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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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meine Ohren. Ihre Hand, Sire -- ich falle. Elisabeth, Du weinst? Was ist mit
mir? Was? -- Droht Gefahr? Mein Kopf ist verwirrt.


Gardiner
(für sich):

Wir müssen sie auf etwas anders bringen, sonst verliert

sie den Verstand,

Ich bringe des falschen Dudler/s Verzeihung.

(laut)

Ha! Verzeihung -- für Dudley? -- Ich entsinne mich. Gib schnell,


Maria:

schnell! Gib! So -- wie er mein armes Herz, -- so zerreiße ich dies. Ankommen
soll er, der elende Wicht. -- Noch ein anderes Papier muß da sein, -- sein Urtheil.
Eine Feder her! Er sterbe! Herzenstödter, ehe die Sonne sinkt, Rache! Hört Ihr?
Rache! Ein Geier nagt an meinem Herzen. -- Gebt mir Nahrung sür meine Rache! --
Da ist noch Einer, sür den ich sie brauche. Wo ist er? -- Und wo ist meine zärt¬
liche Schwester? Bolena's Kind? Ergreift sie, die Falsche! --

Sie ist unschuldig.


Gardiner:

Stille nur, Mylord.


Elisabeth:

Marie: Wer will mir Halt gebieten? Gehorchet, Sire! oder, oder -- ich thue
etwas, wovor der Engel der Versöhnung erbleichen soll. Ha! Noch da? -- D" elen¬
der, elender Wicht! -- Erst will, will ich ihn, den ich geliebt, noch einmal recht an¬
sehen (Sie ergreift ihm beim Arm, betrachtet ihn und küßt ihm aus die Stirne,) Der
letzten Liebe letzte Schwäche. Jetzt bin ich nicht mehr schwach. Jetzt weiche, Milde,
aus meinem Herzen! Fort mit ihm -- und mit ihr!

Beide werden in Gewahrsam gegeben.

Was würde man in Deutschland zu einer solchen Marie sagen?

Neulich wurde ein neues Stück mit vielem Beifall auf die Bühne gebracht, das
"der rohe Diamant" betitelt war, und dessen Heldin, ein junges unschuldiges Land-
mädchen, ihr größtes Vergnügen darin findet, mit einem Schweine zu spielen, das auch
unter großem Applaus sein tivliut auf der Bühne machte. -- Wenn daher Macready
über den Verfall des Theaters seufzt, und es für beinahe eine Unmöglichkeit hält, mit
einem guten klassischen Stück das Haus zu füllen, so hat er darin gewiß sehr recht,
weil tagtäglich der Augenschein beweist, wie tief der Geschmack sür dramatische Kunst
Ämeltl. in Verfall gerathen ist. --


III.
Aus Hamburg.

Reformenunzufriedeiihcit unter den Grundeigcnthümcrn. -- Aengstlichkeit der Censur. -- Solidität de"
H,u>delflandcs. -- Fallissements. -- Eisenbahncongreß. -- Theater,

Der Geist der Reform hat in letzter Zeit begonnen, Eingang unter einem großen
Theil der hiesigen Bürgerschaft zu finden. Es haben so stürmische Sitzungen im Rath¬
hause stattgefunden, wie in langen, langen Jahren nicht mehr, und ein Hochweiser
Senat ist von der Bürgerschaft bisweilen gar hart bedrängt worden. Dauerte doch
eine Sitzung bis über zehn Uhr Abends, und die lauge Reihe der Wagen mußte an
fünf Stunden ihrer Herren, die unterdeß einen heißen Kampf ausfochten, vergeblich
harren. Besonders der Verein der "Grundeigenthümer" macht dem Senat jetzt viel
zu schaffen und ist mit die Seele der Opposition. Das Grundeigenthum ist aber auch
vorzugsweise in Hamburg mit hohen Steuern belegt, die durch die unglückliche Brand¬
katastrophe vermehrt, in jetziger Zeit besonders drückend sind und wohl den Wunsch
nach größerer Ersparniß rege machen können. Gerade jetzt fangen die Folgen dieses
Brandes, die hauptsächlich den Mittelstand treffen, erst recht an fühlbar zu werden.
Man baute in der ersten Zeit, da Geld zu niedrigen Zinsen genug vorhanden war, zu


meine Ohren. Ihre Hand, Sire — ich falle. Elisabeth, Du weinst? Was ist mit
mir? Was? — Droht Gefahr? Mein Kopf ist verwirrt.


