Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.IV Aus der Schweiz. Der Nubicvn ist überschritten, die Feindseligkeiten haben in der Schweiz be¬ Faßt man alle Ursachen des großen Zerwürfnisses in den engsten Rahmen zusam¬ IV Aus der Schweiz. Der Nubicvn ist überschritten, die Feindseligkeiten haben in der Schweiz be¬ Faßt man alle Ursachen des großen Zerwürfnisses in den engsten Rahmen zusam¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0268" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185032"/> </div> <div n="2"> <head> IV<lb/> Aus der Schweiz.</head><lb/> <p xml:id="ID_870"> Der Nubicvn ist überschritten, die Feindseligkeiten haben in der Schweiz be¬<lb/> gonnen, und nur ein Wunder und der Schnee könnte minmehr ihnen Einhalt thun.<lb/> Ein großes, gewaltiges Drama, ein Bürgerkrieg im Herzen Europas, ersteht in nach'<lb/> ster Nähe vor unseren Augen, welche, des laugen, „langweiligen" Friedens gewohnt,<lb/> mit fieberhafter Spannung nach den Alpen blicken, deren Thäler vielleicht jetzt schon<lb/> von dem Donner der Kanonen und dem Knattern der Stutzer, von den Glockcurufcn<lb/> des Landsturms und dem Rachegeschrei der Kämpfer widerhallen. Längst hatten die<lb/> ewigen Wirren der Schweiz, welche an und für sich nichts weiter waren, als die Gäh-<lb/> rungen einer im Gesunden begriffenen Masse, welche mit aller Anstrengung fremde,<lb/> faule Stoffe aus sich zu scheiden bemüht ist, die aber von den meisten deutschen Zei¬<lb/> tungen in höhnischer Breite und entstellt wieder berichtet worden sind, das Interesse<lb/> der Deutschen an den schweizerischen Zuständen erkalten lassen. Jetzt aber, wo auf<lb/> einmal in die Mine der lodernde Feuerbrand des Zorns geschlendert werden soll, wo<lb/> sich Bürgerheerc einander gegenüber stehen, um das zu erringen und zu bewahren,<lb/> was jeder Theil sür Freiheit und für Recht, für Heiligthum der Eidgenossenschaft hält,<lb/> jetzt harrt Jedermann athemlos der Entscheidung, und mehr als jemals tritt das kleine<lb/> Republiken-Eiland inmitten des drohenden Meeres der europäischen Monarchieen in den<lb/> Vordergrund der Zeitgeschichte. Es ist nicht bloße Neugierde, welche diese Erscheinung<lb/> hervorbringt — nein, es ist mehr! denn es gilt der Kampf in der Schweiz großen<lb/> Principien, Interessen, welche mehr oder minder Alle, welchen die politische Entwicke¬<lb/> lung ihres Jahrhunderts oder Vaterlandes am Herze» liegt, aus das Tiefste berühren<lb/> müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_871" next="#ID_872"> Faßt man alle Ursachen des großen Zerwürfnisses in den engsten Rahmen zusam¬<lb/> men, so ergibt sich folgender Thatbestand: Sieben Cantone der schweizerischen Eidge¬<lb/> nossenschaft, Schwyz, Uri, Unterwalden, Luzern, Zug, Wallis und Freiburg, haben<lb/> im Jahr 1845 zuerst in Folge der Aushebung der Aargauischcn Klöster, sodann der<lb/> Eontrercvolution in Wallis und der Frcischaarcnzüge, eine katholische Ligue, den Son-<lb/> derbund, welcher seinem Wesen und Inhalt nach ganz als Erneuerung des goldenen<lb/> borromäischen Bundes von 1586 zu betrachten ist, unter sich geschlossen. Diese An¬<lb/> fangs geheime, dem Staatögrundgcsetz der Eidgenossenschaft »ach ganz unstatthafte, als<lb/> Staat im Staate verderbliche, Verbindung ward durch die Verhandlungen des großen<lb/> Rathes von Freyburg zur Oeffentlichkeit gebracht; die Tagsatzung von 1846 enthüllte<lb/> ein schändliches Gewebe der Verrätherei, welches darthat, daß die Soudcrbündler durch<lb/> das Medium fremder Intervention eine vollständige Reorganisation der Schweiz, im<lb/> Sinne der Restaurationsperiode, beabsichtigten und deshalb schon Schritte gethan hat¬<lb/> ten Der Einfluß der Jesuiten, welche von ihrem Stammsitz Frchburg ans nach und<lb/> nach in Schwyz und Luzern festen Fuß gefaßt, in den übrigen Cantonen der Liane<lb/> dnrch ihre Kreaturen die Macht in Händen hatten, war auch in diesen Machinationen<lb/> offenkundig, und der Schrei der Entrüstung aller Patrioten vereinigte sich mit der<lb/> Wehklage der Geächteten, welche ihres Liberalismus wegen, ans Luzern und Wallis<lb/> vertrieben, ihrer Heimath und Habe beraubt worden waren. Schon die Tagsatzung<lb/> von 1846 verlangte stürmisch Wegweisung der Jesuiten, Auflösung des Sondcrbundcs,<lb/> Amnestie für die Verbannten, aber vergeblich, da die erforderliche Majorität für diese<lb/> Begehren nicht gewonnen werden konnte. Inzwischen gestaltete sich die Stimmung des</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0268]
IV
Aus der Schweiz.
