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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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wahrscheinlich von jener Zeit her, wo sich alle, Bildung in Ungarn beim Clerus
befand - - die Sitte herrscht, daß bei Empfangs- und ähnliche" Feierlichkeiten im¬
mer ein Geistlicher das Wort führt. Nichts desto weniger sprach anch unser erster
Vicegespann Herr Moritz von Szentkir-Api. Erlauben Sie mir einige Worte aus
seiner Rede anzuführen. Sie dürften mit ein Beweis davon sein, daß die Oppo-
sition nicht gar so sanguinisch in ihren Hoffnungen, so abentheuerlich in ihren Er¬
wartungen von der Zukunft sei, als man von einer gewissen Seite her vermuthen
läßt. Nachdem also unser Redner dem hohen Gast die Freude des ComitatS aus-
gedrückt, den Erzherzog Stephan als Obcrgespauu in seiner Mitte begrüßen zu dürfen,
nachdem er unsere Liebe, unser Vertrauen zum Erzherzoge ausgesprochen, fährt er
folgendermaßen fort:

"Doch von jenen glücklichen Träumen, welche jetzt Ew. kaiserl. Hoheit jugend¬
liches Herz umgaukeln, betreffend die Beglückung unseres Vaterlandes, werden
gar viele zu nichte werden; die Hoffnungen einer glücklichem Zukunft, welche wir
schon so lange in unserem Busen hegen, werden wahrscheinlich auch durch Ew.
kais. Hoheit nicht alle in Erfüllung gehen. Aber, Ew. kais. Hoheit mögen anch
überzeugt sein, daß wir niemals Etwas, was die Verhältnisse verhindern, von
Ew. kais. Hoheit fordern werden, und Ew. kais. Hoheit mögen versichert sein, daß
denjenigen, den die Nation einmal in ihr Herz aufgenommen, nichts mehr her¬
auszureißen im Stande sei."

"Wir, welche die Stände mit den betreffenden Zweigen der Verwaltung
betraut, wir haben unsere Sendung so aufgefaßt, daß es unser Streben sein
müsse, den Gegensatz auszugleichen, den die socialen, von Tage zu Tage sich ent¬
wickelnden Verhältnisse den unterbliebenen Maßregeln der Gesetzgebung gegenüber
immer fühlbarer machen, und wir haben dies um so mehr als unsere Ausgabe
erkannt, je unabhängiger das ungarische Comitatslcbeu von dem Wirken einer
centralisirten Regierung ist; wir betrachteten dies um so eher als unsere Aufgabe,
als wir unter unsern Verhältnissen glauben müssen, daß das verallgemeinernde
Verfahren der Gesetzgebung im ComitatSlcben verbreitet werden müsse."

Als das Eeremvuiell der Justallirung erschöpft war, begann die eigentliche
Sitzung mit Aufnahme einiger unbedeutender Gegenstände, worauf sich Ihre kais.
Hoheiten unter dem rauschenden Beifalle der Versammlung entfernten; doch dauerte
die Sitzung auf ausdrückliches Verlangen des Obergespannes nnter dem Präsi¬
dium des Administrators fort. Nun kam ein Gegenstand zur Sprache, der von
großer Wichtigkeit und von hohem Interesse für die Versammlung war. Dem
Comitate wurde nämlich in einem Jntimatc der k. Statthaltern zu wissen gemacht,
daß sich selbes darüber zu rechtfertigen habe, den (uichtadeligcu) Honoratioren, d.h. den
Doctoren, Advocaten und Geistlichen evangelischer und reformirter Confession Stimm¬
recht bei der demnächst (am 18.) stattfinden sollenden Deputirtenwahl verliehen zu
haben, und daß bis zur Erledigung dieser Frage von jener Verletzung alles her-


wahrscheinlich von jener Zeit her, wo sich alle, Bildung in Ungarn beim Clerus
befand - - die Sitte herrscht, daß bei Empfangs- und ähnliche» Feierlichkeiten im¬
mer ein Geistlicher das Wort führt. Nichts desto weniger sprach anch unser erster
Vicegespann Herr Moritz von Szentkir-Api. Erlauben Sie mir einige Worte aus
seiner Rede anzuführen. Sie dürften mit ein Beweis davon sein, daß die Oppo-
sition nicht gar so sanguinisch in ihren Hoffnungen, so abentheuerlich in ihren Er¬
wartungen von der Zukunft sei, als man von einer gewissen Seite her vermuthen
läßt. Nachdem also unser Redner dem hohen Gast die Freude des ComitatS aus-
gedrückt, den Erzherzog Stephan als Obcrgespauu in seiner Mitte begrüßen zu dürfen,
nachdem er unsere Liebe, unser Vertrauen zum Erzherzoge ausgesprochen, fährt er
folgendermaßen fort:

„Doch von jenen glücklichen Träumen, welche jetzt Ew. kaiserl. Hoheit jugend¬
liches Herz umgaukeln, betreffend die Beglückung unseres Vaterlandes, werden
gar viele zu nichte werden; die Hoffnungen einer glücklichem Zukunft, welche wir
schon so lange in unserem Busen hegen, werden wahrscheinlich auch durch Ew.
kais. Hoheit nicht alle in Erfüllung gehen. Aber, Ew. kais. Hoheit mögen anch
überzeugt sein, daß wir niemals Etwas, was die Verhältnisse verhindern, von
Ew. kais. Hoheit fordern werden, und Ew. kais. Hoheit mögen versichert sein, daß
denjenigen, den die Nation einmal in ihr Herz aufgenommen, nichts mehr her¬
auszureißen im Stande sei."

„Wir, welche die Stände mit den betreffenden Zweigen der Verwaltung
betraut, wir haben unsere Sendung so aufgefaßt, daß es unser Streben sein
müsse, den Gegensatz auszugleichen, den die socialen, von Tage zu Tage sich ent¬
wickelnden Verhältnisse den unterbliebenen Maßregeln der Gesetzgebung gegenüber
immer fühlbarer machen, und wir haben dies um so mehr als unsere Ausgabe
erkannt, je unabhängiger das ungarische Comitatslcbeu von dem Wirken einer
centralisirten Regierung ist; wir betrachteten dies um so eher als unsere Aufgabe,
als wir unter unsern Verhältnissen glauben müssen, daß das verallgemeinernde
Verfahren der Gesetzgebung im ComitatSlcben verbreitet werden müsse."

Als das Eeremvuiell der Justallirung erschöpft war, begann die eigentliche
Sitzung mit Aufnahme einiger unbedeutender Gegenstände, worauf sich Ihre kais.
Hoheiten unter dem rauschenden Beifalle der Versammlung entfernten; doch dauerte
die Sitzung auf ausdrückliches Verlangen des Obergespannes nnter dem Präsi¬
dium des Administrators fort. Nun kam ein Gegenstand zur Sprache, der von
großer Wichtigkeit und von hohem Interesse für die Versammlung war. Dem
Comitate wurde nämlich in einem Jntimatc der k. Statthaltern zu wissen gemacht,
daß sich selbes darüber zu rechtfertigen habe, den (uichtadeligcu) Honoratioren, d.h. den
Doctoren, Advocaten und Geistlichen evangelischer und reformirter Confession Stimm¬
recht bei der demnächst (am 18.) stattfinden sollenden Deputirtenwahl verliehen zu
haben, und daß bis zur Erledigung dieser Frage von jener Verletzung alles her-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/248>, abgerufen am 22.07.2024.