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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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mich sei, bei Hellem Tage allein auszugehen, und daß er es für seine Pflicht halte,
um Excesse zu verhüten, mich zu Tisch zu escortiren. Wir aßen nämlich in dem¬
selben Weinhause zu Mittag. Zu derselben Zeit wurde mein Unterredacteur, der
ganz verschiedener Gesinnung war, eines Abends für mich genommen und in der
Straße tüchtig durchgeprügelt. Da man sogar gedacht hatte, mich in meiner ei¬
genen Wohnung zu insnltuen, so erklärte ich durch Bekannte, daß ich den ersten,
der in meinem Hause mich zu überfallen Miene machen sollte, ohne Weiteres nie¬
derschießen würde. Und so habe ich denn wirklich die Basler Zeitung 14 Tage
lang mit geladenem Gewehr bei meinem Schreibtische und einen Säbel vor mir
liegend redigirt. Aber es wurde mir erspart, zu so extremen obwohl nvthgedrnn-
gcnen Vertheidigungsmitteln im Ernste meine Zuflucht zu nehmen. Um ein ans
beiden Seiten unerträglich gewordenes Verhältnis sobald wie möglich zu lösen,
übernahm endlich Ende Monats Mai, wenn ich nicht irre, F. . .. die Redac¬
tion und ich wurde frei. In derselben Zeit wurde mir auch schon die "Neue
Zürcher Zeitung" vom Buchhändler Hagenbnch in Zürich angetragen, welche Georg
Fein bisher redigirt hatte, nud ich wurde aufgefordert, mich ungesäumt an den
eben genannten Ort zu begeben.

Habe ich hier nun manches Widerwärtige vo?> meinen Verhältnissen in Basel
zu berichten gehabt, so muß ich auch gebührendermaßen anführen, daß man später
an demselben Orte meine politische Konsequenz achtend, wenn anch nicht billigend,
anerkannte. Ja es gereicht mir zur Genugthuung berichten zu können, daß, als
im Jahr 1836 eine benachbarte Regierung meine Auslieferung von Stadt Basel
verlangte, die Behörden mir dieses Begehren dnrch einen Freund eröffnen ließen,
und mich warnten, mich nicht in der Stadt zu zeigen. Dies war ein edles Gegen¬
stück von Seite politischer Gegner mit dem Betragen verglichen, welches meine po¬
etischen Freunde in Bern, welches damals Vorort war, gegen mich beobachteten.
Aber zu der Zeit haßte man mich in Bern an gewissen Orten eben so sehr, als
Man je in Basel gethan hatte.

Jetzt sind zehn Jahre seit meiner Vertreibung ans der Schweiz verflossen und
^) sehe Manches ruhiger an, als damals. So will ich auch den Baselern gern die
Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß ihre Lage, als ich zu ihnen kam, eine sehr
schwierige und delikate war, und das eS mehr als menschliche Tugenden voraus-
sehen hieße, Ruhe, Besonnenheit und Unparteilichkeit bei den Männern zu erwar"
^u, welche, obwohl ursprünglich an der Spitze der Liberalen in der Schweiz,
durch die Gewalt der Umstände Konservative geworden und deren Gefühle viel¬
fach aufgeregt und durch Unglück und Ungemach endlich verbittert worden waren.

In Zürich angekommen fand ich von Seiten der Liberalen die beste Aufnahme.
Damals galten die folgenden Männer als die Leiter derselben: Bürgermeister
D- Heß, damals Präsident der Eidgenossenschaft, Bürgermeister Hirzel, Ober
Gerichtspräsident Keller, Staatsanwalt Ulrich, Obcrgerichtsräthe Füßli, Geßner und


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mich sei, bei Hellem Tage allein auszugehen, und daß er es für seine Pflicht halte,
um Excesse zu verhüten, mich zu Tisch zu escortiren. Wir aßen nämlich in dem¬
selben Weinhause zu Mittag. Zu derselben Zeit wurde mein Unterredacteur, der
ganz verschiedener Gesinnung war, eines Abends für mich genommen und in der
Straße tüchtig durchgeprügelt. Da man sogar gedacht hatte, mich in meiner ei¬
genen Wohnung zu insnltuen, so erklärte ich durch Bekannte, daß ich den ersten,
der in meinem Hause mich zu überfallen Miene machen sollte, ohne Weiteres nie¬
derschießen würde. Und so habe ich denn wirklich die Basler Zeitung 14 Tage
lang mit geladenem Gewehr bei meinem Schreibtische und einen Säbel vor mir
liegend redigirt. Aber es wurde mir erspart, zu so extremen obwohl nvthgedrnn-
gcnen Vertheidigungsmitteln im Ernste meine Zuflucht zu nehmen. Um ein ans
beiden Seiten unerträglich gewordenes Verhältnis sobald wie möglich zu lösen,
übernahm endlich Ende Monats Mai, wenn ich nicht irre, F. . .. die Redac¬
tion und ich wurde frei. In derselben Zeit wurde mir auch schon die „Neue
Zürcher Zeitung" vom Buchhändler Hagenbnch in Zürich angetragen, welche Georg
Fein bisher redigirt hatte, nud ich wurde aufgefordert, mich ungesäumt an den
eben genannten Ort zu begeben.

