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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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fremd geworden, scheint mir aber aus dem angegebenen Wege wenigstens nicht in
glänzender Weise zu erreichen.

Von einem Manne, welcher der größte Plagegeist war, den das Schicksal
mir je beigegeben, und den ich anch bereits hinlänglich gezeichnet, mag ich auch
nichts mehr sagen, und lasse/, was ich Bitteres und Herdes, ja für ihn Herzzer-
schneidendes noch vorbringen konnte, ohne mich der Großmuth zu rühmen, in
meiner Feder. Dieser Mann ist jetzt alt, seine Tage hängen an einem seidenen
Faden, ich will sie nicht um eine Stunde verkürzen, obwohl es eine Zeit gab, wo
dieser Mann in Frankfurt uns so ans die Seele brannte , daß es offen in seinem
Hause von einem Mitgliede der Gesandtschaft in Gegenwart und unter Beifall der
anderen ausgesprochen werden konnte, daß es ein glücklicher Tag für uns sein
würde, wo wir in scheinbarer Trauer der Leiche dieses Mannes, unseres Chefs, zu
folgen haben würden.

Das Gift, welches damals meine Gefühle anschwellen machte, hat seine Kraft
verloren; auch als ich diesen Mann anf's Tiefste haßte, habe ich ihm nie Unrecht
gethan, jetzt vergebe ich ihm persönlich Alles, was er mir Böses zugefügt, denn
es ist wider seinen Willen mir zum Guten geschlagen. Und sollten diese Zeilen je
vor seine Angen kommen, so mögen sie auch in ihm Ruhe wecken '), anstatt zer¬
störender Leidenschaft.


2.
Wie ich aus Frankfurt am Main fortkam.

Das Wesentliche der Ursachen, welche die Auflösung meiner Verhältnisse in
Frankfurt a. M. zur Folge hatten, ist schon an einem andern Orte (s. Vorrede
zum "Deutschen Bundestage .>c.") berührt worden. Wenn einmal eine Stellung
oder ein Zustand unhaltbar geworden, ist es von keiner Bedeutung zu erfahren,
wie sie verloren oder aufgegeben wurde. In diesem besondern Falle war es mein
Gerechtigkeitsgefühl, welches den Ausschlag gab. Die Beleidigung eines achtungs¬
vollen Mannes vou Seiten des Günstlings des Gesandten, empörte mich bis in
das Innerste, da der Beleidigte nicht daran denken durfte, Recht zu erhalten.
Mich ging im Grunde die Sache sehr indirect an, und ich würde schon gefehlt
haben, wenn ich in gewöhnlichen Zuständen mich zum Vertheidiger aufgeworfen
hätte, wo ich nur begütigend ein Recht hatte mitzusprechen. Aber in diesem
Augenblicke kochte mein Blut in Folge des Uebermaßes aller ertragenen und er¬
littenen Unbill über, u"d es war nicht Heftigkeit des Temperaments, die mich
hinriß, sondern die Vehemenz und Kraft meiner Natur, welche sich mit aller
Gewalt einer kühlen überlegender Leidenschaft anf diesen Vorfall warf. Herr v. N.



*) Wir brauchen unsern Lesern wohl nicht erst zu bemerken, daß der Staatsmann, der
hier ^ gemeint ist, bereits seit anderthalb Jahren seine Ruhe gefunden hat.
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fremd geworden, scheint mir aber aus dem angegebenen Wege wenigstens nicht in
glänzender Weise zu erreichen.

Von einem Manne, welcher der größte Plagegeist war, den das Schicksal
mir je beigegeben, und den ich anch bereits hinlänglich gezeichnet, mag ich auch
nichts mehr sagen, und lasse/, was ich Bitteres und Herdes, ja für ihn Herzzer-
schneidendes noch vorbringen konnte, ohne mich der Großmuth zu rühmen, in
meiner Feder. Dieser Mann ist jetzt alt, seine Tage hängen an einem seidenen
Faden, ich will sie nicht um eine Stunde verkürzen, obwohl es eine Zeit gab, wo
dieser Mann in Frankfurt uns so ans die Seele brannte , daß es offen in seinem
Hause von einem Mitgliede der Gesandtschaft in Gegenwart und unter Beifall der
anderen ausgesprochen werden konnte, daß es ein glücklicher Tag für uns sein
würde, wo wir in scheinbarer Trauer der Leiche dieses Mannes, unseres Chefs, zu
folgen haben würden.

Das Gift, welches damals meine Gefühle anschwellen machte, hat seine Kraft
verloren; auch als ich diesen Mann anf's Tiefste haßte, habe ich ihm nie Unrecht
gethan, jetzt vergebe ich ihm persönlich Alles, was er mir Böses zugefügt, denn
es ist wider seinen Willen mir zum Guten geschlagen. Und sollten diese Zeilen je
vor seine Angen kommen, so mögen sie auch in ihm Ruhe wecken '), anstatt zer¬
störender Leidenschaft.