Gardiner
(für sich):

Wir müssen sie auf etwas anders bringen, sonst verliert

sie den Verstand,

Ich bringe des falschen Dudler/s Verzeihung.

(laut)

Ha! Verzeihung — für Dudley? — Ich entsinne mich. Gib schnell,


Maria:

schnell! Gib! So — wie er mein armes Herz, — so zerreiße ich dies. Ankommen
soll er, der elende Wicht. — Noch ein anderes Papier muß da sein, — sein Urtheil.
Eine Feder her! Er sterbe! Herzenstödter, ehe die Sonne sinkt, Rache! Hört Ihr?
Rache! Ein Geier nagt an meinem Herzen. — Gebt mir Nahrung sür meine Rache! —
Da ist noch Einer, sür den ich sie brauche. Wo ist er? — Und wo ist meine zärt¬
liche Schwester? Bolena's Kind? Ergreift sie, die Falsche! —

Sie ist unschuldig.


Gardiner:

Stille nur, Mylord.


Elisabeth:

Marie: Wer will mir Halt gebieten? Gehorchet, Sire! oder, oder — ich thue
etwas, wovor der Engel der Versöhnung erbleichen soll. Ha! Noch da? — D« elen¬
der, elender Wicht! — Erst will, will ich ihn, den ich geliebt, noch einmal recht an¬
sehen (Sie ergreift ihm beim Arm, betrachtet ihn und küßt ihm aus die Stirne,) Der
letzten Liebe letzte Schwäche. Jetzt bin ich nicht mehr schwach. Jetzt weiche, Milde,
aus meinem Herzen! Fort mit ihm — und mit ihr!

Beide werden in Gewahrsam gegeben.

Was würde man in Deutschland zu einer solchen Marie sagen?

Neulich wurde ein neues Stück mit vielem Beifall auf die Bühne gebracht, das
„der rohe Diamant" betitelt war, und dessen Heldin, ein junges unschuldiges Land-
mädchen, ihr größtes Vergnügen darin findet, mit einem Schweine zu spielen, das auch
unter großem Applaus sein tivliut auf der Bühne machte. — Wenn daher Macready
über den Verfall des Theaters seufzt, und es für beinahe eine Unmöglichkeit hält, mit
einem guten klassischen Stück das Haus zu füllen, so hat er darin gewiß sehr recht,
weil tagtäglich der Augenschein beweist, wie tief der Geschmack sür dramatische Kunst
Ämeltl. in Verfall gerathen ist. —


III.
Aus Hamburg.

Reformenunzufriedeiihcit unter den Grundeigcnthümcrn. — Aengstlichkeit der Censur. — Solidität de«
H,u>delflandcs. — Fallissements. — Eisenbahncongreß. — Theater,

Der Geist der Reform hat in letzter Zeit begonnen, Eingang unter einem großen
Theil der hiesigen Bürgerschaft zu finden. Es haben so stürmische Sitzungen im Rath¬
hause stattgefunden, wie in langen, langen Jahren nicht mehr, und ein Hochweiser
Senat ist von der Bürgerschaft bisweilen gar hart bedrängt worden. Dauerte doch
eine Sitzung bis über zehn Uhr Abends, und die lauge Reihe der Wagen mußte an
fünf Stunden ihrer Herren, die unterdeß einen heißen Kampf ausfochten, vergeblich
harren. Besonders der Verein der „Grundeigenthümer" macht dem Senat jetzt viel
zu schaffen und ist mit die Seele der Opposition. Das Grundeigenthum ist aber auch
vorzugsweise in Hamburg mit hohen Steuern belegt, die durch die unglückliche Brand¬
katastrophe vermehrt, in jetziger Zeit besonders drückend sind und wohl den Wunsch
nach größerer Ersparniß rege machen können. Gerade jetzt fangen die Folgen dieses
Brandes, die hauptsächlich den Mittelstand treffen, erst recht an fühlbar zu werden.
Man baute in der ersten Zeit, da Geld zu niedrigen Zinsen genug vorhanden war, zu


