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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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.H nmboldt's Kos in o s



Habt ihr die Masse einmal in Bewegung gesehen, wenn ein neuer Luftballon
aufgehen sollte, bei schönem Wetter, in der freien lustigen Sommerzeit? Habt ihr
das wüste Gedränge vor dem Nllerheiligsteu des Theaters beobachtet, wenn die
schwedische Nachtigall ihre Silbertone von den Brettern ans, welche die Welt be-
deuten, versenden sollte? Einen gleichen Sturm erlebte am 10. November d. I. der
Commissionär der Cotta'schen Buchhandlung in der guten Stadt Leipzig, als die
Nachricht sich verbreitete, die Ballen seien angekommen, in denen Alles stände, was
dem Menschen zu wissen nöthig, "schlich und augenehm sei -- der Kosmos von
Humboldt, der laug erwartete zweite Band.

Wir wissen nicht, wie viele Exemplare von diesem Buche gedruckt wurden.
Thatsache ist's, daß die Leipziger Buchhändler in dieser Woche ganze Ladungen
von dem Werte des weisen Greises nach allen Enden Deutschlands mit athcmloser
Eile verpackter. Denn von allen Seiten war seit -Monaten die Weisung da, die
Wißbegierde des harrenden Publikums sei nicht länger zu zügeln.

Zwar weiß ich viel, sagt Wagner, doch möchte ich Alles wissen. Wenn nun
Alles, was der Mensch wissen kann, in drei mäßigen Bänden, schwarz auf weiß
enthalten ist, sollte mau sich wunder", wenn alle Welt, vom blasirten Magnaten bis
zum additionseifrigcn Banquier, diesen Jubegriff alles Wissens, in saubern Maro¬
quin gebunden, seiner Bibliothek einverleiben will? Nicht um darin zu lesen, aber
um auf dem schönen Einband das wackere Wort: Kosmos, auf deutsch: de i-eliuL
omintni8 et noimM" -üiis, anzustaunen und in süßem Selbstbewußtsein sich zu
sagen: Alles, was zu wissen nöthig ist, steht jetzt in meinen Glasschränken!

Aber es gibt neben diesen leicht befriedigten Geschäftsmännern, denen das
Dasein der Weltweisheit in Maroquin genügt, und ueben den abstrakten Gelehr¬
ten, für welche die Welt aus einer unendlich großen, aber atomistisch zerstückelten
Sammlung von Notizen besteht, die in endlosem Progreß ein Wissen auf das an¬
dere häufe", noch andere Leser, denen der gelehrte Stoff nur Bildungsmittel ist,
die eine Reihe von Frageirin sich haben, und die nur darum das Buch der Na¬
tur und der Geschichte aufschlagen, um sich vou der Qual solcher Fragen zu be¬
freien, Leser, die in der Wissenschaft nur den Schlüssel erblicken für das eigene
Verständniß. Für solche sinnige Leser hat Humboldt geschrieben:


GrtiiMei,. IV. 1Si7. 4t
.H nmboldt's Kos in o s



Habt ihr die Masse einmal in Bewegung gesehen, wenn ein neuer Luftballon
aufgehen sollte, bei schönem Wetter, in der freien lustigen Sommerzeit? Habt ihr
das wüste Gedränge vor dem Nllerheiligsteu des Theaters beobachtet, wenn die
schwedische Nachtigall ihre Silbertone von den Brettern ans, welche die Welt be-
deuten, versenden sollte? Einen gleichen Sturm erlebte am 10. November d. I. der
Commissionär der Cotta'schen Buchhandlung in der guten Stadt Leipzig, als die
Nachricht sich verbreitete, die Ballen seien angekommen, in denen Alles stände, was
dem Menschen zu wissen nöthig, »schlich und augenehm sei — der Kosmos von
Humboldt, der laug erwartete zweite Band.

Wir wissen nicht, wie viele Exemplare von diesem Buche gedruckt wurden.
Thatsache ist's, daß die Leipziger Buchhändler in dieser Woche ganze Ladungen
von dem Werte des weisen Greises nach allen Enden Deutschlands mit athcmloser
Eile verpackter. Denn von allen Seiten war seit -Monaten die Weisung da, die
Wißbegierde des harrenden Publikums sei nicht länger zu zügeln.

Zwar weiß ich viel, sagt Wagner, doch möchte ich Alles wissen. Wenn nun
Alles, was der Mensch wissen kann, in drei mäßigen Bänden, schwarz auf weiß
enthalten ist, sollte mau sich wunder», wenn alle Welt, vom blasirten Magnaten bis
zum additionseifrigcn Banquier, diesen Jubegriff alles Wissens, in saubern Maro¬
quin gebunden, seiner Bibliothek einverleiben will? Nicht um darin zu lesen, aber
um auf dem schönen Einband das wackere Wort: Kosmos, auf deutsch: de i-eliuL
omintni8 et noimM« -üiis, anzustaunen und in süßem Selbstbewußtsein sich zu
sagen: Alles, was zu wissen nöthig ist, steht jetzt in meinen Glasschränken!

Aber es gibt neben diesen leicht befriedigten Geschäftsmännern, denen das
Dasein der Weltweisheit in Maroquin genügt, und ueben den abstrakten Gelehr¬
ten, für welche die Welt aus einer unendlich großen, aber atomistisch zerstückelten
Sammlung von Notizen besteht, die in endlosem Progreß ein Wissen auf das an¬
dere häufe», noch andere Leser, denen der gelehrte Stoff nur Bildungsmittel ist,
die eine Reihe von Frageirin sich haben, und die nur darum das Buch der Na¬
tur und der Geschichte aufschlagen, um sich vou der Qual solcher Fragen zu be¬
freien, Leser, die in der Wissenschaft nur den Schlüssel erblicken für das eigene
Verständniß. Für solche sinnige Leser hat Humboldt geschrieben:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/321>, abgerufen am 05.12.2024.