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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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ein solches sträfliches Benehmen, wodurch man überdies seinem Gegner, um
sich einen widerrechtlichen Gewinn zu verschaffen, zuweilen den größten Schaden
zufügt, nicht eben so gut wie alle ähnlichen Handlungen als Betrug bestraft wer¬
den sollte.

Wir müssen übrigens bemerken, daß bei den Wechselgerichten, wenn es sich um
förmliche Wechsel handelt, ein schnelleres Verfahren stattfindet, der Art, daß gegen den
betreffenden Schuldner, ohne ihn früher erst einzuvernehmen, die Zahlung binnen
24 Stunden und wenn selbige nicht geleistet wird, ohne Berücksichtigung der etwa
eingebrachten Einwendungen die Execution bis zur Sicherstellung (welche sich sogar
bis zum vorsichtsweisen Arrest erstrecken kann) bewilligt werden muß. Allein auch
hierbei muß man bedauern, daß vom böhmischen Wechselgericht Alles geschehen
ist, um dem redlichen Gläubiger bei Verfolgung seiner Rechte so viele Hindernisse
als möglich in den Weg zu legen. Nicht nur daß nur einmal in der Woche
Sitzung gehalten wird, so muß auch nach einer neuern, angeblich zur Beseitigung
der bei Fallimenten üblichen Klagen und Executionen aus fingirten Forderungen,
eine Klage, wenn selbige noch so dringend ist, wenigstens einen Tag vor der
Sitzungan gebracht werden um bei derselben ihre Erledigung zu finden, widrigenfalls
solche erst bei der nächsten Sitzung d. h> am 9. Tage vorgetragen werden kauu.
Dasselbe ist auch bei der angesuchteu Execution der Fall, da das diesfällige Gesuch
gleichfalls erst bei der nächsten Sitzung, nämlich in acht Tagen, seine Erledi¬
gung findet.

Die Folgen dieser ganz willkürlichen und gesetzwidrigen Manipulation wurden
gleich anfangs von jedem Unbefangenen voraus gesehen. Während sich nämlich
jeder redliche Gläubiger einem solchen ihm zum offenbaren Nachtheile gereichenden,
besonders in der ganz unbegreifliche" Sparsamkeit mit den Sitzungen gegründeten
Unfuge fügen muß, schließt nunmehr der Fallite mit einem seiner Freunde oder
Verwandten bei irgend einer anderen Behörde einen Vergleich ab, mit welchem
er gleich am Tage nach dem Abschlüsse sein ganzes Vermögen in Beschlag nehmen
läßt und vor seinem redlichen Gläubiger sicherzustellen weiß, so daß dieser in Folge
der eben angeführten Verhältnisse jeder möglichen Deckung seiner Forderung beraubt
wird. Früher konnte in dringenden Fällen auf die Erledigung von Klagen und
Executionen anßer der Sitzung oder wie mau es nannte "per rotiren" gedrungen
werden, wobei der redliche Gläubiger gegen den fingirten wenigstens nicht offen¬
bar zurückgesetzt wurde; das böhmische Wechselgericht fand sich jedoch bewogen,
ihm ans nicht bekannten Gründen diese Wohlthat zu entziehen.

Hat man übrigens beim böhmischen Wechselgerichte die den förmlichen Wechseln
eingeräumte schnellere Erledigung der Klage und des Pfändnngsgesnchs genossen,
so beginnt ein benahe eben so träges Verfahren, als man es sonst bei irgend einer
andern Erichtsbehörde nur immer erfahren kann, -- ein Verfahren, das in meh-
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ein solches sträfliches Benehmen, wodurch man überdies seinem Gegner, um
sich einen widerrechtlichen Gewinn zu verschaffen, zuweilen den größten Schaden
zufügt, nicht eben so gut wie alle ähnlichen Handlungen als Betrug bestraft wer¬
den sollte.

Wir müssen übrigens bemerken, daß bei den Wechselgerichten, wenn es sich um
förmliche Wechsel handelt, ein schnelleres Verfahren stattfindet, der Art, daß gegen den
betreffenden Schuldner, ohne ihn früher erst einzuvernehmen, die Zahlung binnen
24 Stunden und wenn selbige nicht geleistet wird, ohne Berücksichtigung der etwa
eingebrachten Einwendungen die Execution bis zur Sicherstellung (welche sich sogar
bis zum vorsichtsweisen Arrest erstrecken kann) bewilligt werden muß. Allein auch
hierbei muß man bedauern, daß vom böhmischen Wechselgericht Alles geschehen
ist, um dem redlichen Gläubiger bei Verfolgung seiner Rechte so viele Hindernisse
als möglich in den Weg zu legen. Nicht nur daß nur einmal in der Woche
Sitzung gehalten wird, so muß auch nach einer neuern, angeblich zur Beseitigung
der bei Fallimenten üblichen Klagen und Executionen aus fingirten Forderungen,
eine Klage, wenn selbige noch so dringend ist, wenigstens einen Tag vor der
Sitzungan gebracht werden um bei derselben ihre Erledigung zu finden, widrigenfalls
solche erst bei der nächsten Sitzung d. h> am 9. Tage vorgetragen werden kauu.
Dasselbe ist auch bei der angesuchteu Execution der Fall, da das diesfällige Gesuch
gleichfalls erst bei der nächsten Sitzung, nämlich in acht Tagen, seine Erledi¬
gung findet.

