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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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sitae gründen zu wollen, ist in der That unbegreiflich. Gewiß im ganzen
deutschen Lande eignete sich kein Ort weniger dazu eine Universitätsstadt zu sein,
als gerade Hamburg. Hier, wo Gott Merkur so unbedingt sein Scepter schwingt,
ist für die Pallas kein Platz mehr. Wer hätte hier studiren sollen, etwa blos
die Söhne der Hanse-Städte? Aber wahrlich, diesen und gar den jungen Ham¬
burgern selbst ist es sehr gut, wenn sie auf eine fremde Universität kommen. Sie
gewinnen dort erst einigen Antheil an den übrigen deutschen Interessen, werden
enger mit den Söhnen unserer andern Stämme Verbunden, was alles für sie nur
sehr günstigen Einfluß haben kann. Es wäre überhaupt zu wünschen, wir hätten
von diesen kleinen Landes-Universitäten, die wir leider noch viel zu viel haben,
ein Dutzend weniger. Statt dessen wollte man gar noch eine neue anlegen, noch
mehr Particular-Interessen dadurch begünstigen. Sowohl das wissenschaftliche
Leben, als auch der Sinn für deutsche Einheit wird auf den großen Hochschulen
viel besser gefördert und findet in jeder Weise viel reichere Nahrung, als auf die¬
sen kleinen, verkümmerten Zwerg-Universitäten, und hätte ganz Deutschland deren
sechs bis acht, es hätte wahrhaftig darau genug. Oder glaubte man etwa, fremde
Eltern würden gerade ihre Söhne vorzugsweise uach Hamburg zum studiren
senden? Dorthin, wo das ganze Leben viel theurer ist als in München,
Jena, Würzburg, Gießen, Marburg, Tübingen .'c., wo er ferner täglich und
stündlich deu Verführungen aller Art, die das ganze hiesige, so sehr üppige Leben
und Treiben darbietet, ausgesetzt ist. Wenn die Tausende von jungen Comptoi-
risten, die Hamburg hat, demselben widerstehen müssen, so ist dies etwas anderes,
denn schon ihre, regelmäßige Lebensart, die Aufsicht der Prinzipale, der Zwang,
zur bestimmten Stunde ans dem Comptoir zu sein, schützt sie. Und dennoch geht
alljährlich eine nicht geringe Zahl derselben an Geist und Körper zu Grunde. Gewiß
alles dies hätte mit vollem Rechte sehr viele Eltern verhindert, ihre Söhne zum
Studieren nach Hamburg zu senden, und die neue Universität hätte auf sehr geringe
Frequenz zählen dürfen. Dies hat denn auch vernünftigerweise die größere Majo¬
rität des Senats und der Bürgerschaft eingesehen, und trotz alles Geschreies und
Zeitungs- und Broschürenlärmes ist das ganze Project bald wieder zu Grabe
getragen worden.

Hamburg ist durch und durch Handelsstadt und seiner kaufmännischen Bedeu¬
tung nach anerkannter Weise einer der wichtigsten Plätze von ganz Europa.
Trotzdem schreitet es nicht darin so fort, wie es sollte. Die Vermehrung seiner
Handelsthätigkeit ist nicht so im Zunehme" begriffen, wie es den schon vorhandenen
Kräften nach sein müßte. Die Ein- und Ausfuhr, wie die Nhcdereilisten weisen zwar
um Allgemeinen jährlich eine Zunahme auf, aber diese ist in Vergleich zu dem,
was schou früher vorhanden, nnr unbedeutend, und gleicht eher einem Stillstande
als Fortschritt. Von alleil unseren größern deutschen Handelsstädten ist Hamburg,
obschon noch immer entschieden die bedeutendste, doch diejenige, welche am stag-


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sitae gründen zu wollen, ist in der That unbegreiflich. Gewiß im ganzen
deutschen Lande eignete sich kein Ort weniger dazu eine Universitätsstadt zu sein,
als gerade Hamburg. Hier, wo Gott Merkur so unbedingt sein Scepter schwingt,
ist für die Pallas kein Platz mehr. Wer hätte hier studiren sollen, etwa blos
die Söhne der Hanse-Städte? Aber wahrlich, diesen und gar den jungen Ham¬
burgern selbst ist es sehr gut, wenn sie auf eine fremde Universität kommen. Sie
gewinnen dort erst einigen Antheil an den übrigen deutschen Interessen, werden
enger mit den Söhnen unserer andern Stämme Verbunden, was alles für sie nur
sehr günstigen Einfluß haben kann. Es wäre überhaupt zu wünschen, wir hätten
von diesen kleinen Landes-Universitäten, die wir leider noch viel zu viel haben,
ein Dutzend weniger. Statt dessen wollte man gar noch eine neue anlegen, noch
mehr Particular-Interessen dadurch begünstigen. Sowohl das wissenschaftliche
Leben, als auch der Sinn für deutsche Einheit wird auf den großen Hochschulen
viel besser gefördert und findet in jeder Weise viel reichere Nahrung, als auf die¬
sen kleinen, verkümmerten Zwerg-Universitäten, und hätte ganz Deutschland deren
sechs bis acht, es hätte wahrhaftig darau genug. Oder glaubte man etwa, fremde
Eltern würden gerade ihre Söhne vorzugsweise uach Hamburg zum studiren
senden? Dorthin, wo das ganze Leben viel theurer ist als in München,
Jena, Würzburg, Gießen, Marburg, Tübingen .'c., wo er ferner täglich und
stündlich deu Verführungen aller Art, die das ganze hiesige, so sehr üppige Leben
und Treiben darbietet, ausgesetzt ist. Wenn die Tausende von jungen Comptoi-
risten, die Hamburg hat, demselben widerstehen müssen, so ist dies etwas anderes,
denn schon ihre, regelmäßige Lebensart, die Aufsicht der Prinzipale, der Zwang,
zur bestimmten Stunde ans dem Comptoir zu sein, schützt sie. Und dennoch geht
alljährlich eine nicht geringe Zahl derselben an Geist und Körper zu Grunde. Gewiß
alles dies hätte mit vollem Rechte sehr viele Eltern verhindert, ihre Söhne zum
Studieren nach Hamburg zu senden, und die neue Universität hätte auf sehr geringe
Frequenz zählen dürfen. Dies hat denn auch vernünftigerweise die größere Majo¬
rität des Senats und der Bürgerschaft eingesehen, und trotz alles Geschreies und
Zeitungs- und Broschürenlärmes ist das ganze Project bald wieder zu Grabe
getragen worden.

Hamburg ist durch und durch Handelsstadt und seiner kaufmännischen Bedeu¬
tung nach anerkannter Weise einer der wichtigsten Plätze von ganz Europa.
Trotzdem schreitet es nicht darin so fort, wie es sollte. Die Vermehrung seiner
Handelsthätigkeit ist nicht so im Zunehme» begriffen, wie es den schon vorhandenen
Kräften nach sein müßte. Die Ein- und Ausfuhr, wie die Nhcdereilisten weisen zwar
um Allgemeinen jährlich eine Zunahme auf, aber diese ist in Vergleich zu dem,
was schou früher vorhanden, nnr unbedeutend, und gleicht eher einem Stillstande
als Fortschritt. Von alleil unseren größern deutschen Handelsstädten ist Hamburg,
obschon noch immer entschieden die bedeutendste, doch diejenige, welche am stag-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/379>, abgerufen am 24.08.2024.