Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.Zeit, die legitimen Corps, müssen die nivellirenden Tendenzen der Aufklärung mit An der Saale schönem Strande Stehen Burgen hoch und hehr; Ihre Burgen sind gefallen Und der Wind streicht durch die Hallen, Wolken ziehen drüber her. Aber das ist eigentlich auch schon sentimental, und das holde Schenkmäd- "Solche Brüder müssen wir haben, Die versaufen Hemd und Kragen, Strumpf' und Schuh, Strumpf' und Schuh Und laufen dem T --l barfuß zu. Zum Zippel, zum Zappel, zum Kellerloch 'nein, Heut' muß alles versoffen sein." Fahr' wohl, du selige Zeit bierathmender Romantik! fahr' wohl, du schöner In Halle auf dem Markt, Da steht eine große Kirche. Die Burschenschaft und die Landsmannschaft Die haben dort Platz zum Beten. Diese Häuser, die aus dem speziellen Zweck aufgerichtet zu sein scheinen, Zeit, die legitimen Corps, müssen die nivellirenden Tendenzen der Aufklärung mit An der Saale schönem Strande Stehen Burgen hoch und hehr; Ihre Burgen sind gefallen Und der Wind streicht durch die Hallen, Wolken ziehen drüber her. Aber das ist eigentlich auch schon sentimental, und das holde Schenkmäd- „Solche Brüder müssen wir haben, Die versaufen Hemd und Kragen, Strumpf' und Schuh, Strumpf' und Schuh Und laufen dem T —l barfuß zu. Zum Zippel, zum Zappel, zum Kellerloch 'nein, Heut' muß alles versoffen sein." Fahr' wohl, du selige Zeit bierathmender Romantik! fahr' wohl, du schöner In Halle auf dem Markt, Da steht eine große Kirche. Die Burschenschaft und die Landsmannschaft Die haben dort Platz zum Beten. Diese Häuser, die aus dem speziellen Zweck aufgerichtet zu sein scheinen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0462" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185226"/> <p xml:id="ID_1524" prev="#ID_1523"> Zeit, die legitimen Corps, müssen die nivellirenden Tendenzen der Aufklärung mit<lb/> hegelianischer Dialectik bekämpfen; es ist eine reflectirte Naivität, die der Stamm<lb/> Juda den Philistern entgegenträgt. Zwar erschallt noch immer beim schönen Mond¬<lb/> schein von der Nabeninsel her aus rostigen Kehlen in chernSkischen Dissonanzen<lb/> das alte Lied:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_12" type="poem"> <l> An der Saale schönem Strande<lb/> Stehen Burgen hoch und hehr;<lb/> Ihre Burgen sind gefallen<lb/> Und der Wind streicht durch die Hallen,<lb/> Wolken ziehen drüber her.</l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1525"> Aber das ist eigentlich auch schon sentimental, und das holde Schenkmäd-<lb/> chen, das sein Tuch dem flotten Musensohn nachschwenkt, sieht aus wie eine Re¬<lb/> miniscenz aus der schwäbischen Schule; sie hat ohne Zweifel Rosmarin und Gelb-<lb/> veiglein an der Brust, und ihre Schönheit ist transparent und conventionell, wie<lb/> die eines Düsseldorfer Nitterfränleins. Das klang denn doch früher harmonischer,<lb/> ursprünglicher und mehr im Geiste der Ritterzeit, wenn es im lauten Chorgesang<lb/> erscholl:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_13" type="poem"> <l> „Solche Brüder müssen wir haben,<lb/> Die versaufen Hemd und Kragen,<lb/> Strumpf' und Schuh, Strumpf' und Schuh<lb/> Und laufen dem T —l barfuß zu.<lb/> Zum Zippel, zum Zappel, zum Kellerloch 'nein,<lb/> Heut' muß alles versoffen sein."</l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1526"> Fahr' wohl, du selige Zeit bierathmender Romantik! fahr' wohl, du schöner<lb/> Stern! Auch Patroclus ist gestorben, und war mehr als du. Jetzt singen sie in<lb/> pietistisch weinerlicher Resignation von dem stattlichen Haus, das sie erbaut und<lb/> worin sie auf Gott vertraut hätten, das aber Gott verlassen — wer weiß warum!