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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Plaudereien aus London.

Nctelbilder. -- Irland und der Pät'se. -- Hvchkirchliche Verlegenheiten. -- Der jüdisch- Stein des An¬
stoßes. -- Ein SchncidcrSsvhn. -- Fanny Kent-in auf der Eisenbahn. -- Deutsche und c"glisel,e Schienen-
Wege. -- Shakespeare und sein Haus. -- Lady Vyro". -- Miß Vurdctt und Dickens--Vvz. --
England und die Schweiz.

"Punch" hat den Einzug der Nebel in London mit lustigen Witzworten an¬
gekündigt und dadurch ein Beispiel gegeben, wie man diesen bösen Feind empfan¬
gen solle. Wirklich hat sich bis jetzt uoch Niemand erhängt. Doch war die Sonne
schon manchen Tag nicht nnr nicht sichtbar, sondern sogar hinter einer so dicken
Atmosphäre versteckt, daß man durch eine künstliche Erleuchtung das mangelnde
Himmelslicht ersetzen mußte, und selbst die gute Luna zeigte ihr bleiches Angesicht
so verschleiert, daß sogar ein Musensohn vergeblich nach ihren Zügen gespäht ha¬
ben möchte. Wenn Wolken und Schatten so allüberall den engsten Horizont be¬
grenzen, da wird es schwer ein freudiges Licht leuchten zu lassen, das Leben bekommt
eine recht ernste Seite -- doppelt ernst aber diesmal durch die Gclderisis und
die zunehmende Noth der niedern Classen. Das Parlament ist daher früher zu-
sanunenberufeu worden, um einen Ausweg aus diesem Labyrinth von Schwie¬
rigkeiten aller Art zu ersinnen. Und während nun die erstell Männer des
Staates ernstlich darüber nachsinnen, steht das Uebel nicht still, werden
unzählige Familien ihrer ganzen Habe für die Gegenwart und Zukunft be¬
hubt/und Rußland, das arglistige Nußland, sendet sein schönes neues Gold
und steigert dadurch momentan den Werth der hiesigen Staatspapiere, während
die Fabrikanten in Manchester und Birmingham ihre Arbeiter entlassen, die zu
Wlsenden nach Brot gehen, und der irische Pöbel nach den Gutbesitzern schießt
und in seinem blinden Wahn nicht seine Unterdrücker, sondern die Wohlgesinnten
Erfolgt, von denen die Armuth in Zeiten der Noth Unterstützung hätte hoffen
können.

Dies ist der Zustand der englischen Angelegenheiten, wenn man sie im Ganzen
überblickt, und weil sie so, wie sie sind, manche Befürchtungen zulassen, erregt
dies auf dem Continente die Idee, alles müsse sich hier der Schwäche, der Sorge
und bangen Erwartung hingeben und für die Zukunft Englands und für seine
Größe und seinen Wohlstand zittern. Dem ist aber gar nicht so. Weder im öf¬
fentlichen noch im Familienleben bemerkt man den geringsten Unterschied, Jeder


Grenzl-oder. IV. 1847, ' 50
Plaudereien aus London.

Nctelbilder. — Irland und der Pät'se. — Hvchkirchliche Verlegenheiten. — Der jüdisch- Stein des An¬
stoßes. — Ein SchncidcrSsvhn. — Fanny Kent-in auf der Eisenbahn. — Deutsche und c»glisel,e Schienen-
Wege. — Shakespeare und sein Haus. — Lady Vyro». — Miß Vurdctt und Dickens--Vvz. —
England und die Schweiz.

„Punch" hat den Einzug der Nebel in London mit lustigen Witzworten an¬
gekündigt und dadurch ein Beispiel gegeben, wie man diesen bösen Feind empfan¬
gen solle. Wirklich hat sich bis jetzt uoch Niemand erhängt. Doch war die Sonne
schon manchen Tag nicht nnr nicht sichtbar, sondern sogar hinter einer so dicken
Atmosphäre versteckt, daß man durch eine künstliche Erleuchtung das mangelnde
Himmelslicht ersetzen mußte, und selbst die gute Luna zeigte ihr bleiches Angesicht
so verschleiert, daß sogar ein Musensohn vergeblich nach ihren Zügen gespäht ha¬
ben möchte. Wenn Wolken und Schatten so allüberall den engsten Horizont be¬
grenzen, da wird es schwer ein freudiges Licht leuchten zu lassen, das Leben bekommt
eine recht ernste Seite — doppelt ernst aber diesmal durch die Gclderisis und
die zunehmende Noth der niedern Classen. Das Parlament ist daher früher zu-
sanunenberufeu worden, um einen Ausweg aus diesem Labyrinth von Schwie¬
rigkeiten aller Art zu ersinnen. Und während nun die erstell Männer des
Staates ernstlich darüber nachsinnen, steht das Uebel nicht still, werden
unzählige Familien ihrer ganzen Habe für die Gegenwart und Zukunft be¬
hubt/und Rußland, das arglistige Nußland, sendet sein schönes neues Gold
und steigert dadurch momentan den Werth der hiesigen Staatspapiere, während
die Fabrikanten in Manchester und Birmingham ihre Arbeiter entlassen, die zu
Wlsenden nach Brot gehen, und der irische Pöbel nach den Gutbesitzern schießt
und in seinem blinden Wahn nicht seine Unterdrücker, sondern die Wohlgesinnten
Erfolgt, von denen die Armuth in Zeiten der Noth Unterstützung hätte hoffen
können.