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[0491] meine Ohren. Ihre Hand, Sire — ich falle. Elisabeth, Du weinst? Was ist mit mir? Was? — Droht Gefahr? Mein Kopf ist verwirrt. Gardiner (für sich): Wir müssen sie auf etwas anders bringen, sonst verliert sie den Verstand, Ich bringe des falschen Dudler/s Verzeihung. (laut) Ha! Verzeihung — für Dudley? — Ich entsinne mich. Gib schnell, Maria: schnell! Gib! So — wie er mein armes Herz, — so zerreiße ich dies. Ankommen soll er, der elende Wicht. — Noch ein anderes Papier muß da sein, — sein Urtheil. Eine Feder her! Er sterbe! Herzenstödter, ehe die Sonne sinkt, Rache! Hört Ihr? Rache! Ein Geier nagt an meinem Herzen. — Gebt mir Nahrung sür meine Rache! — Da ist noch Einer, sür den ich sie brauche. Wo ist er? — Und wo ist meine zärt¬ liche Schwester? Bolena's Kind? Ergreift sie, die Falsche! — Sie ist unschuldig. Gardiner: Stille nur, Mylord. Elisabeth: Marie: Wer will mir Halt gebieten? Gehorchet, Sire! oder, oder — ich thue etwas, wovor der Engel der Versöhnung erbleichen soll. Ha! Noch da? — D« elen¬ der, elender Wicht! — Erst will, will ich ihn, den ich geliebt, noch einmal recht an¬ sehen (Sie ergreift ihm beim Arm, betrachtet ihn und küßt ihm aus die Stirne,) Der letzten Liebe letzte Schwäche. Jetzt bin ich nicht mehr schwach. Jetzt weiche, Milde, aus meinem Herzen! Fort mit ihm — und mit ihr! Beide werden in Gewahrsam gegeben. Was würde man in Deutschland zu einer solchen Marie sagen? Neulich wurde ein neues Stück mit vielem Beifall auf die Bühne gebracht, das „der rohe Diamant" betitelt war, und dessen Heldin, ein junges unschuldiges Land- mädchen, ihr größtes Vergnügen darin findet, mit einem Schweine zu spielen, das auch unter großem Applaus sein tivliut auf der Bühne machte. — Wenn daher Macready über den Verfall des Theaters seufzt, und es für beinahe eine Unmöglichkeit hält, mit einem guten klassischen Stück das Haus zu füllen, so hat er darin gewiß sehr recht, weil tagtäglich der Augenschein beweist, wie tief der Geschmack sür dramatische Kunst Ämeltl. in Verfall gerathen ist. — III. Aus Hamburg. Reformenunzufriedeiihcit unter den Grundeigcnthümcrn. — Aengstlichkeit der Censur. — Solidität de« H,u>delflandcs. — Fallissements. — Eisenbahncongreß. — Theater, Der Geist der Reform hat in letzter Zeit begonnen, Eingang unter einem großen Theil der hiesigen Bürgerschaft zu finden. Es haben so stürmische Sitzungen im Rath¬ hause stattgefunden, wie in langen, langen Jahren nicht mehr, und ein Hochweiser Senat ist von der Bürgerschaft bisweilen gar hart bedrängt worden. Dauerte doch eine Sitzung bis über zehn Uhr Abends, und die lauge Reihe der Wagen mußte an fünf Stunden ihrer Herren, die unterdeß einen heißen Kampf ausfochten, vergeblich harren. Besonders der Verein der „Grundeigenthümer" macht dem Senat jetzt viel zu schaffen und ist mit die Seele der Opposition. Das Grundeigenthum ist aber auch vorzugsweise in Hamburg mit hohen Steuern belegt, die durch die unglückliche Brand¬ katastrophe vermehrt, in jetziger Zeit besonders drückend sind und wohl den Wunsch nach größerer Ersparniß rege machen können. Gerade jetzt fangen die Folgen dieses Brandes, die hauptsächlich den Mittelstand treffen, erst recht an fühlbar zu werden. Man baute in der ersten Zeit, da Geld zu niedrigen Zinsen genug vorhanden war, zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/491>, abgerufen am 12.12.2024.