Habe ich hier nun manches Widerwärtige vo?> meinen Verhältnissen in Basel
zu berichten gehabt, so muß ich auch gebührendermaßen anführen, daß man später
an demselben Orte meine politische Konsequenz achtend, wenn anch nicht billigend,
anerkannte. Ja es gereicht mir zur Genugthuung berichten zu können, daß, als
im Jahr 1836 eine benachbarte Regierung meine Auslieferung von Stadt Basel
verlangte, die Behörden mir dieses Begehren dnrch einen Freund eröffnen ließen,
und mich warnten, mich nicht in der Stadt zu zeigen. Dies war ein edles Gegen¬
stück von Seite politischer Gegner mit dem Betragen verglichen, welches meine po¬
etischen Freunde in Bern, welches damals Vorort war, gegen mich beobachteten.
Aber zu der Zeit haßte man mich in Bern an gewissen Orten eben so sehr, als
Man je in Basel gethan hatte.

Jetzt sind zehn Jahre seit meiner Vertreibung ans der Schweiz verflossen und
^) sehe Manches ruhiger an, als damals. So will ich auch den Baselern gern die
Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß ihre Lage, als ich zu ihnen kam, eine sehr
schwierige und delikate war, und das eS mehr als menschliche Tugenden voraus-
sehen hieße, Ruhe, Besonnenheit und Unparteilichkeit bei den Männern zu erwar«
^u, welche, obwohl ursprünglich an der Spitze der Liberalen in der Schweiz,
durch die Gewalt der Umstände Konservative geworden und deren Gefühle viel¬
fach aufgeregt und durch Unglück und Ungemach endlich verbittert worden waren.

In Zürich angekommen fand ich von Seiten der Liberalen die beste Aufnahme.
Damals galten die folgenden Männer als die Leiter derselben: Bürgermeister
D- Heß, damals Präsident der Eidgenossenschaft, Bürgermeister Hirzel, Ober
Gerichtspräsident Keller, Staatsanwalt Ulrich, Obcrgerichtsräthe Füßli, Geßner und


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[0345] mich sei, bei Hellem Tage allein auszugehen, und daß er es für seine Pflicht halte, um Excesse zu verhüten, mich zu Tisch zu escortiren. Wir aßen nämlich in dem¬ selben Weinhause zu Mittag. Zu derselben Zeit wurde mein Unterredacteur, der ganz verschiedener Gesinnung war, eines Abends für mich genommen und in der Straße tüchtig durchgeprügelt. Da man sogar gedacht hatte, mich in meiner ei¬ genen Wohnung zu insnltuen, so erklärte ich durch Bekannte, daß ich den ersten, der in meinem Hause mich zu überfallen Miene machen sollte, ohne Weiteres nie¬ derschießen würde. Und so habe ich denn wirklich die Basler Zeitung 14 Tage lang mit geladenem Gewehr bei meinem Schreibtische und einen Säbel vor mir liegend redigirt. Aber es wurde mir erspart, zu so extremen obwohl nvthgedrnn- gcnen Vertheidigungsmitteln im Ernste meine Zuflucht zu nehmen. Um ein ans beiden Seiten unerträglich gewordenes Verhältnis sobald wie möglich zu lösen, übernahm endlich Ende Monats Mai, wenn ich nicht irre, F. . .. die Redac¬ tion und ich wurde frei. In derselben Zeit wurde mir auch schon die „Neue Zürcher Zeitung" vom Buchhändler Hagenbnch in Zürich angetragen, welche Georg Fein bisher redigirt hatte, nud ich wurde aufgefordert, mich ungesäumt an den eben genannten Ort zu begeben. Habe ich hier nun manches Widerwärtige vo?> meinen Verhältnissen in Basel zu berichten gehabt, so muß ich auch gebührendermaßen anführen, daß man später an demselben Orte meine politische Konsequenz achtend, wenn anch nicht billigend, anerkannte. Ja es gereicht mir zur Genugthuung berichten zu können, daß, als im Jahr 1836 eine benachbarte Regierung meine Auslieferung von Stadt Basel verlangte, die Behörden mir dieses Begehren dnrch einen Freund eröffnen ließen, und mich warnten, mich nicht in der Stadt zu zeigen. Dies war ein edles Gegen¬ stück von Seite politischer Gegner mit dem Betragen verglichen, welches meine po¬ etischen Freunde in Bern, welches damals Vorort war, gegen mich beobachteten. Aber zu der Zeit haßte man mich in Bern an gewissen Orten eben so sehr, als Man je in Basel gethan hatte. Jetzt sind zehn Jahre seit meiner Vertreibung ans der Schweiz verflossen und ^) sehe Manches ruhiger an, als damals. So will ich auch den Baselern gern die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß ihre Lage, als ich zu ihnen kam, eine sehr schwierige und delikate war, und das eS mehr als menschliche Tugenden voraus- sehen hieße, Ruhe, Besonnenheit und Unparteilichkeit bei den Männern zu erwar« ^u, welche, obwohl ursprünglich an der Spitze der Liberalen in der Schweiz, durch die Gewalt der Umstände Konservative geworden und deren Gefühle viel¬ fach aufgeregt und durch Unglück und Ungemach endlich verbittert worden waren. In Zürich angekommen fand ich von Seiten der Liberalen die beste Aufnahme. Damals galten die folgenden Männer als die Leiter derselben: Bürgermeister D- Heß, damals Präsident der Eidgenossenschaft, Bürgermeister Hirzel, Ober Gerichtspräsident Keller, Staatsanwalt Ulrich, Obcrgerichtsräthe Füßli, Geßner und GrenMm. IV. Isi7. 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/345>, abgerufen am 24.08.2024.