Dies ist der Zustand der englischen Angelegenheiten, wenn man sie im Ganzen
überblickt, und weil sie so, wie sie sind, manche Befürchtungen zulassen, erregt
dies auf dem Continente die Idee, alles müsse sich hier der Schwäche, der Sorge
und bangen Erwartung hingeben und für die Zukunft Englands und für seine
Größe und seinen Wohlstand zittern. Dem ist aber gar nicht so. Weder im öf¬
fentlichen noch im Familienleben bemerkt man den geringsten Unterschied, Jeder


Grenzl-oder. IV. 1847, ' 50
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[0393] Plaudereien aus London. Nctelbilder. — Irland und der Pät'se. — Hvchkirchliche Verlegenheiten. — Der jüdisch- Stein des An¬ stoßes. — Ein SchncidcrSsvhn. — Fanny Kent-in auf der Eisenbahn. — Deutsche und c»glisel,e Schienen- Wege. — Shakespeare und sein Haus. — Lady Vyro». — Miß Vurdctt und Dickens--Vvz. — England und die Schweiz. „Punch" hat den Einzug der Nebel in London mit lustigen Witzworten an¬ gekündigt und dadurch ein Beispiel gegeben, wie man diesen bösen Feind empfan¬ gen solle. Wirklich hat sich bis jetzt uoch Niemand erhängt. Doch war die Sonne schon manchen Tag nicht nnr nicht sichtbar, sondern sogar hinter einer so dicken Atmosphäre versteckt, daß man durch eine künstliche Erleuchtung das mangelnde Himmelslicht ersetzen mußte, und selbst die gute Luna zeigte ihr bleiches Angesicht so verschleiert, daß sogar ein Musensohn vergeblich nach ihren Zügen gespäht ha¬ ben möchte. Wenn Wolken und Schatten so allüberall den engsten Horizont be¬ grenzen, da wird es schwer ein freudiges Licht leuchten zu lassen, das Leben bekommt eine recht ernste Seite — doppelt ernst aber diesmal durch die Gclderisis und die zunehmende Noth der niedern Classen. Das Parlament ist daher früher zu- sanunenberufeu worden, um einen Ausweg aus diesem Labyrinth von Schwie¬ rigkeiten aller Art zu ersinnen. Und während nun die erstell Männer des Staates ernstlich darüber nachsinnen, steht das Uebel nicht still, werden unzählige Familien ihrer ganzen Habe für die Gegenwart und Zukunft be¬ hubt/und Rußland, das arglistige Nußland, sendet sein schönes neues Gold und steigert dadurch momentan den Werth der hiesigen Staatspapiere, während die Fabrikanten in Manchester und Birmingham ihre Arbeiter entlassen, die zu Wlsenden nach Brot gehen, und der irische Pöbel nach den Gutbesitzern schießt und in seinem blinden Wahn nicht seine Unterdrücker, sondern die Wohlgesinnten Erfolgt, von denen die Armuth in Zeiten der Noth Unterstützung hätte hoffen können. Dies ist der Zustand der englischen Angelegenheiten, wenn man sie im Ganzen überblickt, und weil sie so, wie sie sind, manche Befürchtungen zulassen, erregt dies auf dem Continente die Idee, alles müsse sich hier der Schwäche, der Sorge und bangen Erwartung hingeben und für die Zukunft Englands und für seine Größe und seinen Wohlstand zittern. Dem ist aber gar nicht so. Weder im öf¬ fentlichen noch im Familienleben bemerkt man den geringsten Unterschied, Jeder Grenzl-oder. IV. 1847, ' 50

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/393>, abgerufen am 12.12.2024.