Die Folgen dieser ganz willkürlichen und gesetzwidrigen Manipulation wurden
gleich anfangs von jedem Unbefangenen voraus gesehen. Während sich nämlich
jeder redliche Gläubiger einem solchen ihm zum offenbaren Nachtheile gereichenden,
besonders in der ganz unbegreifliche» Sparsamkeit mit den Sitzungen gegründeten
Unfuge fügen muß, schließt nunmehr der Fallite mit einem seiner Freunde oder
Verwandten bei irgend einer anderen Behörde einen Vergleich ab, mit welchem
er gleich am Tage nach dem Abschlüsse sein ganzes Vermögen in Beschlag nehmen
läßt und vor seinem redlichen Gläubiger sicherzustellen weiß, so daß dieser in Folge
der eben angeführten Verhältnisse jeder möglichen Deckung seiner Forderung beraubt
wird. Früher konnte in dringenden Fällen auf die Erledigung von Klagen und
Executionen anßer der Sitzung oder wie mau es nannte „per rotiren" gedrungen
werden, wobei der redliche Gläubiger gegen den fingirten wenigstens nicht offen¬
bar zurückgesetzt wurde; das böhmische Wechselgericht fand sich jedoch bewogen,
ihm ans nicht bekannten Gründen diese Wohlthat zu entziehen.

Hat man übrigens beim böhmischen Wechselgerichte die den förmlichen Wechseln
eingeräumte schnellere Erledigung der Klage und des Pfändnngsgesnchs genossen,
so beginnt ein benahe eben so träges Verfahren, als man es sonst bei irgend einer
andern Erichtsbehörde nur immer erfahren kann, — ein Verfahren, das in meh-
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[0387] ein solches sträfliches Benehmen, wodurch man überdies seinem Gegner, um sich einen widerrechtlichen Gewinn zu verschaffen, zuweilen den größten Schaden zufügt, nicht eben so gut wie alle ähnlichen Handlungen als Betrug bestraft wer¬ den sollte. Wir müssen übrigens bemerken, daß bei den Wechselgerichten, wenn es sich um förmliche Wechsel handelt, ein schnelleres Verfahren stattfindet, der Art, daß gegen den betreffenden Schuldner, ohne ihn früher erst einzuvernehmen, die Zahlung binnen 24 Stunden und wenn selbige nicht geleistet wird, ohne Berücksichtigung der etwa eingebrachten Einwendungen die Execution bis zur Sicherstellung (welche sich sogar bis zum vorsichtsweisen Arrest erstrecken kann) bewilligt werden muß. Allein auch hierbei muß man bedauern, daß vom böhmischen Wechselgericht Alles geschehen ist, um dem redlichen Gläubiger bei Verfolgung seiner Rechte so viele Hindernisse als möglich in den Weg zu legen. Nicht nur daß nur einmal in der Woche Sitzung gehalten wird, so muß auch nach einer neuern, angeblich zur Beseitigung der bei Fallimenten üblichen Klagen und Executionen aus fingirten Forderungen, eine Klage, wenn selbige noch so dringend ist, wenigstens einen Tag vor der Sitzungan gebracht werden um bei derselben ihre Erledigung zu finden, widrigenfalls solche erst bei der nächsten Sitzung d. h> am 9. Tage vorgetragen werden kauu. Dasselbe ist auch bei der angesuchteu Execution der Fall, da das diesfällige Gesuch gleichfalls erst bei der nächsten Sitzung, nämlich in acht Tagen, seine Erledi¬ gung findet. Die Folgen dieser ganz willkürlichen und gesetzwidrigen Manipulation wurden gleich anfangs von jedem Unbefangenen voraus gesehen. Während sich nämlich jeder redliche Gläubiger einem solchen ihm zum offenbaren Nachtheile gereichenden, besonders in der ganz unbegreifliche» Sparsamkeit mit den Sitzungen gegründeten Unfuge fügen muß, schließt nunmehr der Fallite mit einem seiner Freunde oder Verwandten bei irgend einer anderen Behörde einen Vergleich ab, mit welchem er gleich am Tage nach dem Abschlüsse sein ganzes Vermögen in Beschlag nehmen läßt und vor seinem redlichen Gläubiger sicherzustellen weiß, so daß dieser in Folge der eben angeführten Verhältnisse jeder möglichen Deckung seiner Forderung beraubt wird. Früher konnte in dringenden Fällen auf die Erledigung von Klagen und Executionen anßer der Sitzung oder wie mau es nannte „per rotiren" gedrungen werden, wobei der redliche Gläubiger gegen den fingirten wenigstens nicht offen¬ bar zurückgesetzt wurde; das böhmische Wechselgericht fand sich jedoch bewogen, ihm ans nicht bekannten Gründen diese Wohlthat zu entziehen. Hat man übrigens beim böhmischen Wechselgerichte die den förmlichen Wechseln eingeräumte schnellere Erledigung der Klage und des Pfändnngsgesnchs genossen, so beginnt ein benahe eben so träges Verfahren, als man es sonst bei irgend einer andern Erichtsbehörde nur immer erfahren kann, — ein Verfahren, das in meh- * 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/387>, abgerufen am 01.10.2024.