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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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grenzenlose Thorheit zu halten. Es muß aber dabei nicht vergessen werden, daß
ich außer den bereits angegebenen Gründen mir auch eine Stellung zu gewinnen
hatte. Und dazu konnte sich kein besserer äußerer Anlaß darbieten. Wenn man
jetzt jene Artikel wieder durchliest, welche damals einen solchen Sturm von Un¬
willen und Wuth in Basel gegen mich erregten, so wird man bei der ruhigen
Haltung dieser Aufsätze und der zwar liberalen, aber keineswegs revolutionären
Tendenz derselben kann begreifen können, wie sie ein so unwünschbarcs Aufsehen
machen und den Verfasser zur Zielscheibe des allgemeinen Hasses machen konnten.
Aber ich habe auch nie Parteigeist ans einer größeren Höhe gesehen als in Basel
im Jahre 1834, einige Ausbrüche glühenden Hasses, aber nur in Worten,.etwa
ausgenommen, die ich von den Lippen französischer Republikaner daun und wann
gegen französische Zustände und hochgestellte Personen zu hören bekam.

Gleich mein erster Artikel "das Verhältniß der Schweiz zu deu großen Mäch¬
ten" abgedruckt, ehe ich noch die Redaction übernommen, erregte allgemeines Mi߬
fallen und machte, daß man mich mit mißtrauischen Augen ansah. Dann brach
nicht lange darauf der Aufstand in Lyon aus. In meinen durchaus unparteiisch
gehaltenen Berichten sah man die entschiedenste Theilnahme für die Insurgenten
und war schon im Begriff, eine Oppositiouözeituug gegen die meine zu begründen,
als die Regierung in Frankreich noch zeitig genug triumphirte und ich keine Ge¬
legenheit mehr hatte, von der Seite gefährliche Nachrichten mitzutheilen. In dem
Leseclub, in welchem ich mich zur Aufnahme gemeldet, fiel ich durch, als über mich
ballotirt wurde, ein Umstand, der mir nicht unerwartet kommen konnte, wenn ich
tue Mienen berücksichtigte, welche schon in der letzten Zeit in diesem Club mir als
Gast begegneten. Bei einigen ältern Männern ging diese Abneigung gegen mich
sogar so weit, daß sie augenblicklich die Stelle oder das Zimmer verließen, wo ich
mich zufällig einfand. Der allgemeine Unwille wuchs je länger je mehr, man
drohte, mir die Rippen zu zerbrechen, mich persönlich zu insultiren, ja sogar mich
in den Rhein zu werfen. Der Verleger und Miteigenthümer der Zeitung bat mich
um Gottes willen, unsere Stellung zu erwägen, und sein Eigenthum nicht ganz
zu ruiniren. Dieser letztern Rücksicht war ich willig nachzugeben. Ich erklärte
demnach in der Zeitung, daß ich im Interesse der öffentlichen Ruhe und der Stadt
beschlossen hätte, von uun an keine leitenden oder raisonnircudeu Artikel mehr zu
schreiben, und daß ich nur ans Rücksicht ans das Interesse des ursprünglichen Eigen¬
thümers der Zeittmg die Redaction so lange fortführen würde, bis sich Jemand
gefunden hätte, der bereit wäre, mir die Redaction abzunehmen. Nun sagte ich
zwar kein Wort mehr, das' irgendwie beleidigen konnte, aber ich stellte, um mich
für das auferlegte Schweigen einigermaßen zu entschädigen, die Thatsachen so zusam¬
men, daß sie oft noch greller sprachen, als das heftigste Raisonnement. Das er¬
regte neuen Sturm. Mein würdiger Freund W..., welcher mir oft freundliche
Vorstellungen machte, kam eines Tages und erklärte mir, daß es nicht mehr sicher für


grenzenlose Thorheit zu halten. Es muß aber dabei nicht vergessen werden, daß
ich außer den bereits angegebenen Gründen mir auch eine Stellung zu gewinnen
hatte. Und dazu konnte sich kein besserer äußerer Anlaß darbieten. Wenn man
jetzt jene Artikel wieder durchliest, welche damals einen solchen Sturm von Un¬
willen und Wuth in Basel gegen mich erregten, so wird man bei der ruhigen
Haltung dieser Aufsätze und der zwar liberalen, aber keineswegs revolutionären
Tendenz derselben kann begreifen können, wie sie ein so unwünschbarcs Aufsehen
machen und den Verfasser zur Zielscheibe des allgemeinen Hasses machen konnten.
Aber ich habe auch nie Parteigeist ans einer größeren Höhe gesehen als in Basel
im Jahre 1834, einige Ausbrüche glühenden Hasses, aber nur in Worten,.etwa
ausgenommen, die ich von den Lippen französischer Republikaner daun und wann
gegen französische Zustände und hochgestellte Personen zu hören bekam.

