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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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unter sich sind, schon in formeller Hinsicht der Vereinbarung über die meisten
Fragen unübersteigliche Hindernisse in den Weg legen würde.

Bei solcher Sachlage wird sich gewiß schon in nächster Zukunft die Nothwen¬
digkeit herausstellen, in der Steuerfrage um so mehr zu einem genügenden Ab¬
schluß zu gelangen, als sich außer Ungarn auch in jenen Provinzen, denen das
Stcuervcrwilligungrecht verfassungsmäßig zusteht, Anzeichen einstellen, die darauf
hindeuten, daß die bisherige Besteuerungsweise ohne genügende Controle nud Garan-
tien dort kaum mehr auf die Länge ausführbar sein wird. Dann aber bleibt auf fried¬
lichem Wege kaum etwas anders übrig, als das, was schon längst hätte angebahnt und
in's Werk gesetzt werden sollen, nämlich die Constituirung des Reichs, und zwar
mindestens in so weit, daß die Staatseinheit ausgesprochen und allseitig anerkannt
werde, was aber wieder nur geschehen kann, wenn solche Grundlagen für die
Vereinigung aufgestellt werden, die von allen Betheiligten und namentlich von
Ungarn angenommen werden können. Es müssen also wenigstens für diejenigen Punkte,
in denen die bisher getrennten Lander künftig in gemeiusaiue Concurrenz treten sollen,
gemeinsame Regeln und Grundsätze aufgestellt werden. Und da diese, wie es nicht
anders denkbar ist, ans die Landesvertretung basirt sein werden, so stellt sich
von selbst die Nothwendigkeit dar, entweder ein Neichsparlament zu schaffen, oder
aber neben den Provinzialkammern einen Centralausschuß aufzu¬
stellen oder endlich einen Modus ausfindig zu machen, wodurch die Stände der ein¬
zelnen Provinzen bei Fragen vom allgemeinen Interesse sich verständigen können,
wie dies z. B. in älterer Zeit durch die Zusammentretung von Deputirten aus
den Grenier der verschiedenen Provinzialstände der Fall war.

So sehen wir den Stand der Dinge an und vou diesem Gesichtspunkt betrachten
wir den großen Entwicklungsprozeß, welchen Oesterreich theils durchgemacht hat, theils
zu vollenden strebt. Möge er ohne oder doch nur mit leichten Geburtswehen die neue
Schöpfung an's Licht treten lassen, und mit ihr Heil und Segen und freudiges
Erblühen der edlen Keime fördern, die in so reichem Maaß das herrliche Vater¬
land birgt!

Unter dem Gesichtspunkte von Oesterreichs fortschreitender Einigung haben
wir auch die ständische Bewegung aufgefaßt, welche seit mehr als 20 Jahren die
Ideen abklärt und -- sich selber unbewußt, einen weit höheren Zweck als den
vermittelte, welchen sie zunächst vor Augen hatte. Jedenfalls hat diese Bewegung
uns vor dem Versinken in dem Schlamme engherziger Beschränktheit und frivolen
Genusses bewahrt; jedenfalls hat sie einen neuen, edlern Geist geweckt, weil eben
in der Erweiterung der Beziehungen menschlicher Bestrebungen die Bedingung deö
Fortschrittes zum Bessern und Edlem liegt.

Patriotismus war es, der die Herzen der Männer erwärmte, die zuerst Hand
an'S Werk legten, die Gerechtsame und Freiheiten ihres Vaterlandes wieder aufzu¬
richten. Sollte in der Brust dieser Männer kein höherer Patriotismus Platz fin-


unter sich sind, schon in formeller Hinsicht der Vereinbarung über die meisten
Fragen unübersteigliche Hindernisse in den Weg legen würde.

Bei solcher Sachlage wird sich gewiß schon in nächster Zukunft die Nothwen¬
digkeit herausstellen, in der Steuerfrage um so mehr zu einem genügenden Ab¬
schluß zu gelangen, als sich außer Ungarn auch in jenen Provinzen, denen das
Stcuervcrwilligungrecht verfassungsmäßig zusteht, Anzeichen einstellen, die darauf
hindeuten, daß die bisherige Besteuerungsweise ohne genügende Controle nud Garan-
tien dort kaum mehr auf die Länge ausführbar sein wird. Dann aber bleibt auf fried¬
lichem Wege kaum etwas anders übrig, als das, was schon längst hätte angebahnt und
in's Werk gesetzt werden sollen, nämlich die Constituirung des Reichs, und zwar
mindestens in so weit, daß die Staatseinheit ausgesprochen und allseitig anerkannt
werde, was aber wieder nur geschehen kann, wenn solche Grundlagen für die
Vereinigung aufgestellt werden, die von allen Betheiligten und namentlich von
Ungarn angenommen werden können. Es müssen also wenigstens für diejenigen Punkte,
in denen die bisher getrennten Lander künftig in gemeiusaiue Concurrenz treten sollen,
gemeinsame Regeln und Grundsätze aufgestellt werden. Und da diese, wie es nicht
anders denkbar ist, ans die Landesvertretung basirt sein werden, so stellt sich
von selbst die Nothwendigkeit dar, entweder ein Neichsparlament zu schaffen, oder
aber neben den Provinzialkammern einen Centralausschuß aufzu¬
stellen oder endlich einen Modus ausfindig zu machen, wodurch die Stände der ein¬
zelnen Provinzen bei Fragen vom allgemeinen Interesse sich verständigen können,
wie dies z. B. in älterer Zeit durch die Zusammentretung von Deputirten aus
den Grenier der verschiedenen Provinzialstände der Fall war.