Der Nubicvn ist überschritten, die Feindseligkeiten haben in der Schweiz be¬
gonnen, und nur ein Wunder und der Schnee könnte minmehr ihnen Einhalt thun.
Ein großes, gewaltiges Drama, ein Bürgerkrieg im Herzen Europas, ersteht in nach'
ster Nähe vor unseren Augen, welche, des laugen, „langweiligen" Friedens gewohnt,
mit fieberhafter Spannung nach den Alpen blicken, deren Thäler vielleicht jetzt schon
von dem Donner der Kanonen und dem Knattern der Stutzer, von den Glockcurufcn
des Landsturms und dem Rachegeschrei der Kämpfer widerhallen. Längst hatten die
ewigen Wirren der Schweiz, welche an und für sich nichts weiter waren, als die Gäh-
rungen einer im Gesunden begriffenen Masse, welche mit aller Anstrengung fremde,
faule Stoffe aus sich zu scheiden bemüht ist, die aber von den meisten deutschen Zei¬
tungen in höhnischer Breite und entstellt wieder berichtet worden sind, das Interesse
der Deutschen an den schweizerischen Zuständen erkalten lassen. Jetzt aber, wo auf
einmal in die Mine der lodernde Feuerbrand des Zorns geschlendert werden soll, wo
sich Bürgerheerc einander gegenüber stehen, um das zu erringen und zu bewahren,
was jeder Theil sür Freiheit und für Recht, für Heiligthum der Eidgenossenschaft hält,
jetzt harrt Jedermann athemlos der Entscheidung, und mehr als jemals tritt das kleine
Republiken-Eiland inmitten des drohenden Meeres der europäischen Monarchieen in den
Vordergrund der Zeitgeschichte. Es ist nicht bloße Neugierde, welche diese Erscheinung
hervorbringt — nein, es ist mehr! denn es gilt der Kampf in der Schweiz großen
Principien, Interessen, welche mehr oder minder Alle, welchen die politische Entwicke¬
lung ihres Jahrhunderts oder Vaterlandes am Herze» liegt, aus das Tiefste berühren
müssen.
Faßt man alle Ursachen des großen Zerwürfnisses in den engsten Rahmen zusam¬
men, so ergibt sich folgender Thatbestand: Sieben Cantone der schweizerischen Eidge¬
nossenschaft, Schwyz, Uri, Unterwalden, Luzern, Zug, Wallis und Freiburg, haben
im Jahr 1845 zuerst in Folge der Aushebung der Aargauischcn Klöster, sodann der
Eontrercvolution in Wallis und der Frcischaarcnzüge, eine katholische Ligue, den Son-
derbund, welcher seinem Wesen und Inhalt nach ganz als Erneuerung des goldenen
borromäischen Bundes von 1586 zu betrachten ist, unter sich geschlossen. Diese An¬
fangs geheime, dem Staatögrundgcsetz der Eidgenossenschaft »ach ganz unstatthafte, als
Staat im Staate verderbliche, Verbindung ward durch die Verhandlungen des großen
Rathes von Freyburg zur Oeffentlichkeit gebracht; die Tagsatzung von 1846 enthüllte
ein schändliches Gewebe der Verrätherei, welches darthat, daß die Soudcrbündler durch
das Medium fremder Intervention eine vollständige Reorganisation der Schweiz, im
Sinne der Restaurationsperiode, beabsichtigten und deshalb schon Schritte gethan hat¬
ten Der Einfluß der Jesuiten, welche von ihrem Stammsitz Frchburg ans nach und
nach in Schwyz und Luzern festen Fuß gefaßt, in den übrigen Cantonen der Liane
dnrch ihre Kreaturen die Macht in Händen hatten, war auch in diesen Machinationen
offenkundig, und der Schrei der Entrüstung aller Patrioten vereinigte sich mit der
Wehklage der Geächteten, welche ihres Liberalismus wegen, ans Luzern und Wallis
vertrieben, ihrer Heimath und Habe beraubt worden waren. Schon die Tagsatzung
von 1846 verlangte stürmisch Wegweisung der Jesuiten, Auflösung des Sondcrbundcs,
Amnestie für die Verbannten, aber vergeblich, da die erforderliche Majorität für diese
Begehren nicht gewonnen werden konnte. Inzwischen gestaltete sich die Stimmung des
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