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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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getragen werde, irgend ein Vermögen zur Deckung seines Gläubigers namhaft zu
machen, worauf dieser jedesmal irgend eine entweder nie bestandene oder längst
uneinbringliche Forderung angibt, worüber dann erst wieder bei eignen Tagfahrten
verhandelt, gegen das Erkenntniß abermals sowie gegen den Güternamhaftmachnngs-
Auftrag selbst recurrirt, und durch alle diese Vorgänge bis zur Erwirkung des
Personal-Arrestes gleichfalls ein Zeitraum von wenigstens einem vollen Jahre ge¬
wonnen werden kann.

Hat man es endlich bis zur Erwirkung des Personalarrestes gebracht, so lehrt
die Erfahrung, daß solcher bei der hier üblichen Weise, wo ein Krankenzeugniß
des stets bereitwilligen Arztes (Physikus) hinreicht um deu freien Ausgang zu
erwirken, wo ferner die sämmtlichen Schuld-Arrestanten in ihrer Haft ganz brüder¬
lich in Saus und Braus leben und sich durchaus keinen Genuß zu versagen brau¬
chen, während ihre Gläubiger den zu ihrem nothwendigen Unterhalt erforder¬
lichen Betrag auslegen müssen, -- besonders da die ganze Arrestzeit auf ein Jahr
beschränkt ist, -- durchaus kein günstiges Resultat liefert.

Was endlich das Concurs-Verfahren betrifft, welches nicht leicht langwieriger
sein könnte, so konnte solches bisher insbesondere aus dem Grunde, weil die Un¬
tersuchung des Cridatars einem einzelnen Gerichtsbeamten ohne alle Controle über¬
lassen war, durchaus kein günstiges Resultat liefern und wenn wir gleich hoffen,
daß es hierin in Folge eines diesfalls erschienenen scheinbar sehr strengen Gesetzes
etwas besser werden dürfte, so müssen wir jedoch hierbei drei wesentliche, den be¬
absichtigten Zweck größtentheils vereitelnde Mängel hervorheben, daß es nämlich
-t) dem bloßen Ermessen des Richters überlassen sei, ob er den Cridatar arretiren
wolle oder nicht, I>) daß dem Richter kein Termin zu dieser Entscheidung und zur
Beendigung der Untersuchung festgesetzt ist, wo wir mit Recht befürchten zu müssen
glauben, daß es bei unseren nicht landesfürstlichen Gerichtsstellen so ziemlich beim
Alten verbleiben werde, und <-) daß es dem Gläubiger uicht möglich gemacht
wurde, gegen seinen Schuldner die Eröffnung des Concurses früher, als vor Ver¬
lauf von mehreren Jahren zu erwirken.

Dies ist nnn der Zustand der Justiz in der Hauptstadt Böhmens und man
kann überzeugt sein, daß solche bei den Magistraten und Patrimonialgerichten deS
flachen Landes, mit wenig Ausnahme, noch weit schlechter sei, und daß da mitunter
eine gräuliche Justiz geübt werde.

Nicht allein daß hier hänstg Fälle vorkommen, daß Richter und Advocat
eine und dieselbe Person sind, daß insbesondere bei den Landmagistrateu
dessen Personale für die Parteien die bei der eigenen Stelle anhängigen
Prozesse bearbeiten und für sie die Verlassenschaften abhandeln, so ist oben¬
drein die, einzelnen Jnstiziären*) ertheilte Befugnis; zur Advocatur die Quelle so


Für den nichtösterreichischen Leser müssen wir bemerken, daß die "Iustiziäre" entlassene
Patrimonialrichter sind, welchen die Regierung, um sie nicht brotlos zu lassen, die Advocatur

getragen werde, irgend ein Vermögen zur Deckung seines Gläubigers namhaft zu
machen, worauf dieser jedesmal irgend eine entweder nie bestandene oder längst
uneinbringliche Forderung angibt, worüber dann erst wieder bei eignen Tagfahrten
verhandelt, gegen das Erkenntniß abermals sowie gegen den Güternamhaftmachnngs-
Auftrag selbst recurrirt, und durch alle diese Vorgänge bis zur Erwirkung des
Personal-Arrestes gleichfalls ein Zeitraum von wenigstens einem vollen Jahre ge¬
wonnen werden kann.

Hat man es endlich bis zur Erwirkung des Personalarrestes gebracht, so lehrt
die Erfahrung, daß solcher bei der hier üblichen Weise, wo ein Krankenzeugniß
des stets bereitwilligen Arztes (Physikus) hinreicht um deu freien Ausgang zu
erwirken, wo ferner die sämmtlichen Schuld-Arrestanten in ihrer Haft ganz brüder¬
lich in Saus und Braus leben und sich durchaus keinen Genuß zu versagen brau¬
chen, während ihre Gläubiger den zu ihrem nothwendigen Unterhalt erforder¬
lichen Betrag auslegen müssen, — besonders da die ganze Arrestzeit auf ein Jahr
beschränkt ist, — durchaus kein günstiges Resultat liefert.

Was endlich das Concurs-Verfahren betrifft, welches nicht leicht langwieriger
sein könnte, so konnte solches bisher insbesondere aus dem Grunde, weil die Un¬
tersuchung des Cridatars einem einzelnen Gerichtsbeamten ohne alle Controle über¬
lassen war, durchaus kein günstiges Resultat liefern und wenn wir gleich hoffen,
daß es hierin in Folge eines diesfalls erschienenen scheinbar sehr strengen Gesetzes
etwas besser werden dürfte, so müssen wir jedoch hierbei drei wesentliche, den be¬
absichtigten Zweck größtentheils vereitelnde Mängel hervorheben, daß es nämlich
-t) dem bloßen Ermessen des Richters überlassen sei, ob er den Cridatar arretiren
wolle oder nicht, I>) daß dem Richter kein Termin zu dieser Entscheidung und zur
Beendigung der Untersuchung festgesetzt ist, wo wir mit Recht befürchten zu müssen
glauben, daß es bei unseren nicht landesfürstlichen Gerichtsstellen so ziemlich beim
Alten verbleiben werde, und <-) daß es dem Gläubiger uicht möglich gemacht
wurde, gegen seinen Schuldner die Eröffnung des Concurses früher, als vor Ver¬
lauf von mehreren Jahren zu erwirken.

Dies ist nnn der Zustand der Justiz in der Hauptstadt Böhmens und man
kann überzeugt sein, daß solche bei den Magistraten und Patrimonialgerichten deS
flachen Landes, mit wenig Ausnahme, noch weit schlechter sei, und daß da mitunter
eine gräuliche Justiz geübt werde.

Nicht allein daß hier hänstg Fälle vorkommen, daß Richter und Advocat
eine und dieselbe Person sind, daß insbesondere bei den Landmagistrateu
dessen Personale für die Parteien die bei der eigenen Stelle anhängigen
Prozesse bearbeiten und für sie die Verlassenschaften abhandeln, so ist oben¬
drein die, einzelnen Jnstiziären*) ertheilte Befugnis; zur Advocatur die Quelle so


Für den nichtösterreichischen Leser müssen wir bemerken, daß die „Iustiziäre" entlassene
Patrimonialrichter sind, welchen die Regierung, um sie nicht brotlos zu lassen, die Advocatur
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/390>, abgerufen am 22.07.2024.