So sehen wir den Stand der Dinge an und vou diesem Gesichtspunkt betrachten
wir den großen Entwicklungsprozeß, welchen Oesterreich theils durchgemacht hat, theils
zu vollenden strebt. Möge er ohne oder doch nur mit leichten Geburtswehen die neue
Schöpfung an's Licht treten lassen, und mit ihr Heil und Segen und freudiges
Erblühen der edlen Keime fördern, die in so reichem Maaß das herrliche Vater¬
land birgt!

Unter dem Gesichtspunkte von Oesterreichs fortschreitender Einigung haben
wir auch die ständische Bewegung aufgefaßt, welche seit mehr als 20 Jahren die
Ideen abklärt und — sich selber unbewußt, einen weit höheren Zweck als den
vermittelte, welchen sie zunächst vor Augen hatte. Jedenfalls hat diese Bewegung
uns vor dem Versinken in dem Schlamme engherziger Beschränktheit und frivolen
Genusses bewahrt; jedenfalls hat sie einen neuen, edlern Geist geweckt, weil eben
in der Erweiterung der Beziehungen menschlicher Bestrebungen die Bedingung deö
Fortschrittes zum Bessern und Edlem liegt.

Patriotismus war es, der die Herzen der Männer erwärmte, die zuerst Hand
an'S Werk legten, die Gerechtsame und Freiheiten ihres Vaterlandes wieder aufzu¬
richten. Sollte in der Brust dieser Männer kein höherer Patriotismus Platz fin-


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[0512] unter sich sind, schon in formeller Hinsicht der Vereinbarung über die meisten Fragen unübersteigliche Hindernisse in den Weg legen würde. Bei solcher Sachlage wird sich gewiß schon in nächster Zukunft die Nothwen¬ digkeit herausstellen, in der Steuerfrage um so mehr zu einem genügenden Ab¬ schluß zu gelangen, als sich außer Ungarn auch in jenen Provinzen, denen das Stcuervcrwilligungrecht verfassungsmäßig zusteht, Anzeichen einstellen, die darauf hindeuten, daß die bisherige Besteuerungsweise ohne genügende Controle nud Garan- tien dort kaum mehr auf die Länge ausführbar sein wird. Dann aber bleibt auf fried¬ lichem Wege kaum etwas anders übrig, als das, was schon längst hätte angebahnt und in's Werk gesetzt werden sollen, nämlich die Constituirung des Reichs, und zwar mindestens in so weit, daß die Staatseinheit ausgesprochen und allseitig anerkannt werde, was aber wieder nur geschehen kann, wenn solche Grundlagen für die Vereinigung aufgestellt werden, die von allen Betheiligten und namentlich von Ungarn angenommen werden können. Es müssen also wenigstens für diejenigen Punkte, in denen die bisher getrennten Lander künftig in gemeiusaiue Concurrenz treten sollen, gemeinsame Regeln und Grundsätze aufgestellt werden. Und da diese, wie es nicht anders denkbar ist, ans die Landesvertretung basirt sein werden, so stellt sich von selbst die Nothwendigkeit dar, entweder ein Neichsparlament zu schaffen, oder aber neben den Provinzialkammern einen Centralausschuß aufzu¬ stellen oder endlich einen Modus ausfindig zu machen, wodurch die Stände der ein¬ zelnen Provinzen bei Fragen vom allgemeinen Interesse sich verständigen können, wie dies z. B. in älterer Zeit durch die Zusammentretung von Deputirten aus den Grenier der verschiedenen Provinzialstände der Fall war. So sehen wir den Stand der Dinge an und vou diesem Gesichtspunkt betrachten wir den großen Entwicklungsprozeß, welchen Oesterreich theils durchgemacht hat, theils zu vollenden strebt. Möge er ohne oder doch nur mit leichten Geburtswehen die neue Schöpfung an's Licht treten lassen, und mit ihr Heil und Segen und freudiges Erblühen der edlen Keime fördern, die in so reichem Maaß das herrliche Vater¬ land birgt! Unter dem Gesichtspunkte von Oesterreichs fortschreitender Einigung haben wir auch die ständische Bewegung aufgefaßt, welche seit mehr als 20 Jahren die Ideen abklärt und — sich selber unbewußt, einen weit höheren Zweck als den vermittelte, welchen sie zunächst vor Augen hatte. Jedenfalls hat diese Bewegung uns vor dem Versinken in dem Schlamme engherziger Beschränktheit und frivolen Genusses bewahrt; jedenfalls hat sie einen neuen, edlern Geist geweckt, weil eben in der Erweiterung der Beziehungen menschlicher Bestrebungen die Bedingung deö Fortschrittes zum Bessern und Edlem liegt. Patriotismus war es, der die Herzen der Männer erwärmte, die zuerst Hand an'S Werk legten, die Gerechtsame und Freiheiten ihres Vaterlandes wieder aufzu¬ richten. Sollte in der Brust dieser Männer kein höherer Patriotismus Platz fin-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/512>, abgerufen am 22.07.2024.