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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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theilhaften Lichte darzustellen. Nichts fehlte ihm, wie innere Wahrheit, er besaß
fast alle Gaben, die ein Redner, ein Minister nnr haben kann. Daß ihm diese
aber fehlte, hat endlich seinen völligen Untergang bewirkt. Wahrlich, noch nie
war die rächende Nemesis so gerecht, wie hier.

Dem ersten Präsidenten der zweiten Kammer Freiherrn v. Notenhan, kann
man mit voller Gerechtigkeit das Lob ertheilen, daß er seinen schweren Posten
gut zu verwalten versteht. Keine Partei im Mindesten bevorzugend, fest und
unerschütterlich gegen alle Verlockungen oder auch wider Angriffe, mochten diese
nun kommen von welcher Seite sie wollten, stets den Gang der Debatte genan
überwachend, und etwaige Überschreitungen mit Ernst rügend, dabei aber nicht
dictatorisch oder gar anmaßend auftretend, hat er in hohem Grade Aller Bei¬
fall sich errungen, und wir glauben kaum, daß in der ganzen Kammer ein würdi¬
gerer Kandidat für seine Stelle hätte gefunden werden können *).

Dies ganz kurz die vier süddeutschen zweiten Kammern der letzten Landtage.
Sie sind theilweise sehr abweichend von einander, wie es auch bei der Mehrheit
der Volksstämme, die sie vertreten sollten, der Art ihrer Zusammensetzung und
den ihnen durch die mehr oder weniger liberalen Konstitutionen verliehenen Rech¬
ten nicht anders sein kann. Darin stimmen sie aber sämmtlich überein, daß sie
die unendlichen Wohlthaten des constitutionellen Lebens für die Völker würdigen,
und eine Konstitution für mehr als ein beschriebenes Stück Papier, was sich zwi¬
schen Volk nud Fürsten dränge, erkennen. Sonst ist wohl in ihrer Mehrheit die
würtenbergische Kammer die gediegenste, dabei aber besonnenste, die bairische die
verschiedenartigste, aber das Volk selbst am Besten darstellende, die badische die
anregendste, lebendigste aber oft uupractischste, die hessische die gebildetste aber sonst
uuwichtigste. Wahren Antheil nimmt am Meisten das Volk in ganz Würtem-
berg, Baden, Rheinbaiern, Rheinhessen und Franken an den Verhandlungen der
Kammern, am Wenigsten in Ober- und Niederbaiern und dann in Oberhessen.



D. Red.


*) Wir vermissen mit Bedauern in dieser Charakteristik des bairischen Parlaments den
Namen des Abgeordneten Dr. v. scheuere, der sich in den letzten Kammersitzungen durch seinen
Antrag in Bezug auf die Presse ein wesentliches Verdienst erworben hat. Doch ist, wie schon
oben bemerkt, dieser Aufsatz vor Eröffnung des diesmaligen Landtags geschrieben worden.

theilhaften Lichte darzustellen. Nichts fehlte ihm, wie innere Wahrheit, er besaß
fast alle Gaben, die ein Redner, ein Minister nnr haben kann. Daß ihm diese
aber fehlte, hat endlich seinen völligen Untergang bewirkt. Wahrlich, noch nie
war die rächende Nemesis so gerecht, wie hier.

Dem ersten Präsidenten der zweiten Kammer Freiherrn v. Notenhan, kann
man mit voller Gerechtigkeit das Lob ertheilen, daß er seinen schweren Posten
gut zu verwalten versteht. Keine Partei im Mindesten bevorzugend, fest und
unerschütterlich gegen alle Verlockungen oder auch wider Angriffe, mochten diese
nun kommen von welcher Seite sie wollten, stets den Gang der Debatte genan
überwachend, und etwaige Überschreitungen mit Ernst rügend, dabei aber nicht
dictatorisch oder gar anmaßend auftretend, hat er in hohem Grade Aller Bei¬
fall sich errungen, und wir glauben kaum, daß in der ganzen Kammer ein würdi¬
gerer Kandidat für seine Stelle hätte gefunden werden können *).

Dies ganz kurz die vier süddeutschen zweiten Kammern der letzten Landtage.
Sie sind theilweise sehr abweichend von einander, wie es auch bei der Mehrheit
der Volksstämme, die sie vertreten sollten, der Art ihrer Zusammensetzung und
den ihnen durch die mehr oder weniger liberalen Konstitutionen verliehenen Rech¬
ten nicht anders sein kann. Darin stimmen sie aber sämmtlich überein, daß sie
die unendlichen Wohlthaten des constitutionellen Lebens für die Völker würdigen,
und eine Konstitution für mehr als ein beschriebenes Stück Papier, was sich zwi¬
schen Volk nud Fürsten dränge, erkennen. Sonst ist wohl in ihrer Mehrheit die
würtenbergische Kammer die gediegenste, dabei aber besonnenste, die bairische die
verschiedenartigste, aber das Volk selbst am Besten darstellende, die badische die
anregendste, lebendigste aber oft uupractischste, die hessische die gebildetste aber sonst
uuwichtigste. Wahren Antheil nimmt am Meisten das Volk in ganz Würtem-
berg, Baden, Rheinbaiern, Rheinhessen und Franken an den Verhandlungen der
Kammern, am Wenigsten in Ober- und Niederbaiern und dann in Oberhessen.



D. Red.


*) Wir vermissen mit Bedauern in dieser Charakteristik des bairischen Parlaments den
Namen des Abgeordneten Dr. v. scheuere, der sich in den letzten Kammersitzungen durch seinen
Antrag in Bezug auf die Presse ein wesentliches Verdienst erworben hat. Doch ist, wie schon
oben bemerkt, dieser Aufsatz vor Eröffnung des diesmaligen Landtags geschrieben worden.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/210>, abgerufen am 22.07.2024.