</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_14" type="poem"> <l> In Halle auf dem Markt,<lb/> Da steht eine große Kirche.<lb/> Die Burschenschaft und die Landsmannschaft<lb/> Die haben dort Platz zum Beten.</l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1527" next="#ID_1528"> Diese Häuser, die aus dem speziellen Zweck aufgerichtet zu sein scheinen,<lb/> die Unsymmetrie in allen Formen zN versinnttchen, diese engen, krummen<lb/> Gassen, die in schneckenförmigen Windungen zu dem entgegengesetzten Ziel<lb/> hinführen, als das, auf welches sie gerichtet zu sein schienen, wie das<lb/> Labyrinth eines gothischen Klosterganges; diese Pfützen, in denen eine Horde<lb/> weißköpfiger kleiner Barfüßer in unschuldsvoller Gemeinschaft mit dem von<lb/> Moses verfluchten Geschlecht civilisirter Eber ihr harmloses Spiel treibt, diese<lb/> dunkeln Wohnungen des Jammers, die namentlich der Klinicist näher zu in-<lb/> spiciren Gelegenheit hat, im pesthaucheuden Dunst der Armuth und des Lasters —<lb/> nicht eine idyllisch idealistischen Armuth, wie sie Jean Paul erträumt, sondern<lb/> der bittere Realismus der Noth, wie wir sie aus dem Griffel eines Dickens</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0462]
Zeit, die legitimen Corps, müssen die nivellirenden Tendenzen der Aufklärung mit
hegelianischer Dialectik bekämpfen; es ist eine reflectirte Naivität, die der Stamm
Juda den Philistern entgegenträgt. Zwar erschallt noch immer beim schönen Mond¬
schein von der Nabeninsel her aus rostigen Kehlen in chernSkischen Dissonanzen
das alte Lied:
An der Saale schönem Strande
Stehen Burgen hoch und hehr;
Ihre Burgen sind gefallen
Und der Wind streicht durch die Hallen,
Wolken ziehen drüber her.
Aber das ist eigentlich auch schon sentimental, und das holde Schenkmäd-
chen, das sein Tuch dem flotten Musensohn nachschwenkt, sieht aus wie eine Re¬
miniscenz aus der schwäbischen Schule; sie hat ohne Zweifel Rosmarin und Gelb-
veiglein an der Brust, und ihre Schönheit ist transparent und conventionell, wie
die eines Düsseldorfer Nitterfränleins. Das klang denn doch früher harmonischer,
ursprünglicher und mehr im Geiste der Ritterzeit, wenn es im lauten Chorgesang
erscholl:
„Solche Brüder müssen wir haben,
Die versaufen Hemd und Kragen,
Strumpf' und Schuh, Strumpf' und Schuh
Und laufen dem T —l barfuß zu.
Zum Zippel, zum Zappel, zum Kellerloch 'nein,
Heut' muß alles versoffen sein."
Fahr' wohl, du selige Zeit bierathmender Romantik! fahr' wohl, du schöner
Stern! Auch Patroclus ist gestorben, und war mehr als du. Jetzt singen sie in
pietistisch weinerlicher Resignation von dem stattlichen Haus, das sie erbaut und
worin sie auf Gott vertraut hätten, das aber Gott verlassen — wer weiß warum!
In Halle auf dem Markt,
Da steht eine große Kirche.
Die Burschenschaft und die Landsmannschaft
Die haben dort Platz zum Beten.
Diese Häuser, die aus dem speziellen Zweck aufgerichtet zu sein scheinen,
die Unsymmetrie in allen Formen zN versinnttchen, diese engen, krummen
Gassen, die in schneckenförmigen Windungen zu dem entgegengesetzten Ziel
hinführen, als das, auf welches sie gerichtet zu sein schienen, wie das
Labyrinth eines gothischen Klosterganges; diese Pfützen, in denen eine Horde
weißköpfiger kleiner Barfüßer in unschuldsvoller Gemeinschaft mit dem von
Moses verfluchten Geschlecht civilisirter Eber ihr harmloses Spiel treibt, diese
dunkeln Wohnungen des Jammers, die namentlich der Klinicist näher zu in-
spiciren Gelegenheit hat, im pesthaucheuden Dunst der Armuth und des Lasters —
nicht eine idyllisch idealistischen Armuth, wie sie Jean Paul erträumt, sondern
der bittere Realismus der Noth, wie wir sie aus dem Griffel eines Dickens
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