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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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mit Recht die 'Abschaffung einer solchen Maßregel verlangen können. Mit noch
größerem Schmerze vermissen wir die Volkserziehung unter den königlichen Pro¬
Positionen. Was wird unser Ministerium dafür zu seiner Entschuldigung anfüh¬
ren? Ist es vielleicht nicht an der Zeit, sich mit solchen Kleinigkeiten zu befassen?
Der Umstand, daß in dem Punkte, wo von Modificirnng der Aviticität die Rede
ist, der Nachdruck auf das "adelige" fallen zu müssen scheint, läßt nicht erwarten,
daß der diesfällige Gesetzesvorschlag die Wünsche der Nation ganz zu befriedigen
im Stande sein werde. Die Aufhebung der ungarisch-österreichischen Mauthschran-
ken wird auch schwerlich realisirt werden, weil -- abgesehen davon, daß sie die
Industrie Ungarn's schon im Keime ersticken würde -- dieselbe das Tabacks-Monopol
bedingte, mit welchem wir uns aber vor der Hand durchaus nicht befreunden kön¬
nen. -- Die Erblvskaufung des Bauern, die in Aussicht gestellte Fiumaner-Ei¬
senbahn, so wie das Strafgesetzbuch hingegen, sind eben so viele Monumente, welche
sich der Monarch im Herzen und Andenken seiner treuen Nation gesetzt, und mein
aufrichtiger Wunsch: Es lebe der König! wird gewiß im Herzen jedes Ungarn
Wiederklang finden. -- Montag, am 15. November wird die erste interessante
Zirkelsitzung stattfinden, bei welcher die Verifieation der Deputirten zur Sprache
kommen und die Adrcßdebatte beginnen wird.

Hier in Preßburg herrscht ein Leben, wie es kann, bei der Krönung der Fall
war. Die Mauern wiederhalten von den kräftigen Lauten der ungarischen Sprache,
und die stillen Preßburger erfahren nach drei Jahren wieder einmal, daß sie in
Ungarn wohnen. Die Stadt strotzt von jungen Leuten, den sogenannten Zuraten,
der Geißel des philiströsen (nud anch der Nichtphilistcr! D. Red.) Stilllebens. Die
Verordnung der Regierung, daß die Dictate der LandtagSberichte an die Comi-
tate von nun an durch eine Staatslithographic ersetzt werden sollen, war ein
Verunglücktes Rechenexempel.

Es sind diesmal mehr junge Leute hier als je, und nicht nnr Comitate, sondern
sogar begüterte Patrioten schicken auf ihre Rechnung solche zu diesem unsern ein¬
zigen Cursus über Politik. Es wäre auch wirklich unverzeihlich, wenn sich die
Nation das Recht nehmen ließe, den jungen Männern diese Gelegenheit zu schen¬
ken , sich M ihren künftigen Beruf auszubilden. Der Landtag hat jedenfalls den
Nutzen, zur Läuterung und Befestigung der constitutionellen Ideen und der Lan-
deöknnde beizutragen, oder sie vielmehr zu bewirken. Freilich geschieht Alles, die
jungen Leute zu discipliniren. Die Kneipen und Gasthäuser müssen schon nach 10
Uhr geschlossen werden, es dürfen in den Straßen keine Zuraten zusammentreten.
In keinem Hause dürfen mehr als vier Anraten aufgenommen werden. Doch so lange
keine Excesse geschehen, wird sich Niemand an die strenge Ausführung derselben
wagen. Die regelmäßigen Estaffetten von Preßburg nach Wien haben schon seit acht
Tagen begonnen und anch die geheime Polizei hat uns mit ihren Besuchen beehrt.




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mit Recht die 'Abschaffung einer solchen Maßregel verlangen können. Mit noch
größerem Schmerze vermissen wir die Volkserziehung unter den königlichen Pro¬
Positionen. Was wird unser Ministerium dafür zu seiner Entschuldigung anfüh¬
ren? Ist es vielleicht nicht an der Zeit, sich mit solchen Kleinigkeiten zu befassen?
Der Umstand, daß in dem Punkte, wo von Modificirnng der Aviticität die Rede
ist, der Nachdruck auf das „adelige" fallen zu müssen scheint, läßt nicht erwarten,
daß der diesfällige Gesetzesvorschlag die Wünsche der Nation ganz zu befriedigen
im Stande sein werde. Die Aufhebung der ungarisch-österreichischen Mauthschran-
ken wird auch schwerlich realisirt werden, weil — abgesehen davon, daß sie die
Industrie Ungarn's schon im Keime ersticken würde — dieselbe das Tabacks-Monopol
bedingte, mit welchem wir uns aber vor der Hand durchaus nicht befreunden kön¬
nen. — Die Erblvskaufung des Bauern, die in Aussicht gestellte Fiumaner-Ei¬
senbahn, so wie das Strafgesetzbuch hingegen, sind eben so viele Monumente, welche
sich der Monarch im Herzen und Andenken seiner treuen Nation gesetzt, und mein
aufrichtiger Wunsch: Es lebe der König! wird gewiß im Herzen jedes Ungarn
Wiederklang finden. — Montag, am 15. November wird die erste interessante
Zirkelsitzung stattfinden, bei welcher die Verifieation der Deputirten zur Sprache
kommen und die Adrcßdebatte beginnen wird.

Hier in Preßburg herrscht ein Leben, wie es kann, bei der Krönung der Fall
war. Die Mauern wiederhalten von den kräftigen Lauten der ungarischen Sprache,
und die stillen Preßburger erfahren nach drei Jahren wieder einmal, daß sie in
Ungarn wohnen. Die Stadt strotzt von jungen Leuten, den sogenannten Zuraten,
der Geißel des philiströsen (nud anch der Nichtphilistcr! D. Red.) Stilllebens. Die
Verordnung der Regierung, daß die Dictate der LandtagSberichte an die Comi-
tate von nun an durch eine Staatslithographic ersetzt werden sollen, war ein
Verunglücktes Rechenexempel.

Es sind diesmal mehr junge Leute hier als je, und nicht nnr Comitate, sondern
sogar begüterte Patrioten schicken auf ihre Rechnung solche zu diesem unsern ein¬
zigen Cursus über Politik. Es wäre auch wirklich unverzeihlich, wenn sich die
Nation das Recht nehmen ließe, den jungen Männern diese Gelegenheit zu schen¬
ken , sich M ihren künftigen Beruf auszubilden. Der Landtag hat jedenfalls den
Nutzen, zur Läuterung und Befestigung der constitutionellen Ideen und der Lan-
deöknnde beizutragen, oder sie vielmehr zu bewirken. Freilich geschieht Alles, die
jungen Leute zu discipliniren. Die Kneipen und Gasthäuser müssen schon nach 10
Uhr geschlossen werden, es dürfen in den Straßen keine Zuraten zusammentreten.
In keinem Hause dürfen mehr als vier Anraten aufgenommen werden. Doch so lange
keine Excesse geschehen, wird sich Niemand an die strenge Ausführung derselben
wagen. Die regelmäßigen Estaffetten von Preßburg nach Wien haben schon seit acht
Tagen begonnen und anch die geheime Polizei hat uns mit ihren Besuchen beehrt.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/305>, abgerufen am 22.07.2024.