Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.Das Geheimniß ist da zur Schonung des guten Namens eines etwa übel Die Laufbahn eines österreichischen Beamten, der nicht adlig ist, ist in ihrem Diese Aussicht kann nach Willkür zu nichte gemacht werden. Sie wird in Der übergaugene Beamte ist wie ein Handwerker, dessen Geschäft seine gerech¬ Wer kein Beamter ist, kennt die Einrichtungen der Bureaukratie uicht. Er hört, Das Geheimniß ist da zur Schonung des guten Namens eines etwa übel Die Laufbahn eines österreichischen Beamten, der nicht adlig ist, ist in ihrem Diese Aussicht kann nach Willkür zu nichte gemacht werden. Sie wird in Der übergaugene Beamte ist wie ein Handwerker, dessen Geschäft seine gerech¬ Wer kein Beamter ist, kennt die Einrichtungen der Bureaukratie uicht. Er hört, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0285" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185049"/> <p xml:id="ID_948"> Das Geheimniß ist da zur Schonung des guten Namens eines etwa übel<lb/> beschriebenen Beamten, Aber die üble Eigenschaft des Beamten ist eine Thatsache,<lb/> wenn der Inhalt der Conduitenliste wahr ist. Wie der Präsident diese Thatsache<lb/> erfuhr, haben sie Andere erfahren. Wenn ich eines Raubes angeklagt bin, soll<lb/> ich eingekerkert werden, soll ich gerichtet werden ohne Verhör und Spruch, damit<lb/> die Welt mein Verbrechen nicht erfahre? . . . DaS Geheimniß ist da, damit die<lb/> Chefs ihre Untergebene» freier beurtheilen können. Das ist in der That wahr.<lb/> Der Chef ist der Gefahr überhoben, einer Verleumdung überführt zu werde».<lb/> Er braucht dem Angeklagten gegenüber nicht roth zu werden. Das Publikum<lb/> richtet nicht zwischen ihm und seinem Opfer.</p><lb/> <p xml:id="ID_949"> Die Laufbahn eines österreichischen Beamten, der nicht adlig ist, ist in ihrem<lb/> Anfange nicht mit Blumen bestreut. Der unentgeltliche Dienst mit dem ehren¬<lb/> vollen Namen eines Practikanten, Ausenltators, Accessisten, dauert !> bis 18<lb/> Jahre. Diesen Dienstleistungen folgt eine Anstellung mit einer Besoldung von<lb/> 200 bis 400 Fi., wenn der Beamte keine juridischen Studien gemacht hat. Der Jurist<lb/> von Profession erhält 500 bis 700 Fi. mit der ersten Anstellung. Bei der Theu-<lb/> rung in den mehrsten österreichischen Provinzen sind diese Gehalte kaum hinreichend,<lb/> eine kleine Familie dürftig zu ernähren. Die Beamten leben, indem sie auf Be¬<lb/> förderungen rechnen. Sie heirathen und gründen eine Familie in der Aussicht<lb/> auf Beförderung.</p><lb/> <p xml:id="ID_950"> Diese Aussicht kann nach Willkür zu nichte gemacht werden. Sie wird in<lb/> der That häufig zu nichte gemacht. Der Beamte erhält die Beförderung nicht,<lb/> welche zu erwarten ihn sein Dienstaltcr berechtigte. Er ist anfänglich geneigt, sein<lb/> Mißgeschick aus Begünstigungen seiner Nebenmänner, auf Empfehlungen, Beste¬<lb/> chungen u. s. w. zu schieben. Er macht einen vergeblichen Gang um deu andern,<lb/> eine vergebliche Reise um die andere. Er hofft hundertmal und ist hundertmal<lb/> getäuscht. Er demüthigt sich vergeblich. Endlich erfährt er dnrch einen Zufall,<lb/> durch einen Freund oder ein Geschenk deu Inhalt seiner Conduitenliste und damit,<lb/> warum er uicht befördert wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_951"> Der übergaugene Beamte ist wie ein Handwerker, dessen Geschäft seine gerech¬<lb/> ten Erwartungen hinter sich ließ. Sein Hausstand verfällt, die Kinder, welche<lb/> er mit Rücksicht ans eine andere Zukunft in die Welt setzte, verwildern, er selbst<lb/> leidet die drückendste Noth. Nichts desto weniger hat der österreichische Beamte<lb/> gegen Uebergehuugcn im Avancement keine Beschwerde offen. Vor wenig Jahren<lb/> wurde eine solche von mehrern angesehenen Beamten Venedigs vorgebrachte Be¬<lb/> schwerde herb zurückgewiesen.