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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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konnte. Der große Jndifferentismus gegen Alles was nicht unmittelbar die nächsten
geistigen Interessen berührt, der leider noch so sehr vielfach in einem großen Theil
Baierns iNheinbaicrn und Franken ausgenommen) gefunden wird, trat auch bei gar vielen
Abgeordneten recht schroff hervor. Wie Hvlzpnppen, die weder denken noch sprechen
können, saßen sie stumpfsinnig auf ihren Plätzen und öffneten nur den Mund, um
das von dem Herrn v. Abel gewünschte und von seinen Adjutanten in der Kammer
mitgetheilte "ja" oder "nein" auszusprechen. Freilich fehlte es auch zum Glück wieder
nicht an vielen ganz entgegengesetzten Beispielen. Die Opposition, wozu sämmtliche
Rheinbaiern, fast alle protestantischen Pfarrer und einzelne Vertreter der übrigen
Stände aus den sonstigen Landestheilen gehörten, zahlte gar treffliche Männer, denen
Kopf und Herz in jeder Weise auf dein rechten Platz saß; auch die Ansichten des
Ministeriums wurden von einzelnen höheren Beamten, Professoren und katholischen
Pfarrer" mit Geschick vertheidigt. DasBestreben der Opposition in Baiern, die von der
festgeschlossenenOrganisation und dem vorherige!! Entwerfen des Operationsplanes wie
es in Baden geschieht, nichts an sich hat, sondern wo Jeder in einzelner Sitzung
nach Gutdünken handelt war nicht sowohl nach neuen Reformen als vielmehr nur
uach Erhaltung des skildus ano, den Herr von Abel in jeder Weise in die offen¬
barste Reaction in allen und gar besonders in kirchlichen Dingen verwandeln wollte,
gerichtet. Deshalb zählte sie auch in ihren Reihen Kämpfer, die sonst nichts we¬
niger wie allzu liberal gesinnt waren, und in der badischen, ja auch wohl in der
würtembergischen Kammer ganz entschieden ans Seite der Negierung sitzen würden.

Nun das Geschick rächte sich bald auf eine zwar etwas wunderbare Weise,
und 1847 veranlaßte eine fremde Tänzerin, was 1846 die Wünsche eines
Landtages nicht vermochten. Doch vorbereitet wurde schon Abel's Sturz, das
wichtigste Ereigniß, was Baiern in den letzen Is Jahren erlebt hat auf diesem
Landtage in hohem Grade, und wahrscheinlich führte der Genannte noch das
Unter des Staates, wären damals dem Könige nicht die Augen über die Stim¬
mung des ganzen Landes geöffnet. Die Geschichte mit der Spanierin war
nur der zündende Funke, der in die schon lange vorbereitete Mine fiel, womit
die ganze ultramontane Partei, die sich wie ein Krebsschaden im Herzen des schö¬
nen Baiernlandes einzufressen drohte, in die Luft gesprengt wurde.

Wenn nun auch von den 140 Abgeordneten, die Baierns zweite Kammer
zählt, kaum der vierte Theil als Redner aufzutreten im Stande ist, so sind dafür
unter den Sprechern auch so viele langathmige Naturen, daß die Verhandlungen
ganz entsetzlich in die Länge dadurch gezogen werden, und man nirgends so viele
gänzlich überflüssige Worte wie gerade dort hören wird. Obgleich daher die
Sitzungen oft 6 bis 8 Stunden dauerten, -blieb der Landtag doch an sieben



*) Nur die Rheinbaiern hielten bisweilen vorbereitende Versammlungen unter sich, an de¬
nen auch nachmals einige wenige andere Abgeordnete Theil nahmen.

konnte. Der große Jndifferentismus gegen Alles was nicht unmittelbar die nächsten
geistigen Interessen berührt, der leider noch so sehr vielfach in einem großen Theil
Baierns iNheinbaicrn und Franken ausgenommen) gefunden wird, trat auch bei gar vielen
Abgeordneten recht schroff hervor. Wie Hvlzpnppen, die weder denken noch sprechen
können, saßen sie stumpfsinnig auf ihren Plätzen und öffneten nur den Mund, um
das von dem Herrn v. Abel gewünschte und von seinen Adjutanten in der Kammer
mitgetheilte „ja" oder „nein" auszusprechen. Freilich fehlte es auch zum Glück wieder
nicht an vielen ganz entgegengesetzten Beispielen. Die Opposition, wozu sämmtliche
Rheinbaiern, fast alle protestantischen Pfarrer und einzelne Vertreter der übrigen
Stände aus den sonstigen Landestheilen gehörten, zahlte gar treffliche Männer, denen
Kopf und Herz in jeder Weise auf dein rechten Platz saß; auch die Ansichten des
Ministeriums wurden von einzelnen höheren Beamten, Professoren und katholischen
Pfarrer» mit Geschick vertheidigt. DasBestreben der Opposition in Baiern, die von der
festgeschlossenenOrganisation und dem vorherige!! Entwerfen des Operationsplanes wie
es in Baden geschieht, nichts an sich hat, sondern wo Jeder in einzelner Sitzung
nach Gutdünken handelt war nicht sowohl nach neuen Reformen als vielmehr nur
uach Erhaltung des skildus ano, den Herr von Abel in jeder Weise in die offen¬
barste Reaction in allen und gar besonders in kirchlichen Dingen verwandeln wollte,
gerichtet. Deshalb zählte sie auch in ihren Reihen Kämpfer, die sonst nichts we¬
niger wie allzu liberal gesinnt waren, und in der badischen, ja auch wohl in der
würtembergischen Kammer ganz entschieden ans Seite der Negierung sitzen würden.

Nun das Geschick rächte sich bald auf eine zwar etwas wunderbare Weise,
und 1847 veranlaßte eine fremde Tänzerin, was 1846 die Wünsche eines
Landtages nicht vermochten. Doch vorbereitet wurde schon Abel's Sturz, das
wichtigste Ereigniß, was Baiern in den letzen Is Jahren erlebt hat auf diesem
Landtage in hohem Grade, und wahrscheinlich führte der Genannte noch das
Unter des Staates, wären damals dem Könige nicht die Augen über die Stim¬
mung des ganzen Landes geöffnet. Die Geschichte mit der Spanierin war
nur der zündende Funke, der in die schon lange vorbereitete Mine fiel, womit
die ganze ultramontane Partei, die sich wie ein Krebsschaden im Herzen des schö¬
nen Baiernlandes einzufressen drohte, in die Luft gesprengt wurde.

Wenn nun auch von den 140 Abgeordneten, die Baierns zweite Kammer
zählt, kaum der vierte Theil als Redner aufzutreten im Stande ist, so sind dafür
unter den Sprechern auch so viele langathmige Naturen, daß die Verhandlungen
ganz entsetzlich in die Länge dadurch gezogen werden, und man nirgends so viele
gänzlich überflüssige Worte wie gerade dort hören wird. Obgleich daher die
Sitzungen oft 6 bis 8 Stunden dauerten, -blieb der Landtag doch an sieben



*) Nur die Rheinbaiern hielten bisweilen vorbereitende Versammlungen unter sich, an de¬
nen auch nachmals einige wenige andere Abgeordnete Theil nahmen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/208>, abgerufen am 25.08.2024.