Gleich mein erster Artikel „das Verhältniß der Schweiz zu deu großen Mäch¬
ten" abgedruckt, ehe ich noch die Redaction übernommen, erregte allgemeines Mi߬
fallen und machte, daß man mich mit mißtrauischen Augen ansah. Dann brach
nicht lange darauf der Aufstand in Lyon aus. In meinen durchaus unparteiisch
gehaltenen Berichten sah man die entschiedenste Theilnahme für die Insurgenten
und war schon im Begriff, eine Oppositiouözeituug gegen die meine zu begründen,
als die Regierung in Frankreich noch zeitig genug triumphirte und ich keine Ge¬
legenheit mehr hatte, von der Seite gefährliche Nachrichten mitzutheilen. In dem
Leseclub, in welchem ich mich zur Aufnahme gemeldet, fiel ich durch, als über mich
ballotirt wurde, ein Umstand, der mir nicht unerwartet kommen konnte, wenn ich
tue Mienen berücksichtigte, welche schon in der letzten Zeit in diesem Club mir als
Gast begegneten. Bei einigen ältern Männern ging diese Abneigung gegen mich
sogar so weit, daß sie augenblicklich die Stelle oder das Zimmer verließen, wo ich
mich zufällig einfand. Der allgemeine Unwille wuchs je länger je mehr, man
drohte, mir die Rippen zu zerbrechen, mich persönlich zu insultiren, ja sogar mich
in den Rhein zu werfen. Der Verleger und Miteigenthümer der Zeitung bat mich
um Gottes willen, unsere Stellung zu erwägen, und sein Eigenthum nicht ganz
zu ruiniren. Dieser letztern Rücksicht war ich willig nachzugeben. Ich erklärte
demnach in der Zeitung, daß ich im Interesse der öffentlichen Ruhe und der Stadt
beschlossen hätte, von uun an keine leitenden oder raisonnircudeu Artikel mehr zu
schreiben, und daß ich nur ans Rücksicht ans das Interesse des ursprünglichen Eigen¬
thümers der Zeittmg die Redaction so lange fortführen würde, bis sich Jemand
gefunden hätte, der bereit wäre, mir die Redaction abzunehmen. Nun sagte ich
zwar kein Wort mehr, das' irgendwie beleidigen konnte, aber ich stellte, um mich
für das auferlegte Schweigen einigermaßen zu entschädigen, die Thatsachen so zusam¬
men, daß sie oft noch greller sprachen, als das heftigste Raisonnement. Das er¬
regte neuen Sturm. Mein würdiger Freund W..., welcher mir oft freundliche
Vorstellungen machte, kam eines Tages und erklärte mir, daß es nicht mehr sicher für


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[0344] grenzenlose Thorheit zu halten. Es muß aber dabei nicht vergessen werden, daß ich außer den bereits angegebenen Gründen mir auch eine Stellung zu gewinnen hatte. Und dazu konnte sich kein besserer äußerer Anlaß darbieten. Wenn man jetzt jene Artikel wieder durchliest, welche damals einen solchen Sturm von Un¬ willen und Wuth in Basel gegen mich erregten, so wird man bei der ruhigen Haltung dieser Aufsätze und der zwar liberalen, aber keineswegs revolutionären Tendenz derselben kann begreifen können, wie sie ein so unwünschbarcs Aufsehen machen und den Verfasser zur Zielscheibe des allgemeinen Hasses machen konnten. Aber ich habe auch nie Parteigeist ans einer größeren Höhe gesehen als in Basel im Jahre 1834, einige Ausbrüche glühenden Hasses, aber nur in Worten,.etwa ausgenommen, die ich von den Lippen französischer Republikaner daun und wann gegen französische Zustände und hochgestellte Personen zu hören bekam. Gleich mein erster Artikel „das Verhältniß der Schweiz zu deu großen Mäch¬ ten" abgedruckt, ehe ich noch die Redaction übernommen, erregte allgemeines Mi߬ fallen und machte, daß man mich mit mißtrauischen Augen ansah. Dann brach nicht lange darauf der Aufstand in Lyon aus. In meinen durchaus unparteiisch gehaltenen Berichten sah man die entschiedenste Theilnahme für die Insurgenten und war schon im Begriff, eine Oppositiouözeituug gegen die meine zu begründen, als die Regierung in Frankreich noch zeitig genug triumphirte und ich keine Ge¬ legenheit mehr hatte, von der Seite gefährliche Nachrichten mitzutheilen. In dem Leseclub, in welchem ich mich zur Aufnahme gemeldet, fiel ich durch, als über mich ballotirt wurde, ein Umstand, der mir nicht unerwartet kommen konnte, wenn ich tue Mienen berücksichtigte, welche schon in der letzten Zeit in diesem Club mir als Gast begegneten. Bei einigen ältern Männern ging diese Abneigung gegen mich sogar so weit, daß sie augenblicklich die Stelle oder das Zimmer verließen, wo ich mich zufällig einfand. Der allgemeine Unwille wuchs je länger je mehr, man drohte, mir die Rippen zu zerbrechen, mich persönlich zu insultiren, ja sogar mich in den Rhein zu werfen. Der Verleger und Miteigenthümer der Zeitung bat mich um Gottes willen, unsere Stellung zu erwägen, und sein Eigenthum nicht ganz zu ruiniren. Dieser letztern Rücksicht war ich willig nachzugeben. Ich erklärte demnach in der Zeitung, daß ich im Interesse der öffentlichen Ruhe und der Stadt beschlossen hätte, von uun an keine leitenden oder raisonnircudeu Artikel mehr zu schreiben, und daß ich nur ans Rücksicht ans das Interesse des ursprünglichen Eigen¬ thümers der Zeittmg die Redaction so lange fortführen würde, bis sich Jemand gefunden hätte, der bereit wäre, mir die Redaction abzunehmen. Nun sagte ich zwar kein Wort mehr, das' irgendwie beleidigen konnte, aber ich stellte, um mich für das auferlegte Schweigen einigermaßen zu entschädigen, die Thatsachen so zusam¬ men, daß sie oft noch greller sprachen, als das heftigste Raisonnement. Das er¬ regte neuen Sturm. Mein würdiger Freund W..., welcher mir oft freundliche Vorstellungen machte, kam eines Tages und erklärte mir, daß es nicht mehr sicher für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/344>, abgerufen am 22.07.2024.