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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Geld muß man aber hier recht viel haben, mehr als in irqend einem andern Orte
Deutschlands. Alles muß bien bezahlt werden, selbst das, was man sonst überall
fast unentgeldlich hat. Das Wasser kostet Geld, nud man sieht es in Kimern in
den Straßen verkaufen, die frische Luft kostet Geld, denn genießt man dieselbe in
den kühleren Abendstunden vor den Thoren, muß man hernach hohe Sperre be¬
zahlen. Der frankirte Brief kostet Geld, denn die Briefträgergcbühr ist hier höher,
wie in anderen Staaten oft das Porto. Wird man eingeladen, kostet es Geld,
denn man muß starke Trinkgelder geben. Das Sterben, wie das Gcborenwerden, ist hier
theuerer, wie überall; kurz, vom Kleinsten bis zum Größten immer nud immer wieder
ist Geld hier die Losung. Man sieht es den widerlich schmutzigen Schillingen hier
recht an, wie rasch sie cirkuliren, in welch' verschiedene Hände sie täglich kommen.
Gerade diese vielen kleinen Ausgaben machen das Leben in Hamburg so theuer,
obgleich sonst der Preis für die einzelnen Gegenstände selbst nicht viel höher, wie
fast überall ist. Aber wer in materieller Hinsicht gut leben will, dem ist diese Stadt
vorzüglich anzurathen, denn für enlinarische Genüsse ist hier reichlich gesorgt.

Aber anch sonst bietet die Stadt Genüsse und Kreise aller Art, unter denen
man immer einen oder den anderen finden wird, welcher unserem geistigen Ge¬
schmack und unserer Bildungsstufe am meisten zusagt. Bibliotheken, ziemlich reich,
wenn auch nicht großartig ausgestattet, Lesevereine, Zeitungskabinette, Kaffeehäuser,
ein recht gutes Stadttheater, das mit gar vielen Hostheatern glücklich concurriren
kann, ein zweites Theater mit tüchtigen Kräften für Lustspiel und Posse und
noch drei bis vier andere Volkstheater bis zur niedrigsten Stufe herab, außer¬
dem gewöhnlich uoch eine Menge Sehenswürdigkeiten verschiedener Gattung, be¬
sonders anch auf dem in dieser Beziehung manches Interesse gewährenden soge¬
nannten "Hamburger Berg." Zudem die hübsche Umgebung der Stadt mit den
vielen schön gelegenen Belustignngsvrten, das bunte Straßenleben, die vielen
Fremden, die bunte Scenerie des Hafens, die trefflichen Commnnikationsmittel,
die vielen Eisenbahnen und Dampfschiffe, die auf leichte Weise nach allen Thei¬
len Europa's die Verbindungen unterhalten. Auch zeichnet den Hamburger
selbst ein heiterer Sinn für Lebensgenuß aller Art aus, die öffentlichen Lokale
sind bis in die sinkende Nacht stets mit Gästen gefüllt; eine Polizeistunde kennt
man hier uicht, und anch in anderer Beziehung ist die Moralität keineswegs
streng, ja die Sitten sind im Allgemeinen ungemein lax zu nennen, trotzdem
daß die Geistlichkeit sehr orthodox ist und sich großes Einflusses erfreut. Man
sieht, es ist eine üppige, reich ausgestattete Stadt, wo man zwar gern dem Ge¬
winn nachjagt, aber auch wieder zu leben versteht. Es sind hier Verführungen
aller Art in Hülle und Fülle, und mancher Junggeselle, ja ganze Familien,
die denselben nicht Kraft genug entgegensetzen konnten, sind daran schon zu Grunde
gegangen.

Wie man das Project fassen konnte, gerade hier in Hamburg eine Univer-


Geld muß man aber hier recht viel haben, mehr als in irqend einem andern Orte
Deutschlands. Alles muß bien bezahlt werden, selbst das, was man sonst überall
fast unentgeldlich hat. Das Wasser kostet Geld, nud man sieht es in Kimern in
den Straßen verkaufen, die frische Luft kostet Geld, denn genießt man dieselbe in
den kühleren Abendstunden vor den Thoren, muß man hernach hohe Sperre be¬
zahlen. Der frankirte Brief kostet Geld, denn die Briefträgergcbühr ist hier höher,
wie in anderen Staaten oft das Porto. Wird man eingeladen, kostet es Geld,
denn man muß starke Trinkgelder geben. Das Sterben, wie das Gcborenwerden, ist hier
theuerer, wie überall; kurz, vom Kleinsten bis zum Größten immer nud immer wieder
ist Geld hier die Losung. Man sieht es den widerlich schmutzigen Schillingen hier
recht an, wie rasch sie cirkuliren, in welch' verschiedene Hände sie täglich kommen.
Gerade diese vielen kleinen Ausgaben machen das Leben in Hamburg so theuer,
obgleich sonst der Preis für die einzelnen Gegenstände selbst nicht viel höher, wie
fast überall ist. Aber wer in materieller Hinsicht gut leben will, dem ist diese Stadt
vorzüglich anzurathen, denn für enlinarische Genüsse ist hier reichlich gesorgt.

Aber anch sonst bietet die Stadt Genüsse und Kreise aller Art, unter denen
man immer einen oder den anderen finden wird, welcher unserem geistigen Ge¬
schmack und unserer Bildungsstufe am meisten zusagt. Bibliotheken, ziemlich reich,
wenn auch nicht großartig ausgestattet, Lesevereine, Zeitungskabinette, Kaffeehäuser,
ein recht gutes Stadttheater, das mit gar vielen Hostheatern glücklich concurriren
kann, ein zweites Theater mit tüchtigen Kräften für Lustspiel und Posse und
noch drei bis vier andere Volkstheater bis zur niedrigsten Stufe herab, außer¬
dem gewöhnlich uoch eine Menge Sehenswürdigkeiten verschiedener Gattung, be¬
sonders anch auf dem in dieser Beziehung manches Interesse gewährenden soge¬
nannten „Hamburger Berg." Zudem die hübsche Umgebung der Stadt mit den
vielen schön gelegenen Belustignngsvrten, das bunte Straßenleben, die vielen
Fremden, die bunte Scenerie des Hafens, die trefflichen Commnnikationsmittel,
die vielen Eisenbahnen und Dampfschiffe, die auf leichte Weise nach allen Thei¬
len Europa's die Verbindungen unterhalten. Auch zeichnet den Hamburger
selbst ein heiterer Sinn für Lebensgenuß aller Art aus, die öffentlichen Lokale
sind bis in die sinkende Nacht stets mit Gästen gefüllt; eine Polizeistunde kennt
man hier uicht, und anch in anderer Beziehung ist die Moralität keineswegs
streng, ja die Sitten sind im Allgemeinen ungemein lax zu nennen, trotzdem
daß die Geistlichkeit sehr orthodox ist und sich großes Einflusses erfreut. Man
sieht, es ist eine üppige, reich ausgestattete Stadt, wo man zwar gern dem Ge¬
winn nachjagt, aber auch wieder zu leben versteht. Es sind hier Verführungen
aller Art in Hülle und Fülle, und mancher Junggeselle, ja ganze Familien,
die denselben nicht Kraft genug entgegensetzen konnten, sind daran schon zu Grunde
gegangen.

Wie man das Project fassen konnte, gerade hier in Hamburg eine Univer-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/378>, abgerufen am 22.07.2024.