</p><lb/> <p xml:id="ID_952" next="#ID_953"> Wer kein Beamter ist, kennt die Einrichtungen der Bureaukratie uicht. Er hört,<lb/> daß die Leute nach Verdienst und Fähigkeiten befördert werden und so gilt ihm<lb/> der zurückgesetzte Beamte als ein Mensch von unlauterer Aufführung oder geringen<lb/> Kenntnissen. Die Beamten selbst haben .alle Ursache dem Obern immer und über-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0285]
Das Geheimniß ist da zur Schonung des guten Namens eines etwa übel
beschriebenen Beamten, Aber die üble Eigenschaft des Beamten ist eine Thatsache,
wenn der Inhalt der Conduitenliste wahr ist. Wie der Präsident diese Thatsache
erfuhr, haben sie Andere erfahren. Wenn ich eines Raubes angeklagt bin, soll
ich eingekerkert werden, soll ich gerichtet werden ohne Verhör und Spruch, damit
die Welt mein Verbrechen nicht erfahre? . . . DaS Geheimniß ist da, damit die
Chefs ihre Untergebene» freier beurtheilen können. Das ist in der That wahr.
Der Chef ist der Gefahr überhoben, einer Verleumdung überführt zu werde».
Er braucht dem Angeklagten gegenüber nicht roth zu werden. Das Publikum
richtet nicht zwischen ihm und seinem Opfer.
Die Laufbahn eines österreichischen Beamten, der nicht adlig ist, ist in ihrem
Anfange nicht mit Blumen bestreut. Der unentgeltliche Dienst mit dem ehren¬
vollen Namen eines Practikanten, Ausenltators, Accessisten, dauert !> bis 18
Jahre. Diesen Dienstleistungen folgt eine Anstellung mit einer Besoldung von
200 bis 400 Fi., wenn der Beamte keine juridischen Studien gemacht hat. Der Jurist
von Profession erhält 500 bis 700 Fi. mit der ersten Anstellung. Bei der Theu-
rung in den mehrsten österreichischen Provinzen sind diese Gehalte kaum hinreichend,
eine kleine Familie dürftig zu ernähren. Die Beamten leben, indem sie auf Be¬
förderungen rechnen. Sie heirathen und gründen eine Familie in der Aussicht
auf Beförderung.
Diese Aussicht kann nach Willkür zu nichte gemacht werden. Sie wird in
der That häufig zu nichte gemacht. Der Beamte erhält die Beförderung nicht,
welche zu erwarten ihn sein Dienstaltcr berechtigte. Er ist anfänglich geneigt, sein
Mißgeschick aus Begünstigungen seiner Nebenmänner, auf Empfehlungen, Beste¬
chungen u. s. w. zu schieben. Er macht einen vergeblichen Gang um deu andern,
eine vergebliche Reise um die andere. Er hofft hundertmal und ist hundertmal
getäuscht. Er demüthigt sich vergeblich. Endlich erfährt er dnrch einen Zufall,
durch einen Freund oder ein Geschenk deu Inhalt seiner Conduitenliste und damit,
warum er uicht befördert wurde.
Der übergaugene Beamte ist wie ein Handwerker, dessen Geschäft seine gerech¬
ten Erwartungen hinter sich ließ. Sein Hausstand verfällt, die Kinder, welche
er mit Rücksicht ans eine andere Zukunft in die Welt setzte, verwildern, er selbst
leidet die drückendste Noth. Nichts desto weniger hat der österreichische Beamte
gegen Uebergehuugcn im Avancement keine Beschwerde offen. Vor wenig Jahren
wurde eine solche von mehrern angesehenen Beamten Venedigs vorgebrachte Be¬
schwerde herb zurückgewiesen.
Wer kein Beamter ist, kennt die Einrichtungen der Bureaukratie uicht. Er hört,
daß die Leute nach Verdienst und Fähigkeiten befördert werden und so gilt ihm
der zurückgesetzte Beamte als ein Mensch von unlauterer Aufführung oder geringen
Kenntnissen. Die Beamten selbst haben .alle Ursache dem Obern immer und über-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |