begnadigte Sr. Excellenz auch das Bild aus dem Weißenstein mit seinem hohen
Besuche, wodurch diesem eine offizielle Beglaubigung erwuchs, die seine Lust, Wunder
zu wirken, noch ungemein angeeifert zu haben scheint. Nichts desto weniger ist auch
das Herz Sr. Excellenz nicht frei von Zweifeln, die nur dann erlöschen werden, wenn
das Bild von Leifers einst auf die Höhe von Weißenstein gebracht und dadurch die
Grenztotm. IV. 1847. 70
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |