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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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bezeichnet sind, und ans diese Weise ist es noch immer nicht unmöglich, daß die
Regierung mit Hülfe mehrerer der Opposition abgewonnener Coimtate (ich bitte dies
durchans in keiner gehässigen Bedeutung nehmen zu wollen) für manche Fragen
die Majorität zu erkämpfen im Stande sein werde.

Ans den beiden Programmen haben Sie ersehen, wie sowohl die Abschaffung
der Aviticität, die Besteuerung des Adels, die Vertretung der Städte, als auch
die Aufhebung (von der andern Seite Regulirung) der Urbarialverhältnisse, von
beiden Parteien auf den Landtag gebracht werden sollen. Es unterliegt ferner
keinem Zweifel, daß auch die k. Propositionen diese Gegenstände hervorheben wer¬
den. Es handelt sich also um die Ausführung, um das Detail des Gesetzes, und
der Kampf wird sich hauptsächlich um diese drehen. Denn wenn man uns die
Aviticität vom Halse nehmen und dafür Majorate aufbürden will, so hätten wir
so viel als nichts gewonnen. Wenn die Stenerfrage im Sinne der Conservativen
nicht als Grundsteuer und ohne landtägliche Verrechnung erledigt werden würde,
so hätte die Regierung und nicht das Land den Vortheil davon. Wenn die
Städtefrage uicht auf Grundlage eines reformirten (constitutionellen) freien Städte¬
wesens entschieden werden sollte, so hätten wir einen Rückschritt gethan und keinen
Fortschritt u. s. w. Die Opposition wird daher das einen v.muos et "lova, te-
reute" stets im Auge behaltend, sich durch scheinbare Vortheile nicht verleiten lassen
dürfen, und in dieser Beziehung genau und gewissenhaft an ihr Programm halten
müssen. Die Debatte wird es zeigen, ob die Opposition eben so viel Gewandt¬
heit, Sachkenntniß und Takt habe , als sie bisher guten Willen und Ausdauer
gezeigt.

Mau glaubt von vielen Seiten her, die Regierung werde zwischen der Alter¬
native der Auflösung des Landtages und des parlamentarischen Schlachtfeldes
vorerst das Letztere wählen. Man folgert das ans dem Umstände, daß Graf
Szechvuyi, wie ich Ihnen jüngst berichtet, so plötzlich als Kandidat aufgetreten und
hält ihn, da er Statthaltereüath und der angesehenste unter den Männern der Re¬
gierung ist, für ganz geeignet, diese in der Ständetafel zu vertreten. So erklärt
man sich seine Wahl. Nichts destoweniger hofft anch die Opposition viel vom
Grafen (man glaubt gewissermaßen an eine Konversion der Regierung), da er in
seinen Schriften sich stets für die Hauptreformen der jetzigen Opposition erklärt
und seine unaufhörliche Philippiea gegen dieselbe nur durch das "zu früh"
dieser Maßregeln zu entschuldigen gesucht hat. Nun aber sind Maßregeln, welche
von der Majorität und von einer so offenbaren Majorität während der letzten
Jahre immer wieder gefordert werden, gewiß zeitgemäß und der Graf habe demnach
keinen Grund mehr gegen und nicht für dieselben zu sein. Weitere Bekrüsti-
gung dieser Annahme sucht man darin, daß Szvchsnyi als oppositioneller Abgeord¬
neter zum Landtage geht. Diese Hoffnungen dürften sich realisiren, wenn es nur
gelingen wird, seiner Empfindlichkeit gehörig zu begegnen, dem verzärtelten Lieb-


Grenzbottn. IV. 1"i7.

bezeichnet sind, und ans diese Weise ist es noch immer nicht unmöglich, daß die
Regierung mit Hülfe mehrerer der Opposition abgewonnener Coimtate (ich bitte dies
durchans in keiner gehässigen Bedeutung nehmen zu wollen) für manche Fragen
die Majorität zu erkämpfen im Stande sein werde.

Ans den beiden Programmen haben Sie ersehen, wie sowohl die Abschaffung
der Aviticität, die Besteuerung des Adels, die Vertretung der Städte, als auch
die Aufhebung (von der andern Seite Regulirung) der Urbarialverhältnisse, von
beiden Parteien auf den Landtag gebracht werden sollen. Es unterliegt ferner
keinem Zweifel, daß auch die k. Propositionen diese Gegenstände hervorheben wer¬
den. Es handelt sich also um die Ausführung, um das Detail des Gesetzes, und
der Kampf wird sich hauptsächlich um diese drehen. Denn wenn man uns die
Aviticität vom Halse nehmen und dafür Majorate aufbürden will, so hätten wir
so viel als nichts gewonnen. Wenn die Stenerfrage im Sinne der Conservativen
nicht als Grundsteuer und ohne landtägliche Verrechnung erledigt werden würde,
so hätte die Regierung und nicht das Land den Vortheil davon. Wenn die
Städtefrage uicht auf Grundlage eines reformirten (constitutionellen) freien Städte¬
wesens entschieden werden sollte, so hätten wir einen Rückschritt gethan und keinen
Fortschritt u. s. w. Die Opposition wird daher das einen v.muos et «lova, te-
reute« stets im Auge behaltend, sich durch scheinbare Vortheile nicht verleiten lassen
dürfen, und in dieser Beziehung genau und gewissenhaft an ihr Programm halten
müssen. Die Debatte wird es zeigen, ob die Opposition eben so viel Gewandt¬
heit, Sachkenntniß und Takt habe , als sie bisher guten Willen und Ausdauer
gezeigt.

Mau glaubt von vielen Seiten her, die Regierung werde zwischen der Alter¬
native der Auflösung des Landtages und des parlamentarischen Schlachtfeldes
vorerst das Letztere wählen. Man folgert das ans dem Umstände, daß Graf
Szechvuyi, wie ich Ihnen jüngst berichtet, so plötzlich als Kandidat aufgetreten und
hält ihn, da er Statthaltereüath und der angesehenste unter den Männern der Re¬
gierung ist, für ganz geeignet, diese in der Ständetafel zu vertreten. So erklärt
man sich seine Wahl. Nichts destoweniger hofft anch die Opposition viel vom
Grafen (man glaubt gewissermaßen an eine Konversion der Regierung), da er in
seinen Schriften sich stets für die Hauptreformen der jetzigen Opposition erklärt
und seine unaufhörliche Philippiea gegen dieselbe nur durch das „zu früh"
dieser Maßregeln zu entschuldigen gesucht hat. Nun aber sind Maßregeln, welche
von der Majorität und von einer so offenbaren Majorität während der letzten
Jahre immer wieder gefordert werden, gewiß zeitgemäß und der Graf habe demnach
keinen Grund mehr gegen und nicht für dieselben zu sein. Weitere Bekrüsti-
gung dieser Annahme sucht man darin, daß Szvchsnyi als oppositioneller Abgeord¬
neter zum Landtage geht. Diese Hoffnungen dürften sich realisiren, wenn es nur
gelingen wird, seiner Empfindlichkeit gehörig zu begegnen, dem verzärtelten Lieb-


Grenzbottn. IV. 1«i7.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/253>, abgerufen am 22.07.2024.