2.
Wie ich aus Frankfurt am Main fortkam.

Das Wesentliche der Ursachen, welche die Auflösung meiner Verhältnisse in
Frankfurt a. M. zur Folge hatten, ist schon an einem andern Orte (s. Vorrede
zum „Deutschen Bundestage .>c.") berührt worden. Wenn einmal eine Stellung
oder ein Zustand unhaltbar geworden, ist es von keiner Bedeutung zu erfahren,
wie sie verloren oder aufgegeben wurde. In diesem besondern Falle war es mein
Gerechtigkeitsgefühl, welches den Ausschlag gab. Die Beleidigung eines achtungs¬
vollen Mannes vou Seiten des Günstlings des Gesandten, empörte mich bis in
das Innerste, da der Beleidigte nicht daran denken durfte, Recht zu erhalten.
Mich ging im Grunde die Sache sehr indirect an, und ich würde schon gefehlt
haben, wenn ich in gewöhnlichen Zuständen mich zum Vertheidiger aufgeworfen
hätte, wo ich nur begütigend ein Recht hatte mitzusprechen. Aber in diesem
Augenblicke kochte mein Blut in Folge des Uebermaßes aller ertragenen und er¬
littenen Unbill über, u»d es war nicht Heftigkeit des Temperaments, die mich
hinriß, sondern die Vehemenz und Kraft meiner Natur, welche sich mit aller
Gewalt einer kühlen überlegender Leidenschaft anf diesen Vorfall warf. Herr v. N.



*) Wir brauchen unsern Lesern wohl nicht erst zu bemerken, daß der Staatsmann, der
hier ^ gemeint ist, bereits seit anderthalb Jahren seine Ruhe gefunden hat.
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[0239] fremd geworden, scheint mir aber aus dem angegebenen Wege wenigstens nicht in glänzender Weise zu erreichen. Von einem Manne, welcher der größte Plagegeist war, den das Schicksal mir je beigegeben, und den ich anch bereits hinlänglich gezeichnet, mag ich auch nichts mehr sagen, und lasse/, was ich Bitteres und Herdes, ja für ihn Herzzer- schneidendes noch vorbringen konnte, ohne mich der Großmuth zu rühmen, in meiner Feder. Dieser Mann ist jetzt alt, seine Tage hängen an einem seidenen Faden, ich will sie nicht um eine Stunde verkürzen, obwohl es eine Zeit gab, wo dieser Mann in Frankfurt uns so ans die Seele brannte , daß es offen in seinem Hause von einem Mitgliede der Gesandtschaft in Gegenwart und unter Beifall der anderen ausgesprochen werden konnte, daß es ein glücklicher Tag für uns sein würde, wo wir in scheinbarer Trauer der Leiche dieses Mannes, unseres Chefs, zu folgen haben würden. Das Gift, welches damals meine Gefühle anschwellen machte, hat seine Kraft verloren; auch als ich diesen Mann anf's Tiefste haßte, habe ich ihm nie Unrecht gethan, jetzt vergebe ich ihm persönlich Alles, was er mir Böses zugefügt, denn es ist wider seinen Willen mir zum Guten geschlagen. Und sollten diese Zeilen je vor seine Angen kommen, so mögen sie auch in ihm Ruhe wecken '), anstatt zer¬ störender Leidenschaft. 2. Wie ich aus Frankfurt am Main fortkam. Das Wesentliche der Ursachen, welche die Auflösung meiner Verhältnisse in Frankfurt a. M. zur Folge hatten, ist schon an einem andern Orte (s. Vorrede zum „Deutschen Bundestage .>c.") berührt worden. Wenn einmal eine Stellung oder ein Zustand unhaltbar geworden, ist es von keiner Bedeutung zu erfahren, wie sie verloren oder aufgegeben wurde. In diesem besondern Falle war es mein Gerechtigkeitsgefühl, welches den Ausschlag gab. Die Beleidigung eines achtungs¬ vollen Mannes vou Seiten des Günstlings des Gesandten, empörte mich bis in das Innerste, da der Beleidigte nicht daran denken durfte, Recht zu erhalten. Mich ging im Grunde die Sache sehr indirect an, und ich würde schon gefehlt haben, wenn ich in gewöhnlichen Zuständen mich zum Vertheidiger aufgeworfen hätte, wo ich nur begütigend ein Recht hatte mitzusprechen. Aber in diesem Augenblicke kochte mein Blut in Folge des Uebermaßes aller ertragenen und er¬ littenen Unbill über, u»d es war nicht Heftigkeit des Temperaments, die mich hinriß, sondern die Vehemenz und Kraft meiner Natur, welche sich mit aller Gewalt einer kühlen überlegender Leidenschaft anf diesen Vorfall warf. Herr v. N. *) Wir brauchen unsern Lesern wohl nicht erst zu bemerken, daß der Staatsmann, der hier ^ gemeint ist, bereits seit anderthalb Jahren seine Ruhe gefunden hat. 30*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/239>, abgerufen am 03.07.2024.